Für politinteressierte Menschen ist es jeweils so etwas wie eine spannende Tradition zum Jahresende: das Bundesratsfoto. Es wird jeweils vom Bundespräsidenten oder der Bundespräsidentin des Folgejahres komponiert und enthält meistens irgendeine Symbolik. Schliesslich landet es ja in irgendeinem Archiv, wenn man den Gesamtbundesrat aus dem Jahr XY illustrieren möchte.
Dieses Jahr war Bald-Bundespräsident Guy Parmelin dran. Er durfte den Fotografen (Markus A. Jegerlehner) und das Sujet auswählen. Und Letzteres ist … sagen wir mal diplomatisch … ziemlich einfach gewählt, wenn man sich überlegt, was in den letzten 366 Tagen passiert ist.
Werfen wir mal einen genaueren Blick darauf.
Diskutieren wir mal die Basics: Die Herren und Frauen Bundesräte stehen um den neuen Bundespräsidenten herum, die Frauen jeweils am Rand. Flankiert werden sie rechts vom Bundeskanzler Walter Thurnherr.
Sie stehen dicht nebeneinander, gleich belichtet, als «Einheit», wie es in der Pressemitteilung steht. Dahinter: Das Parlamentsgebäude aus der Vogelperspektive. Geschossen ebenfalls vom Fotografen Jegerlehner, der vor Jahren mal Landwirt auf dem Hof der Familie Parmelin war und sich später einen Namen als gestrandeter Swissair-Pilot am Strand von Rio de Janeiro machte.
Und die Details?
Ja, die … die sind … speziell. Erinnern wir uns: Es war ein ziemlich ungewöhnliches Jahr. Wir erlebten eine Pandemie, Hunderttausende erlebten Leid, tausende Personen starben. Der Wirtschaft geht's nicht so gut. Die Signale aus der Politik deuten auf eine Zerrissenheit im Föderalismus, der Bundesrat agiert gegen aussen uneinheitlich.
Während sich das Volk in dieser Zeit um Hygiene, Distanz und Ausdauer bemüht, präsentiert sich der Bundesrat völlig distanzlos. Fairerweise muss man anmerken: Das Gruppenfoto wurde so nicht fotografiert.
Die Bundesratsmitglieder standen einzeln vor dem Greenscreen und wurden dann schnell zusammengephotoshoppt. Betonung auf schnell: Die Haare von Noch-Bundespräsidentin Sommaruga kommen ein bisschen grün daher.
Was im Vergleich zur Corona-Krise auch auffällt: Der Bundesrat will sich als «Einheit» präsentieren und «in diesen schwierigen Zeiten gemeinsam und unvoreingenommen scheinbar Unverrückbares neu betrachten. Damit leisten wir einen konkreten Beitrag zum Zusammenhalt unseres Landes» (Zitat Parmelin).
Die konkreten Beiträge des Bundesrates zum Zusammenhalt der Schweiz erhielten in diesem Jahr nicht immer eine genügende Note. Viele Branchen fühlen sich von der Landesregierung immer noch in Stich gelassen, trotz des gegenteiligen Versprechens.
Passend dazu: Das völlig abgedunkelte, scheinbar menschenleere Bundeshaus, wo kein Licht in einem Arbeitszimmer brennt, während das Gesundheitspersonal Überstunden an Überstunden schiebt. Honni soit qui mal y pense!
Der ist zugegeben nicht wirklich relevant. Wir haben trotzdem jeden Bildausschnitt genau angeguckt, weil wir wissen, dass das Internet unterhaltende Details auf Bildern mag.
Da sind unter anderem die Krawatten. Aussenminister Ignazio Cassis (links) wählte das Modell «gemustertes Hipster-Hemd 2012». Der Knoten (wir haben keine Ahnung von Knoten) sitzt. Anders bei Bundeskanzler Walter Thurnherr (rechts). Bei ihm hätte man nachbinden dürfen.
Auffällig auch: Alle lächeln, bis auf Bundesrat Ueli Maurer. (Den passenden Kommentar dazu kennen wir alle.)
Bei ihm könnte man immerhin sagen, dass er als fiskalkonservativer Finanzminister tatsächlich derzeit keinen Grund zum Lachen hat. Sein fehlendes Lächeln wird von seinem Parteikollegen Parmelin (links) immerhin ausgeglichen.
Zudem trägt Maurer einen Schweizerkreuz-Pin. Er trägt ihn fast immer und der sieht aus der Nähe so aus:
Und da wäre noch die Reihenfolgen-Frage: Wer steht wo und warum? Und warum stehen die Bundesrätinnen am Rand? Das hat einen einfachen Grund: Anciennitätsprinzip. Zuerst kommt der Bundespräsident Parmelin, gefolgt von Vizepräsident Ignazio Cassis. Sie beide stehen in der Mitte.
Die übrigen Mitglieder werden danach links-rechts-abwechselnd nach Wahljahr positioniert:
Bundesrat Guy Parmelin hat es mit seinem Sujet wohl gut gemeint: Nach dem Krisen-Jahr ein bisschen mehr Symbolik der nationalen und bundesrätlichen Einheit!
Die Krise lehrte uns alle aber auch Demut, Bescheidenheit und die Notwendigkeit der Solidarität. Das vermisst man auf dem Sujet jedoch komplett. Irgendein Andenken an die Leistung der Bevölkerung und der Wirtschaft während dem Pandemie-Jahr? Fehlanzeige.
Mit ein bisschen Photoshop wäre es kein grosser Aufwand gewesen … hier haben wir ein paar Vorschläge für ein alternatives Bundesratsfoto:
Lasst deshalb eure Kreativität walten. Wir haben das Bundesratsfoto freigestellt und freuen uns darüber, was euch so in den Sinn kommt. (Es gibt für den besten Vorschlag ein Geschenk.)