Natürlich heisst Gandhi nicht Gandhi. Und doch nennt sich Gandhi Gandhi. Auf Tinder und in Persona. Gandhi und ich lernen uns Dank Sophie kennen. Neulich liess ich sie und Cleo für mich tindern.
Sophie schenkte Gandhi in meinem Namen einen Superlike. Sophie findet nämlich, dass ein Esoteriker eigentlich sehr gut zu mir passt.
Wir hatten, als die beiden für mich swipten, ein, zwei Gläser Wein intus. Vielleicht hat Sophie ja recht. Esoterik und ich. In Vino veritas. Um genau das herauszufinden, chatte ich Gandhi an. Sein Profil ist voller Sternenstaub, galaktischen Bildern und nackter Haut.
Gandhi geht am liebsten oben ohne durchs Leben. Und unten ohne. Ganz unten. Barfuss dänk. Sein Haar ist rasiert. Glatze. Hmmm. Eigentlich nicht meins. Aber wenn Sophie meint, das könnte the One sein, dann bin ich natürlich bereit, auch mein Schuhwerk auszuziehen, um mit Gandhi Hand in Hand barfuss über das herbstliche Laub unsere Namen zu tanzen.
Ich chatte ihn mit «Alle Chakren im Fluss, Fremder?» an. Er antwortet zwei Tage nicht. Dann kommt sowas wie «Hübsche Aura, fremde Fee.» Was mich freut. Eine hübsche Aura ist toll. Ich habe mir noch nie Gedanken zu meiner Aura gemacht. Jetzt aber, da ich weiss, dass sie hübsch ist, will meine Aura Gandhis Chakren daten.
Er bestellt mich in seinen Therapie- und Bewegungsraum. Er fände es schön, wenn wir uns da begegnen. Da wir gemeinsame Bekannte haben, die mir versichern, dass mich Gandhi in keinen Keller sperrt, lasse ich mich drauf ein. Beziehungsweise so halb. Ich schlage zuerst einen Tee im Stübli gegenüber vor. Findet Gandhi super.
Wir treffen uns an einem Mittwoch um 20.30 Uhr. Ich bin vor ihm da. Als Stammgast betritt er die Spunte barfuss. Im Muskelshirt. Und einem Turban auf dem Kopf. Ende Oktober. Er strahlt mich an. Die Umarmung zur Begrüssung dauert ewig. Bevor ich seinen richtigen Namen kenne, weiss ich, wie sein Hals riecht.
Er riecht gut.
Gandhi setzt sich hin und nimmt meine Hand. Er schaut sie von allen Seiten an und analysiert die warmen Stellen. Die Linien, meine Fingerbeeri und die roten Nägel. Was befremdlich klingt, fühlt sich schön an. Gandhi spricht klar, deutlich und sehr tief.
Irgendwie turnt mich dieses Szenario an. Während Gandhi immer noch damit beschäftigt ist, meine Hände, meine Nase und meine Haare – die sagen viel über das Seelenheil eines Menschen aus – zu analysieren, denke ich an Sex. In meinem Kopf ist Gandhi ein leidenschaftlicher Lover, der sich enorm viel Zeit lässt und ewig lange kann.
Ich frage ihn, wie er zu Tantra steht. Sehr gut, sagt er. Ob auch ich Erfahrungen habe. Wenig, offenbare ich. Ob ich interessiert bin, will er wissen. Sehr, betone ich. Wir lassen Gespräche über Jobs, Hobbys und seinen echten Namen aus. Er zahlt meinen Ingwer-Tee und seinen Kafi Schnaps.
Im Therapieraum riecht es – logisch – nach einem Mix aus Räucherstäbchen, Aroma-Ölen und etwas Weihrauch. An den Wänden hängen bunte Tücher. Das Licht ist gedämmt. Gandhi zündet Kerzen an und fordert mich auf, mich auf den Bauch auf eine grosse Matte zu legen.
Noch so gerne.
Nun fängt er an, meinen Kopf zu kraulen. Er wühlt in meinen Haaren. Dann massiert er meine Ohren, das kitzelt biz. Ich lache. Er macht weiter. Dann knetet er meinen Nacken, meine Wirbelsäule, mein Kreuz. Nun fasst er mit seiner sehr warmen Hand unter meinen Pulli. Ui. Ui. Ui.
Ich bin, dezent gesagt, flying high.
Jetzt geht's schnell. Gandhi hat meinen Pulli ausgezogen. Dann streift er meine Hose ab, öffnet meinen BH, dreht die Musik – eventuell Walgesang – auf und leert warmes Öl über meine nackte Haut.
Gandhi summt. Zuerst leise, dann immer lauter. Zum Summen gesellt sich etwas Gesang – oder sowas ähnliches. Obwohl ich der wohl unesoterischste Mensch bin, fühlt sich im Hier und Jetzt alles sehr wohlig und schön an.
Nun geht es ganz schnell bis ich richtig scharf auf Gandhi werde. Bis wir uns aber küssen und auch ich ihn anfasse, vergehen gefühlt zehn Stunden.
Noch während wir Rummachen lobt er meine innere Göttin, meine sexuelle Energie, meine – Haha – «hungrige» Aura (nicht unwahr, hatte schon eine ganze Weile keinen Sex).
Gandhi und ich vögeln bis unsere Chakren in metaphysisch einem einzigen Chakra-Feuerwerk explodieren.
Dann trennen sich unsere Wege. Ohne, dass ich Gandhis richtigen Namen kenne. Und zwar für immer. Das wissen wir, ohne dass wir's aussprechen. Wir sind beide damit in bester Ordnung, ohne dass wir's aussprechen. Was Ghandi schon zu fast meiner seligsten, befriedigendsten und friedlichsten Erfahrung 2019 macht.
Nur eine trauert Gandhi hinterher: Sophie will nie mehr für Cleo oder mich tindern.
Ich muss jetzt also los. Der herz-gebrochenen Sophie ein Fass heisse Schoggi Mélange machen.
Namaste, Bitches! Om, Gandhi!
Etwas sticht hier diametral heraus: Ein richtiger Eso-Fritz würde sich nie und nimmer ein Kafi-Schnaps bestellen! Never Ever!