Der Bauernhof von Familie Messerli liegt in Kirchdorf, in der hügeligen Landschaft des Aaretals zwischen Thun und Bern. Auf 27 Hektaren Nutzfläche werden Obst, vorwiegend Äpfel und Birnen, sowie Eier von 2000 Legehennen produziert. 2013 haben Paul Messerli, ein langjähriger Berner SVP-Grossrat, und sein Sohn Marco auf Bio umgestellt.
Am Montag erhielt der Hof hohen Besuch: Bundespräsident und Wirtschaftsminister Guy Parmelin kam vorbei, mit den Medien im Schlepptau. Denn Parmelin ging es nicht um eine nettes Beisammensein mit einem Parteifreund. Der Abstecher war Teil seiner Kampagne gegen die Trinkwasser- und die Pestizidinitiative, über die am 13. Juni abgestimmt wird.
Die beiden Agrarinitiativen sorgen in der Landwirtschaft für Aufruhr, und das betrifft nicht nur die konventionell produzierenden Bauern. Letzte Woche beschlossen die Delegierten des Verbands Bio Suisse, der 7400 Betriebe vertritt und die «Knospe» vergibt, ein Nein zur Trinkwasserinitiative, überraschend klar mit 72 zu 20 Stimmen.
Sie fordert, dass nur noch Bauern Subventionen erhalten, die auf Pestizide, vorbeugend oder systematisch verabreichte Antibiotika und zugekauftes Futter verzichten. Auch die landwirtschaftliche Forschung, Beratung und Ausbildung soll nur unter diesen Bedingungen Geld vom Bund erhalten.
Das Erstaunen war gross: Wieso schmettern ausgerechnet die Biolandwirte eine Initiative ab, deren Anliegen Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli als «absolut berechtigt» anerkannte? Karl Schefer, Gründer des Bioweinhändlers Delinat, bezeichnete die Nein-Parole im «Kassensturz» als «Verrat an der Bio-Idee». Einzelne Bauern traten aus dem Verband aus.
Der Vorstand begründete sein Nein mit der Befürchtung vor einem Preiszerfall, weil die Initiative viele Bauern zum Umstieg auf Bio bewegen dürfte. Den Bauern machen aber auch Forderungen im Initiativtext zu schaffen, etwa dass es nur Direktzahlungen geben soll, wenn der Tierbestand «mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann».
«Das können wir nicht», sagte Paul Messerli im Hühnerstall. Seine 2000 Hennen sind die für Biobetriebe maximal erlaubte Zahl. Für diese könne er vielleicht die Hälfte des Futters selber anbauen. Die Annahme der Initiative würde zu einem Rückgang der Produktion und mehr Importen führen, weil die Nachfrage nach Bio-Eiern gross sei, fürchtet Marco Messerli.
«Ein Ja zur Trinkwasserinitiative zieht uns mit den Hühnern das zweite Standbein weg», so Paul Messerli. Drastisch wären die Folgen auch für den Obstbau, denn Direktzahlungen gibt es laut Initiativtext nur für eine pestizidfreie Produktion. Für Marco Messerli ist der Fall klar: «Wir verzichten lieber auf die Direktzahlungen als auf den Pflanzenschutz.»
Das mag auf den ersten Blick unverständlich wirken, doch der Jungbauer spricht einen Punkt an, der viele Biobauern umtreibt: Das widersprüchliche Verhalten der Konsumenten. Sie wollen eine «giftfreie» Landwirtschaft, aber im Laden akzeptieren sie trotzdem nur makelloses Obst und Gemüse. Das ist ohne «Chemie» praktisch unmöglich.
Die Ansprüche seien von Jahr zu Jahr höher geworden, sagte Marco Messerli. Früher hätten sie Obst mit Schorfflecken verkaufen können, «aber heute nehmen sogar im Hofladen alle Konsumenten nur den perfekten Apfel». Die Messerlis haben daraus die Konsequenzen gezogen. Sie vermarkten ihre Früchte direkt und liefern nicht mehr an Migros und Coop.
«Wir können qualitativ mithalten, aber das geht nur mit Pflanzenschutzmitteln», betonte Marco Messerli. Guy Parmelin nimmt bei den Landwirten eine Verunsicherung wahr: «Viele haben das Gefühl, dass man sie nicht mehr versteht.» Das liege auch daran, dass viele Leute keine Angehörigen und Bekannten mehr hätten, die in der Landwirtschaft tätig seien.
Die persönliche Betroffenheit war dem früheren Winzer Parmelin anzumerken, auch wenn er auf eine entsprechende Journalistenfrage erklärte, sein Umgang mit den Agrarinitiativen sei «pragmatisch». Die Abneigung vieler Biobauern gegen die Trinkwasserinitiative ist in jedem Fall ein Indiz für den Graben zwischen den Agglo-Bewohnern und dem Bauernstand.
Den Erfolgschancen der Initiative ist das Bio-Suisse-Nein nicht dienlich. Das haben die Initianten realisiert. In einem Video ist bei der Tiernahrung nicht mehr von betriebseigenem, sondern von «Schweizer Futter» die Rede. Und beim Pflanzenschutz heisst es auf der Website, im Biolandbau eingesetzte Stoffe seien «von der Initiative nicht betroffen».
Die Abgrenzung aber ist nicht ganz einfach. Die in der biologischen Schädlingsbekämpfung verwendeten Pheromone etwa seien synthetische Stoffe, sagte Guy Parmelin und verwies auf die zweite Initiative, die synthetische Pestizide verbieten will, ebenso den Import von damit hergestellten Produkten. Dies führe zu Einkaufstourismus, so der Bundespräsident.
Der Vorstand von Bio Suisse allerdings hat zur Pestizid-Initiative die Ja-Parole beschlossen. Das zeigt, dass sich nicht nur die Konsumenten widersprüchlich verhalten. Auch die Bauern sind in ihrer Argumentation nicht immer stringent. Ob das den beiden Initiativen schaden oder nützen wird, zeigt sich in knapp zwei Monaten.
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Blöd, wenn nur das makellose angeboten wird kann man ja nur das makellose kaufen.. Wenn die Leute nichts anderes zu kaufen haben dann kaufen sie auch das nicht makrllose. Coop hat es zwar mal versucht, war aber so dumm und hat es in seperaten Kisten verkauft, dann ist auch klar das die Leute erst zum schöneren Obst/Gemüse greift solang es hat..