In der Zeit der Homevideos aus dem Homeoffice sind Bücherregale das Statussymbol der Stunde. Es könnte sich ja «Die Pest» von Camus oder sonst ein systemrelevantes Buch darauf befinden, das seinem Besitzer erst die wahre Aura von Krisenkompetenz verleiht. Hazel Brugger macht in der Quarantäne mit ihrem Mitbewohner Thomas Spitzer (sind die zusammen???) das albernste, was sich mit einer Bibliothek machen lässt, sie ordnet ... grandios sehenswert!
Wer auch nur einen Hauch von Schreibfertigkeit besitzt (also gefühlt alle), liefert jetzt ein Corona-Tagebuch, einen Quarantäne-Essay, Facebook-Gedichte, Pathos-Kommentare. Jessica Salfia, eine Englisch-Lehrerin und Autorin aus West Virginia, trocknet alle ab. Mit ihrem Corona-Gedicht. Das sie allerdings nicht selbst geschrieben, sondern collagiert hat. Aus den Anfangszeilen von all den Corona-Mails, die sie von diversen Firmen erhalten hatte. Genial und ein viraler Hit. Der Refrain lautet: «Wie Sie wissen, kämpfen viele Menschen.»
Ich habe schnell in mein Postfach geschaut und mit einem Imitat begonnen:
Kommt Ihnen Ihr Leben zurzeit auch unwirklich vor?
Turbulente Zeiten liegen hinter uns.
Die Farbe Gelb steht für Optimismus, Freude und Vertrauen.
Diese Masken wirken Wunder.
Du bist unglaublich.
Lerne zu wachsen.
Bleib gesund, geduldig und kreativ.
Diese Masken wirken Wunder.
Falls euch danach ist: Probieren geht über studieren, macht Spass und wir freuen uns auf eure Beiträge in den Kommentaren!
Laurent Aeberli, der aus nicht mehr nachverfolgbaren Gründen als «Loro» in die watson-Annalen einging, ist leider schon länger nicht mehr als Redaktionsmitglied unter uns, dafür als die eine Hälfte von Laurent & Max, der einzig wahren Nachfolgeband von Schtärneföifi. Und das sagen nicht wir, das sagen Kinder, die sich auskennen! Zum Glück wohnen Laurent & Max auch zusammen und schreiben in ihrer Quarantäne einen neuen Song um den andern (was sie sonst noch tun? Keine Ahnung! Wüssten wir aber gerne!). Zum Beispiel den hier:
Wie unschwer zu hören ist, haben sie die Melodie nicht selbst geschrieben, das hat für die beiden schon vor einiger Zeit Kurt Weill mit seinem «Alabama Song» erledigt. Und weil diese Nummer damit kulturell so verrückt hochstehend ist, hat sogar die NZZ darüber berichtet. Geil.
Am 28. März gaben die beiden in ihrem Gärtchen ein ganzes charmantes Quarantäne-Konzertchen (mit dem sie überdies noch ziemlich viel Geld für Geflüchtete auf Lesbos sammelten), das es unter diesem Link zu sehen und zu hören gibt. Ihr müsst runterscrollen, Laurent & Max kommen zwischen Long Tall Jefferson und Gin Lennon und vielleicht findet sich da ja noch das eine oder andere Konzert, bei dem es sich reinzuhören lohnt.
Habt ihr auch seit Wochen das Gefühl, dass ihr endlich mal «Die Pest» von Albert Camus lesen solltet, um mitreden zu können? Habt ihr das Buch vielleicht sogar irgendwo rumliegen, aber kommt einfach nicht dazu, weil ihr neuerdings so viel mit Sauerteighätscheln und Brotbacken beschäftigt seid? Tja, dann gönnt euch «Die Pest» doch einfach als Hörbuch, vorgetragen von den aufregendsten Stimmen Österreichs.
Der Radiosender fm4 hat sie nämlich zu einem vielstündigen Lesemarathon versammelt, den man noch einen Monat lang hier nachhören kann. Mit dabei sind unter vielen anderen: Adele Neuhauser (die Bibi aus dem Wiener «Tatort»), Stefanie Sargnagel, David Schalko, Birgit Minichmayr, Daniel Kehlmann und die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek herself. Und schon nur der Einstieg ins Buch mit Sophie Rois lohnt sich!
Unweit der weitgehend verwaisten watson-Redaktion (Team Homeoffice ...) liegt die Kehrichtverbrennungsanlage an der Josefstrasse. Und hoch oben am Hochkamin gibt es einen Falkenhorst. Und Grün Stadt Zürich war so nett und hat dort eine Falken-Beobachtungs-Kamera installiert, die seit Mitte Februar ununterbrochen filmt. Es ist der Himmel. Ein Blick auf Zürich, wie wir es vor lauter Zuhausebleiben schon gar nicht mehr kennen. Freiheit. Majestätische Falken, die an- und abfliegen, futtern und sich gelegentlich mit feindlichen Vögeln fetzen. Slow TV vom Allerallerfeinsten.
