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Welch Ironie: Netflix startet in Frankreich lineares Fernsehen

Welch Ironie: Netflix startet in Frankreich lineares Fernsehen

10.11.2020, 10:5510.11.2020, 11:15
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Netflix ist weltweit zum Synonym für das Streamen von Serien und Filmen geworden. Kaum mehr ein TV wird heute ohne Netflix-Taste auf der Fernbedienung ausgeliefert. Das Konzept kennen wir: Netflix starten, Titel aussuchen und so lange schauen, wie man möchte. Früher, im Zeitalter des linearen Fernsehens, war das noch anders: Wir waren der Diktatur der Fernsehsender unterworfen. Wer seine Lieblingssendung nicht aufzeichnen konnte, hatte eben Pech gehabt.

Wie es scheint, steckt das lineare Fernsehen aber noch so tief in den Knochen der Menschen, dass nun selbst Netflix damit liebäugelt. In Frankreich startet der US-Sender ein Pilotprojekt. Name: Netflix Direct. Auf dem Kanal laufen den ganzen Tag Netflix-Produktionen und zwar linear! Hier kriegt man also vorgesetzt, was gerade läuft, wenn man den Kanal einschaltet. Oder eher aufruft, denn aktuell ist Netflix Direct nur via Webbrowser verfügbar. Netflix Direct ist dabei in der normalen Netflix-Benutzeroberfläche untergebracht – man braucht also ein Abo, um den Kanal nutzen zu können.

Netflix Direct
So sieht Netflix Direct aus.Bild: netflix

Leute sind mit Angebot überfordert

Netflix möchte damit die Leute abholen, die mit der riesigen Auswahl überfordert sind. Es ist ein bisschen wie in einem Baumarkt: Man will nur eine Bohrmaschine kaufen und steht dann etwas ratlos vor der riesigen Auswahl an Geräten. Genauso geht es wohl auch gewissen Netflix-Usern. Diese fühlen sich vom Angebot überfordert und klicken sich dann eine gefühlte Ewigkeit durch die verschiedenen Listen, ohne sich entscheiden zu können.

Mit Netflix Direct sollen nun diejenigen abgeholt werden, die sich einfach gerne «etwas berieseln lassen wollen» – also aufs Sofa setzen, TV einschalten und gucken, was gerade läuft. Das Netflix mit dem Pilotprojekt nun ausgerechnet in Frankreich startet und nicht in den USA, liegt laut dem Streaming-Dienst am Sehverhalten der Franzosen. In der entsprechenden Mitteilung erklärt Netflix:

«In Frankreich ist traditionelles Fernsehen nach wie vor sehr beliebt bei Menschen, die sich nur zurücklehnen möchten, ohne sich für Shows entscheiden zu müssen. Deshalb versuchen wir eine neue Funktion für unsere Mitglieder in Frankreich – ‹Direct›. Vielleicht ist man nicht in der Stimmung, sich zu entscheiden, oder man ist neu und muss sich erst zurechtfinden oder man möchte einfach nur von etwas Neuem und Anderem überrascht werden.»

Netflix rollt die neue Funktion seit dem 5. November auf ersten Accounts aus. Bis Ende Monat soll Netflix Direct in ganz Frankreich verfügbar sein. Ob der Kanal später auch in der App abrufbar sein wird, hat Netflix nicht kommuniziert. Auch darüber, ob der Dienst auch in andere Länder kommt, schweigt sich Netflix vorerst aus. In der Vergangenheit hat Netflix in einzelnen Ländern immer mal wieder neue Funktionen getestet, die dann nie weltweit ausgerollt wurden.

Netflix (wieder einmal) unter Druck

Der Streaming-Primus hatte zuletzt die Prognosen verfehlt. Zwar war nach dem Abo-Boom durch Corona mit einem Zuwachsrückgang zu rechnen, allerdings wurden weit weniger neue Abos abgeschlossen als Netflix prognostiziert hatte. Den Anlegern gefiel das gar nicht, was sich im Sinkflug der Aktie widerspiegelte. Aktuell liegt der Aktienkurs etwa 15 Prozent unter dem Höchststand vom Sommer.

Netflix sieht sich einem immer härteren Streaming-Markt ausgesetzt. Alleine in den USA sind mit Disney Plus, HBO Max (Warner Bros.) und Peacock (Universal) drei Streaming-Diensten von grossen Filmstudios an den Start gegangen. Netflix muss also nicht nur mit neuer Konkurrenz klarkommen, sondern verliert gleichzeitig beliebte Inhalte, welche die Studios nicht mehr an Netflix lizenzieren.

Auch bei einigen Fans hat sich Netflix zuletzt unbeliebt gemacht. So hat der Streaming-Dienst einige Serien abgesetzt, obwohl sie bereits grünes Licht für eine weitere Staffel hatten. Netflix nennt als Gründe hohe Kosten und zu lange Produktionszeiträume wegen der Coronapandemie. Richtig böse erwischt hat es dabei die Fans von «Glow»: Die Serie befand sich mitten im Dreh für die vierte, finale Staffel, wurde dann wegen Corona pausiert und schliesslich abgesetzt. Die enttäuschten Fans bleiben damit auf einem Cliffhanger sitzen. (pls)

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bruuslii
10.11.2020 13:02registriert April 2019
was netflix aus meiner erfahrung vergeigt, ist der empfehlungsalgorithmus.
es zeigt mir dauernd die gleichen vorschläge, die zwar vielleicht zu meinen bevorzugungen passen, ich aber im moment nicht schauen will.
auch die querverweise kreisen immer um die gleichen titel.
hinzukommt eine schlechte suchfunktion. kennt man einen titel, ist das ok.
suche ich einen schauspieler, sind wohl nur die ersten angezeigten 6 filme entsprechend, alle anderen sind nur "ähnlich".
fazit: suche und empfehlung ist von extern besser, aber mühsam.
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eldorak
10.11.2020 11:36registriert April 2019
Find ich eine gute Idee. Einerseits um vielleicht auch mal was interessantes zu finden, was einem ansonsten entgeht, andererseits bin ich auch immer etwas überfordert. Das, was ich explizit suche, gibts ja sowieso nie. Und so muss man sich nicht zwischen serien entscheiden, über die man sowieso nichts weiss :P
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Alles Scheisse! Voilà, meine Hasstirade!
Es wird Frühling und alles ist schön und blüht und alle sind happy und das Leben ist supi, bla bla bla. Ich seh's anders. Ich find grad fast alles Scheisse.

Heute Morgen war's eine Horde KV-Schüler:innen, die mich noch vor 8 Uhr zur Weissglut getrieben haben. Sie haben im Tram gekifft. Natürlich habe ich vor 20 Jahren auch im Tram gekifft und fand's ultra bünzlig, wenn sich Bünzlis darüber aufregten.

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