Als Gesundheitsminister ist Alain Berset die zentrale Figur. Die Fachleute des SP-Bundesrats – namentlich Daniel Koch – üben mit ihren Expertisen einen enormen Einfluss auf die Entscheidungen des Bundesrates aus. Berset konnte eine Mehrheit seiner Kollegen von einer schrittweisen Wiedereröffnung der Wirtschaft ab dem 27. April überzeugen. Trotz grossem Widerstand von bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbänden. Sein Image als souveräner Krisenmanager kultiviert der Romand erfolgreich: In Onlineshops werden sogar T-Shirts mit seinem Konterfei verkauft.
Aber längst nicht alles im Departement Berset funktioniert so, wie es sollte. Dem Bundesamt für Gesundheit wollte es während Wochen nicht gelingen, zuverlässige und aktuelle Daten über Neuinfektionen und Todesfälle zu aggregieren. Dazu kamen die ausgesprochen widersprüchlichen Aussagen über die Wirksamkeit von Gesichtsmasken, die Ansteckungsgefahr des Coronavirus für Kinder und die Sortimentsbeschränkungen in den Lebensmittelläden. Aufgelaufen ist Berset im Bundesrat zudem mit dem Ansinnen, den Kindertagesstätten finanziell unter die Arme zu greifen. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie sich Bersets Rolle entwickelt und wie das Kollegium mit seiner Popularität umgeht.
>> Coronavirus: Alle News im Liveticker
Böse Zungen in der Bundesverwaltung vergleichen den Finanzminister mit US-Präsident Donald Trump: Der Zürcher Oberländer verharmlose die Pandemie. Tatsächlich zeigte sich Maurer von Beginn weg skeptisch über die einschneidenden Massnahmen des Bundes, vor allem gegen das Veranstaltungsverbot ab 1000 Personen wehrte er sich dem Vernehmen nach stark. Konsequenterweise setzt er sich im Bundesrat nun für raschere Lockerungen ein. In den Kommissionssitzungen stellt er sich aber kollegial hinter die Strategie des Bundesrates.
Lob erhielt Maurer für sein Programm zur Versorgung der Wirtschaft mit Bürgschaftskrediten im Umfang von bis zu 40 Milliarden Franken. Viele Unternehmen erhielten die Notkredite wenige Stunden nach der Beantragung, der Bund trägt die Ausfallrisiken fast vollständig, was laut Experten jedoch Missbräuche befeuern könnte.
Kommunikativ kommt Maurer in der Öffentlichkeit ähnlich gut an wie Kollege Berset. Er präsentiert sich als unkomplizierter Macher, neigt aber zu Übertreibungen. An einer sonntäglichen Telefonkonferenz mit den Banken waren nicht wie von Maurer kolportiert 300 Bankenvertreter am Telefon, sondern etwas mehr als 100.
Der Wirtschaftsminister ist von der Coronapandemie in seinem familiären Umfeld direkt betroffen. Mehrere seiner Verwandten haben sich mit dem Virus infiziert und sind wieder genesen. Wohl auch deshalb und aufgrund der höheren Ansteckungsraten in der Westschweiz trägt der Wirtschaftsminister den harten Kurs der SVP – und seines Bundesratskollegen Ueli Maurer – für eine möglichst rasche Öffnung aller Läden nicht mit. Es heisst, Parmelin fürchte eine zweite Ansteckungswelle, wie sie zurzeit Singapur erlebt.
Kritiker sagen, Parmelin habe die anrollende Wirtschaftskrise anfangs komplett unterschätzt. Sein Umfeld verneint dies: Dem SVP-Bundesrat sei viel daran gelegen, dass die Wirtschaft im Sog der Pandemiebewältigung nicht komplett abgewürgt wird. Er verantwortet unter anderem die Arbeitslosenversicherung, die sich mit einer historisch beispiellosen Flut an Kurzarbeitsanträgen konfrontiert sieht: Für 36 Prozent aller Schweizer Arbeitnehmer sind Gesuche eingegangen. Gerne hätte Parmelin betroffenen Unternehmen bei der Bezahlung der Geschäftsmieten unter die Arme gegriffen – doch seine Regierungskollegen wollten diese Frage nicht auch noch per Notrecht lösen. Nun soll das Parlament eine Lösung finden.
Als Retter der Wirtschaft wird Parmelin kaum wahrgenommen. Eine mögliche Erklärung ist, dass er nach der Bekanntgabe der Geschäftsschliessungen zunächst nicht öffentlich auftreten durfte, weil die wirtschaftlichen Stützungsmassnahmen noch nicht vorlagen. Nachteilig dürften sich auch sein Deutsch und die beschränkte Dossierkenntnis auswirken. Dennoch: Parmelin hat in der Krise an Statur gewonnen.
