Etwas, das ich in Zürich schampar anstrengend finde, sind all die Szenis, die Woche für Woche in hippen kleinen Läden in den Kreisen 3, 4 und 5 irgendwelche Vernissagen zelebrieren, bei der es um Kunst geht, von der ich absolut rein gar nichts verstehe.
Es sind immer die gleichen, die dann vor den Läden rumstehen, hippe Drinks schlürfen, selber gedrehte CBD-Zigaretten rauchen, um dann irgendwann mit ihren Fixies in Richtung illegale Party irgendwo im Quartier in einem Keller wegzufahren.
Neulich fahre ich mal wieder an so einem Lädeli vorbei, vor dem genau so ein Trüppli steht. Im Schaufenster erblicke ich eine Lederjacke. Mit Goofy drauf. Liebe auf den ersten Blick. Also halte ich an, dränge mich an all den Ach-so-Kreativen vorbei und betrete den Laden.
Die Jacke ist ein Einzelstück. Ich wende mich an den Verkäufer und frage, ob ich sie probieren darf. Vorsichtig nimmt er sie von der Puppe und schaut mir beim Probieren zu. Jacke passt wie angegossen. Also fast. Ausser bei den Brüsten. Da bringe ich sie nie im Leben zu. Eventuell ein Luxusproblem. Aber hier und jetzt ärgert es mich sehr.
Er lächelt. Und findet: «Lieber deine Brüste als diese Jacke.» Den mag ich. Wir reden schon eine ganze Weile über dies und das, als uns eine Mittzwanzigerin mit blonden Rastas und drei Nasenringen fragt, ob wir was Bestimmtes suchen. Ich bin irritiert.
Er sei gar kein Verkäufer, beichtet Ronny. Es sei aber zu verlockend gewesen, nicht so zu tun als ob. Ich lache. Er ist der Bruder der Künstlerin, die hier ihre Bilder ausstellt. Er würde mich gerne auf einen Drink einladen, wenn ich wolle. Ich will.
Wir setzen uns draussen auf ein Fenstersims. Er ist Architekt, 34, ursprünglich aus dem Berner Oberland. Als ich ihm offenbare, womit ich mein Geld verdiene, schiesst es aus ihm raus: «Kennst du Emma Amour?», fragt er mit grossen Augen. «Ja», sage ich.
Wie die denn so sei in natura, will er wissen. Ich antworte mit einer Gegenfrage: Wie er sie sich denn vorstelle. «Anstrengend», sagt er. «So ADHS-mässig überdreht.» Und laut sei sie. Eventuell habe sie eine viel zu hohe Stimme, die in den Ohren weh tut.
Ich lache.
Ausserdem, ist er sich sicher, eine, die so über Sex schreibe, sei sicher «ein Brett in Bett». Sei ja oft so. Wer am lautesten schreit, ist am verklemmtesten. Er liest dennoch jeden Text von ihr. Warum, kann er nicht erklären. Manchmal sei's ja schon lustig. Und ein gewisses Gespür für das Erzählen von Geschichten kann er ihr nicht abschwatzen.
Ob er sich schon mal überlegt habe, wie sie aussehen könnte, will ich wissen. Diesbezüglich sei alles möglich. Von «sehr heiss» bis «sehr unattraktiv». Er tendiere zu unattraktiv. Und mit der Kolumne kompensiere sie irgendetwas. Vielleicht sei sie winzig. Oder stark übergewichtig, habe Froschaugen. Oder sie sei eine graue Maus. Das sei sie sogar recht sicher.
«Und was, wenn ich dir sage, dass ich Emma Amour bin?», frage ich. Er lacht. «Guter Witz! Nie im Leben!»
Warum, will ich wissen.
Weil ich dafür zu unaufgeregt sei. Wenig hysterisch, nicht nervig, nicht laut und nicht aufdringlich. Während er bei mir das Gefühl hat, dass ich bei mir bin, ist er sich bei Emma sicher, dass die völlig flatterhaft ist. Und launisch. «Kein Wunder, dass da kein Typ länger als ein paar mal Sex bleibt.»
«Ich bin Emma Amour», sage ich. Ronny lacht. «Ok, guter Joke, das gebe ich zu», findet er. Ich erkläre ihm, dass ich's ernst meine. Er nimmt's mir kein bisschen ab. Ich frage ihn, was denn wäre, wenn ich es beweisen würde? «Das wäre krass. Ich müsste meine Vorurteile reflektieren und meine Meinung revidieren.»
Würde er mich daten, wenn er denn die Gewissheit hätte, dass ich Emma bin?
«Ja.» Noch lieber aber würde er mit mir ausgehen, wäre ich nicht Emma. Glaubt er. Ist sich jetzt aber nicht mehr ganz sicher.
Ich mag die skurrile Wende, die diese Begegnung mit sich bringt. Und weil man gehen soll, wenns am besten ist, verabschiede ich mich. Ohne Nummer. Ohne ein abgemachtes Date. Nur mit den Worten «Wir lesen uns auf watson.»
Also, lieber Nichtverkäufer Ronny. Das hier sollte wohl Beweis genug sein. Willst du mich immer noch treffen, melde dich.
Und sorry, dass ich keine Quietsch-Stimme habe, nicht adipös bin und unter keinem ADHS leide.
Dafür bin ich wahnsinnig stur, kann kein Auto parkieren und in meinem Kühlschrank herrscht eine ewige gähnende Leere.
Adieu,
Dann schick sie per Mail an Emma: emma.amour@watson.ch