Die sozialen Medien platzen ja nur so vor klassischen Musikerinnen und Musikern, die einander nicht nur über Wohnzimmer, sondern auch über ganze Städte und Länder hinweg begegnen und virtuell in vollendetster Harmonie zusammen spielen. Sämtliche Vögel abgeschossen hat jetzt das norwegische Rundfunkorchester – nicht mit einem klassischen Werk, sondern mit seiner «All by myself»-Version. Habt dazu bitte Bridget Jones vor eurem inneren Auge ... Oder auch vor eurem äusseren:
Unsere Anna Rothenfluh ist ja dermassen in den österreichischen Kabarettisten Josef Hader verschossen, dass sie ihre Katze Hader getauft hat. Jetzt kann sie «Hader» den ganzen Tag über streicheln und vollflirten (oder kastrieren). Aber das wisst ihr bestimmt schon.
Um die Bevölkerung mit einem Lächeln durchs coronäische Zeitalter zu bugsieren, hat Josef Hader jetzt die ganzen Fernsehaufzeichnungen seiner Kabarettprogramme auf player.hader.at gestellt. Dazu kommt jeweils wochenweise einer seiner Filme. Ein kleines Paradies.
Wer schon nach Amsterdam gereist ist (ach, reisen!) kennt es, das Anne-Frank-Haus. Oder zumindest die riesige Schlange davor. Das wohl populärste Museum Amsterdams bleibt mindestens bis zum 1. Juni geschlossen. Online wird dafür umso mehr geboten: Vor zwei Wochen ging das Videotagebuch von Anne Frank los, 15 kurze Folgen werden es irgendwann sein, in denen das Schicksal des jüdischen Mädchens und seiner Familie erzählt wird, das während des Zweiten Weltkriegs im Versteck lebte und kurz vor Kriegsende doch den Nazis zum Opfer fiel. Mit Untertiteln. Das Versteck selbst lässt sich virtuell unter diesem Link erkunden.
Okay, lassen wir das historische Rätsel, wie sowas möglich gewesen sein könnte, beiseite, auch eine gewisse Irritation darüber, dass Anne Frank Dinge sagt wie «Hier ist ein Update.»
Bloss weil dieser Frühling von Corona verhüllt wird, ist das noch lange kein Grund, dass wir uns jetzt alle auf die Balkone stellen und lossingen sollen. Auch wenn für den 18. April zu einem nationalen Balkon-Karaoke aufgerufen wird. Selbst in Zeiten wie diesen, sollte man sowas den Profis überlassen.
Aufgefallen im Überangebot sind uns die Hamburger-Schule-Ikone Bernadette La Hengst und die Zürcher Soul-Queen Brandy Butler. Toll, toll, toll. Und logischerweise auch technisch auf einem Profi-Level.
Brandy Butler singt jeden Abend um 18 Uhr und ist über ihren Facebook-Account zu geniessen. Mal singt sie Eigenes, mal Songs von Amy Winehouse, Elton John oder Nina Simone.
Filme und Serien, die man jetzt schauen kann: «Home Alone», «Homeland», «Panic Room», «The Shining», «Upstairs Downstairs» und das Gegenteil von Homeoffice, nämlich «The Office» ... Oder auch einfach «Home»!
Der surreale und sehr komische Film von Regisseurin Ursula Meier aus dem Jahr 2008 zeigt eine Familie, die freiwillig in Quarantäne geht und sich in ihrem Haus einmauert. Als Protest gegen die Autobahn, die ihnen vor die Tür gebaut wird. Was alles so passieren kann, wenn es keinen Ausweg mehr gibt ... Mit Isabelle Huppert. Leute, seien wir froh, ist es bei uns wie es ist (und haben wir nicht die Huppert zur Mutter)!
Wer ein Kino seiner Wahl unterstützen will, kann sich «Home» über diesen Link anschauen, die Hälfte des Mietpreises geht dann an das gewählte Kino. Günstiger, aber ohne Unterstützung der Kinos ist «Home» über die Plattformen artfilm.ch und cinefile.ch zu beziehen.
Leider, leider erst in Englisch gibt es die traumhaft schön gestaltete Harry-Potter-at-Home-Welt, mit der J.K. Rowling gelangweilte Kinder, die nicht zur Schule dürfen, davon abhalten will, ihre Eltern in den Wahnsinn zu treiben. «Eltern, Lehrer und Betreuer, die daran arbeiten, Kinder bei Laune zu halten und ihr Interesse zu wecken, während wir im Lockdown sind, könnten möglicherweise ein bisschen Magie gebrauchen», twitterte Rowling.
Das Jazzfestival Montreux schenkt uns einen Monat lang Zugang zu 50 Konzerten aus etlichen Jahrzehnten. Einfach nicht vergessen, sich nach diesem Monat wieder auszuloggen! Aber bis dahin viel Vergnügen mit: Nina Simone, Deep Purple, Suzanne Vega, James Brown, Patti Smith, Johnny Cash, The Raconteurs, Carlos Santana, Alanis Morrisette, Tori Amos, Run DMC, Herbert Grönemeyer und, und, und.
Sie wird irgendwie wie guter Wein mit den Jahren immer besser. Und Thomas ist wohl das Gebinde (sprich Flasche), die die Qualität hochhält, in Form bringt und einfach zum Gesamtpacket zu gehören scheint 🤘