Im Bundeshaus spielten sich in den vergangenen drei Wochen historische Dinge ab. Noch nie in der Geschichte des Schweizer Parlaments wurde so lange an einem Gesetz diskutiert wie am Covid-19-Gesetz: 10 Stunden und 15 Minuten brauchte etwa der Nationalrat an einem Tag.
Nun ist das Gesetz aber unter Dach und Fach. Beide Parlamentskammern haben am Freitagmorgen «Ja» gesagt. Es wurden einige Änderungen beschlossen. Darum geht es.
Gegen das Covid-19-Gesetz wurde bereits letztes Jahr das Referendum ergriffen. Die Schweiz stimmt am 17. Juni 2021 darüber ab.
Jetzt wird's kompliziert: An die Urne kommt jedoch nicht das, was am Freitag beschlossen wurde, sondern die Version des Covid-19-Gesetzes vom 25. September 2020.
Stellt sich die Frage: Was passiert, wenn das Volk das Gesetz abschiesst? Wird dann all das, was am Freitag geändert wurde, gekübelt, nachdem es nur gerade mal zwölf Wochen in Kraft trat? Diese Fragen beschäftigen auch die Volksvertreter selbst.
Eine Gruppierung namens «Freunde der Verfassung» hat das Referendum ergriffen. Die coronaskeptische Organisation konnte gegen das Gesetz rund 90'000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei in Bern einreichen. Sie stört sich an den weitreichenden Vollmachten des Bundesrats und fürchtet die Einführung eines Impfobligatoriums.
Wird das Covid-19-Gesetz vom Volk abgelehnt, dann tritt es nicht sofort ausser Kraft. Es bleibt bis am 25. September 2021 bestehen. So will es die Bundesverfassung.
Der Grund: Das Covid-19-Gesetz wurde als sogenanntes «dringliches Bundesgesetz» erklärt. Dieses darf maximal ein Jahr gelten, wenn es nach einem Referendum nicht angenommen wird.
Dasselbe gilt für die Änderungen, die am Freitag im Gesetz beschlossen wurden. Sie fallen nach dem 25. September 2021 dahin und werden obsolet. Sprich: Bei einem Volks-«Nein» würden Härtefallgelder in Milliardenhöhe, Unterstützungsmassnahmen für Veranstalter und Selbstständige nur gerade mal 190 Tage – ab Freitag – gelten.
Das kann im schlimmsten Fall dumm enden. So profitiert die Veranstaltungsbranche seit Freitag von einem «Schutzschirm»: Sie können ab Freitag für Events eine Art «Versicherung» beim Bund beantragen, um trotz epidemiologischer Unsicherheit für Sommer und Herbst Veranstaltungen planen.
Diese Planungssicherheit gilt aber eben nur bis zum 25. September 2021. Beim Volks-«Nein» gebe es für diesen Schutzschirm keine gesetzliche Grundlage.
Um das zu verhindern, könnte nun das Parlament im Sommer provisorisch die wichtigsten Teile des Covid-19-Gesetz «copy-pasten» und erneut beschliessen. Dieses darf aber kein «dringliches Bundesgesetz» mehr sein: Es könnte also zu einer zeitlichen Lücke kommen, weil auch gegen dieses neue Gesetz ein Referendum ergriffen werden könnte.
Es wird bislang von keiner grösseren Partei unterstützt.
Die, die es schon jetzt am härtesten trifft, werden bei einem nein nochmehr das nachsehen haben?