Mike Kelley, 55, ist froh, gerade jetzt in der Schweiz zu sein. Sonst arbeitet er am Firmensitz des Flugzeugriesen Lockheed Martin in Fort Worth (Texas, USA). Dort sei die Corona-Lage «eine grosse Herausforderung», sagt Kelley. Er ist beeindruckt über den Umgang mit dem Virus in der Schweiz. «Hier hat die Regierung gesagt, man müsse Masken im öffentlichen Verkehr tragen, und das wird befolgt.» Es gebe Ruhe und Klarheit, eine kontrollierte Lage.
Kelley ist gelernter Ingenieur und Schweizer Geschäftsleiter von Lockheed Martin Schweiz. Der Konzern hat Büros im Berner Stadtzentrum bezogen, die Familie Kelley eine Wohnung im Botschaftsquartier. Der Auftrag aus Texas: Verteidigungsministerin Viola Amherd (CVP) oder besser: Der Schweiz den Kampfjet F-35 zu verkaufen.
Texaner sind ein offensiver Menschenschlag und es fällt dem Konzern etwas schwer, sich in der laufenden Schweizer Kampagne ruhig zu verhalten, wie dies vom VBS gewünscht wurde: Im Vorfeld der Volksabstimmung vom September über den 6-Milliarden-Kredit wird um Zurückhaltung gebeten.
Kelley hat einigen Druck aus Texas, das Flugzeug in der Schweiz offensiver zu präsentieren. Er muss seinen Leuten erklären, dass man in der Schweiz nur mit Zurückhaltung ans Ziel kommen kann. Ganz stillhalten kann auch Kelley derzeit nicht. Zu viele Falschinformationen würden über den Jet verbreitet, klagt er. So halte sich das Gerücht, dass die Bordsysteme des F-35 eine Blackbox seien und von den Amerikanern ferngesteuert würden. Das stimme nicht, sagt Kelley, was der Bundesrat selbst bestätigt habe.
Oder die Sache mit den 873 Mängeln beim F-35. Unter ihnen eine Kanone, die krumm schiesst. Sie wurden in einem letzten der regelmässigen Prüfberichte des Pentagon aufgelistet. Der F-35, der Pannen-Jet? Kelley verneint. Kein anderes Land sei derart streng mit den Herstellern, veröffentliche die Untersuchungsberichte. «Wir begrüssen diese Tests und diese Transparenz, sie zwingen uns, immer besser zu werden». Das passiere jetzt beim F-35. «Die ersten Flugzeuge würden 2027 an die Schweiz geliefert. Die Mängel werden wir bis dahin behoben haben, da bin ich sicher.»
Als Favorit im Rennen gilt für viele immer noch der französische Rafale. Mit Argusaugen verfolgen die Konkurrenten die Entwicklung. Und haben zur Kenntnis genommen, dass Bundesrat Alain Berset von Emanuel Macron als Ehrengast am 14. Juli zu den Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag eingeladen worden war.
Aber Kelley hat «ein sehr gutes Gefühl, was unser Flugzeug betrifft. Ich bin vorsichtig optimistisch. Ich denke, wir werden ein sehr konkurrenzfähiges Angebot einreichen.»
Die ersten Offerten haben die vier Bewerber im Januar 2019 eingereicht, im November müssen die zweiten und letzten Angebote bei Armasuisse deponiert werden. «Ende Juli haben wir die Offerten an das US Department of Defence abgegeben, das überprüft sie und gibt sie im November bei Armasuisse ab», sagt Kelley.
Einreichen werden die Amerikaner laut Kelley ein Angebot für 36 bis 40 Kampfflugzeuge, sie werden versuchen, unter den 6 Milliarden Franken zu liegen, die die Schweiz für die Jets maximal zahlen will. Die anderen drei Hersteller – Airbus mit dem Eurofighter, Dassault mit dem Rafale, Boeing mit dem Super Hornet – haben das gleiche Ziel.
Die Schweiz evaluiert die Jets nach vier unterschiedlich stark gewichteten Kriterien: Wirksamkeit, Wartung und Autonomie, Kooperation, Industriebeteiligung. «Wir sind in allen Bereichen stark. Wir bieten ein Flugzeug der fünften Generation zum Preis eines Jets der vierten Generation an», sagt Kelley selbstbewusst. Jets der fünften Generation zeichnen sich unter anderem durch ihre ausgeprägten Tarnfähigkeiten und «modernste Sensoren» aus, welche die Lagebilderkennung und Konnektivität für Piloten optimierten, so Kelley.
Die Amerikaner von Lockheed geben sich offen und transparent, sehen das als Stärke. «Wir lieben den auf Fakten basierenden Wettbewerb. Wir sind auch bereit, diese Fakten auf den Tisch zu legen», sagt Kelley. Transparent ist er auch beim Preis. «In den USA wurde der Kaufpreis des F-35A bereits auf 79 Millionen US-Dollar gedrückt. Der Basispreis ist für alle Käufer gleich.» Das ist der sogenannte Flyawaypreis.
Dazu kommen zusätzliche Kosten für Bewaffnung, Ersatzteile, Simulatoren und Training. Der Preis für die Schweiz werde aufgrund der Offsetgeschäfte und den spezifischen Anforderungen, «etwas höher» ausfallen. Die Kosten pro Flugstunde sollen bis 2025 auf 25'000 Dollar gedrückt werden, sagt Kelley. In der Schweiz wird dieser Wert unter anderem wegen der höheren Löhne fürs Personal höher ausfallen.
Vorausgesetzt, die Bevölkerung stimmt im September Ja, wird das Schweizer Evaluationsteam im nächsten Frühling den Sieger küren. Aber der Bundesrat ist frei, einen politischen Entscheid zu fällen. Kelley weiss: «Am Ende des Tages ist es ein Entscheid der Schweizer Regierung, das ist uns klar.»
In Zeiten, in denen niemand weiss wie die Zukunft aussehen wird, wollen ein paar bornierte Militärköpfe einen Blankocheck um sich ein paar neue Spielzeuge zu beschaffen.
Und nein, diese Kosten werden nicht über das bestehende Militärbudget getragen, denn dazu wird es in den nächsten 10 Jahren sukzessive um 1,4% erhöht, sprich insgesamt 4 Milliarden, bis dann nach dieser Zeit eine Erhöhung des gesamten Militärbudgets von jährlich rund einer Milliarde erreicht ist, für immer.
Deshalb ein klares NEIN