Die Bundespräsidentin sagte am 16. März bei der Ankündigung des schweizweiten Lockdown einen Satz, der vielen Menschen lange in Erinnerung bleiben dürfte. «Jetzt muss ein Ruck durch unser Land gehen!» Simonetta Sommaruga kommunizierte bei ihren bisherigen Auftritten in der Coronakrise klar und verständlich, bisweilen aber mit einer Eindringlichkeit, die lehrmeisterlich wirkte.
Anders als Alain Berset scheint der Bernerin die Rolle der pausenlos im Rampenlicht stehenden Krisenmanagerin nur bedingt zu liegen. Als Bundespräsidentin leitet sie sämtliche Sitzungen des Bundesrates. Als Medienministerin versuchte Sommaruga, ihre Regierungskollegen von einem Hilfspaket für die Medien zu überzeugen, scheiterte damit aber im ersten Anlauf. Bei der Geschwindigkeit der Lockerung der Massnahmen liegt Sommaruga auf Berset-Linie.
Sie ist nach ihrer Wahl in den Bundesrat nur widerwillig Verteidigungsministerin geworden, ihre Amtszeit wird dennoch in die Geschichte eingehen. Seit Mitte März verantwortet Viola Amherd das grösste Truppenaufgebot seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Armee hat 5000 Angehörige aufgeboten, um die Spitäler vor einer Überlastung wie in Norditalien zu bewahren und das Grenzwachtkorps zu unterstützen. Nicht alles lief rund. In den Medien gab es Berichte über Soldaten, die sich in den Kasernen langweilten. Amherd musste einräumen, dass einzelne Spitäler ihre Mitarbeiter in die Kurzarbeit schickten und die Armeeangehörigen als Gratispersonal einsetzten.
Trotz einzelner Rückschläge hofft Amherds Umfeld, dass der Pandemieeinsatz der Armee bei der anstehenden Abstimmung über den Kauf neuer Kampfjets den nötigen Schub gibt. Armeekreise plädieren für einen möglichst baldigen Urnengang am 27. September.
Sie gilt als eines der führungsstärksten Bundesratsmitglieder, spielt in der Coronakrise als Justizministerin funktionsbedingt eine wichtige, aber wenig spektakuläre Rolle. FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter sorgt dafür, dass das Justiz- und das Asylsystem auch in der Krise funktionieren. Ihr Departement erarbeitete Massnahmen zur Verhinderung einer Konkurswelle bei kleinen und mittelgrossen Betrieben. Keller-Sutter trägt die Einschränkungen des öffentlichen Lebens und auch die Lockerungsstrategie des Bundesrates voll mit, im Unterschied zu ihrem freisinnigen Parteikollegen Ignazio Cassis.
Sie verfolgt die Devise: Lockern, sobald es verantwortbar ist. Sie will eine zweite Welle verhindern, weil das für die Moral der Menschen schlecht wäre. Als Wirtstochter setzt sie sich dafür ein, dass die Gastrobranche und auch die Grossveranstalter eine Perspektive bekommen. Keller-Sutter stellte im Bundesrat auch den Antrag, dass die Sortimentsbeschränkungen für Grossverteiler aufrechterhalten bleiben, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
Als Arzt und Präventivmediziner wäre Ignazio Cassis prädestiniert, um in der Coronakrise im Bundesrat eine tonangebende Rolle zu spielen. Das tut er aber nicht. Auch zu Zeiten der Pandemie wird der Tessiner seine Aussenseiterrolle nicht los. Als Aussenminister war er bis jetzt primär mit der Repatriierung von festsitzenden Schweizer Touristen im Ausland beschäftigt. Zu Beginn der Coronakrise setzte er sich dafür ein, dass italienische Grenzgänger weiter in die Schweiz einreisen dürfen.
Den bürgerlichen Kollegen im Bundesrat stiess dem Vernehmen nach sauer auf, dass sich Cassis zu Beginn der Pandemie kaum für die wirtschaftlichen Folgen interessierte und dann an der Bundesratssitzung vom 22. April überraschend eine Kehrtwende vollzog: Die Tamedia-Zeitungen berichteten, er habe alle Läden per 27. April wieder öffnen wollen, sei aber mit einer zu sechs Stimmen unterlegen.
In seinem Departement bestreitet man diese Darstellung. Die Bundesräte hätten gar nicht abgestimmt – ausserdem habe Cassis die Öffnung erst auf den 4. Mai angepeilt.