Es sei der «grösste, schönste und bedeutendste politische Anlass der Schweiz»: So unbescheiden formuliert die SVP des Kantons Zürich in der Einladung zur Albisgüetli-Tagung.
In den Neunziger- und Nullerjahren blickte die politische Schweiz tatsächlich einmal im Jahr gebannt auf den Zürcher Stadtrand am Fuss des Üetlibergs: Die im Januar abgehaltene Tagung der Zürcher SVP unter ihrem Präsidenten Christoph Blocher – dieses Amt hatte er von 1977 bis zu seiner Wahl zum Bundesrat 2003 inne – prägte Ton und Themen für das ganze Jahr.
Nach Blochers Ansprache wusste nicht nur die Zürcher Sektion, sondern die ganze Partei, woher der Wind weht und mit welchen Kampagnen die SVP ihre politischen Kontrahenten als Nächstes vor sich hertreiben wird. Ein Besuch des amtierenden Bundespräsidenten oder der Bundespräsidentin, welche die SVP Zürich jedes Jahr als Gastredner einlädt, war quasi Pflicht.
Von ihren goldenen Zeiten vor über 15 Jahren ist die Veranstaltung heute weit entfernt. Die Zürcher SVP leckt noch die Wunden, welche die krachenden Niederlagen in den kantonalen Wahlen vom April 2019 (−9 Kantonsratssitze und −5,6 Prozent Wähleranteil) und den eidgenössischen Wahlen im Oktober 2019 (−2 Nationalratssitze, −4 Prozent Wähleranteil) hinterlassen haben.
Auch personell blickt die Zürcher SVP auf ein schwieriges Jahr zurück. Nach den kantonalen Wahlen musste Parteipräsident Konrad Langhart auf Geheiss aus Herrliberg sein Amt abgeben. Beinahe hätte die Basis gegen die Absetzung des bodenständigen Weinländer Bauern Langhart aufgemuckt. Es brauchte einen Last-Minute-Auftritt von Christoph Blocher am Parteitag, damit die Delegierten seinem Plan folgten. Langharts Nachfolger Patrick Walder wollte das Amt nur interimistisch ausfüllen.
Vor wenigen Tagen wählte die Zürcher SVP nun mit Benjamin Fischer einen 28-Jährigen zum neuen Parteipräsidenten. Fischer, Kantonsrat seit 2015 und langjähriger Präsident der Jungen SVP Schweiz, wird sich durchsetzen müssen in einer Kantonalpartei, die mitten in einem Generationenwechsel steckt und in der die Spannungen zwischen bäuerlichen Vertretern und der «Goldküsten-Fraktion» immer wieder hervortreten. Das Format, unter diesen schwierigen Voraussetzungen eine gute Figur zu machen, hat Fischer aber zweifelsohne.
Zwar wird Benjamin Fischer heute Abend im Albisgüetli die Begrüssungsansprache halten. Doch die Aufmerksamkeit der SVP-Parteimitglieder – nicht nur in Zürich – dürfte sich in erster Linie darauf richten, was Hauptredner Christoph Blocher zu sagen hat.
Blocher ist seit seinem Rückzug aus dem Parteileitungsausschuss im März 2018 formell bloss noch einfaches Mitglied der SVP Schweiz. Doch der Ablösungsprozess der SVP von ihrem Übervater ist wohlwollend betrachtet auf halber Strecke steckengeblieben, kritisch betrachtet hat er überhaupt nie begonnen.
Noch immer hat Christoph Blocher das letzte Wort in allen gewichtigen strategischen Fragen – und personell hat in der Partei niemand eine Chance, von dem im Vorhinein klar ist, dass ihn Blocher nicht für geeignet hält. Und sowohl strategisch als auch personell hat die SVP derzeit grosse Baustellen.
Am 17. Mai kommt mit der Begrenzungs-Initiative ein Anliegen aus dem Kerngebiet der SVP zur Abstimmung. Der Kampf gegen die EU hat die Partei zur stärksten Kraft des Landes gemacht. Doch gemäss Umfragen dürfte es die Initiative schwer haben. Die Zuwanderung aus der EU ist deutlich tiefer als 2014, als die SVP mit dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative ihren letzten grossen europapolitischen Erfolg feiern konnte.
Die Partei steht nun vor der heiklen Entscheidung, ob sie mit einer aggressiven Kampagne ihr Fussvolk mobilisiert und dem Abstimmungskampf ihren Stempel aufdrückt, aber damit EU- und zuwanderungsskeptische Mitte-Wähler abzuschrecken droht. Oder ob sie, wie bei der Selbstbestimmungs-Initiative relativ erfolglos versucht, mit einer moderaten Bildsprache und kontroverse Argumente vermeidend auf genau jene Mitte-Wähler zielt.
Die Partei wird genau hinhören, welche Signale Blocher aussendet. Denn die Begrenzungs-Initiative ist nur der Auftakt zur grossen Schlacht um das Rahmenabkommen mit der EU, dessen Verhinderung Blocher als seine grosse Aufgabe ansieht.
An der personellen Front gibt es bei der Neubesetzung des Parteipräsidiums nach dem Rücktritt von Albert Rösti bisher mehr Verzichtserklärungen als Interessenten. Die beiden meistgenannten Namen, der Banker Thomas Matter aus Zürich und der Bauer Marcel Dettling aus Schwyz, haben sich noch nicht aus der Deckung gewagt.
Christoph Blocher hat sich bisher gehütet, sich für oder gegen einzelne Papabili auszusprechen: «Wenn ich jetzt von einem Kandidaten spreche, ist das sein Tod», sagte er am Mittwoch gegenüber SRF.
Doch klar ist, wen Blocher für den idealtypischen SVP-Präsidenten hält: Toni Brunner, gmögiger, doch rhetorisch beschlagener Bauer aus dem Toggenburg, der das Amt von 2008 bis 2016 ausfüllte. Beknien habe man Brunner müssen, bevor er sich bereit erklärte, das Präsidium zu übernehmen, erinnert sich Blocher in seiner YouTube-Sendung Teleblocher vom letzten Wochenende: «Das sind die guten Typen: Die, die es nicht wollen, aber machen.»
In der jüngsten, am Freitagmorgen aufgezeichneten Folge von Teleblocher verriet der SVP-Doyen das grosse Oberthema seiner Rede: Es ist «die Dekadenz in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft». Dieser dürfte Bauer Marcel Dettling prinzipiell unverdächtiger sein als Banker und Multimillionär Thomas Matter.
Ich hoffe ja, dass sie die Linie der Hardliner weiter einschlägt und damit auch dem/der Letzten zeigt, wie intolerant & egoistisch sie ist. “Partei des Mittelstandes" nennt sie sich. Sie wird aber von "Bonzen" dominiert, welche weiter nicht entfernt sein könnten vom Mittelstand. Sozialabbau, sparen bei Bildung, keine Antworten beim Klimaschutz, Blockade statt Ideen beim dringend benötigten Rahmenabkommen... Der Mittelstand ist es gerade, welcher von den SVP-Millionären ausgenommen wird. Und er merkt es nicht einmal! Ein Trauerspiel...
Bis jetzt haben sie die Erwartungen des Paten vom Herrliberg getreu erfüllt, wer aufmuckste wurde recht unzimperlich weggemobbt.
Erst wenn der Alte stirbt oder vollends dement wird, wird die Partei zu einer Martullo Partei mutiert. Aber dann geht alles weiter wie bisher, weil die Tochter sich in nichts vom Vater unterscheidet. Der gleiche arrogant, überhebliche Ton, das gleiche unerschütterliche Selbstvertrauen und nie einen Gedanken an jemand ausserhalb des Familienclans. Wie in der Mafia halt.