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Coronavirus Schwyz: Am Ursprung stand ein Jodelfest

Das Mythen Forum in Schwyz: Hier könnte die Schwyzer Corona-Welle ihren Ursprung haben.
Das Mythen Forum in Schwyz: Hier könnte die Schwyzer Corona-Welle ihren Ursprung haben.screenshot: srf

«Zu wenig, zu spät»: Nach dem Hilferuf in Schwyz kritisiert das Spital den Kanton scharf

Das Spital in Schwyz stösst mit der zunehmenden Zahl an Covid-Patienten an seine Belastungsgrenze. Wie es so weit gekommen ist, was der Kanton jetzt für Massnahmen ergreift – und wie das Spital darauf reagiert.
14.10.2020, 18:0115.10.2020, 14:55
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Wie sieht der Hilferuf aus?

Die Ausbreitung des Coronavirus in der Region Schwyz schreitet rasant voran. Das Spital Schwyz hat nun mit einem Video die Bevölkerung um Mithilfe gebeten, um das Gesundheitssystem vor einem Kollaps zu bewahren.

Der Corona-Ausbruch in Schwyz sei einer der schlimmsten in ganz Europa, erklärt Reto Nüesch, Chefarzt der Inneren Medizin des Spitals Schwyz, auf Youtube. Zusammen mit der Spitaldirektorin ruft er die Bevölkerung auf, Masken zu tragen und keine Feste durchzuführen. Es sei wichtig, dass die Bevölkerung jetzt reagiere.

«Die Situation im Spital ist zunehmend schlimm. Wir haben immer mehr Patienten im Spital, denen es wirklich schlecht geht», so Nüesch. «Wir versuchen alles, um diese Leute zu retten. Das gelingt uns in vielen Fällen, aber leider nicht immer.»

«Es ist so wichtig, dass die Bevölkerung jetzt reagiert», betont auch Franziska Föllmi, Direktorin Spital Schwyz. «Tragen Sie Masken. Gehen Sie an keine Feste und tauschen Sie sich nur geschützt aus, wo möglich nur in kleinen Gruppen und in der Familie.» Würden die Fallzahlen noch weiter steigen, könne das Spital Schwyz dies nicht mehr stemmen. «Wir müssen jetzt reagieren.» Der Anteil positiver Tests sei momentan «dramatisch».

Gedreht wurde auch auf der Pflegestation des Spitals. «Die Zeit, zu reagieren, ist jetzt», betont Simon Weibel, Leitung Pflege. «Die Pflegestationen sind voll mit Patienten, welche Covid-19 haben.»

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Wie hoch ist die Kapazität des Spitals?

Das Spital Schwyz hat seine Isolationsstation auf maximal 25 Personen ausgelegt. Am Montag sei sie noch halb voll gewesen, teilte Spitalsprecherin Nirmala Arthen auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Am Mittwoch seien 18 Plätze besetzt gewesen, sagte die Direktorin Franziska Föllmi der Regionalzeitung «Bote der Urschweiz». Fast alle Patienten würden in umliegende Spitäler verlegt, das Spital aktiviere Notfallszenarien.

Das Spital verfügt über drei Plätze mit Beatmungsmöglichkeit, davon ist einer mit einem Covid-Patienten belegt. Dies könne sich aber stündlich ändern, teilte Arthen mit. Schwyz arbeite eng mit anderen Spitälern zusammen. Ein Ausbau dieser Kapazitäten hätte massive Einschränkungen im restlichen Spitalbetrieb zur Folge, sei aber möglich.

Das Spital Schwyz am Mittwoch, 14. Oktober 2020. Seit zehn Tagen nimmt die Zahl der Corona-Ansteckungen im inneren Kantonsteil rasant zu, teilte das Spital am Mittwoch mit. Mittlerweile seien 30 bis 4 ...
Das Spital in Schwyz.Bild: keystone

Wie stark ist der Anstieg der Fälle?

Die Zahl der Coronafälle seit Beginn der Pandemie hat sich im gesamten Kanton Schwyz von Dienstagmorgen auf Mittwochmorgen um 94 auf 1123 erhöht. Die Zahl der positiv getesteten Personen, die sich in Isolation befinden, stieg binnen 24 Stunden um 67 auf 458. Die Zahl der Todesopfer erhöhte sich um 1 auf 28.

Die Positivitätsrate bei den Tests ist ebenfalls hoch: Mittlerweile seien 30 bis 40 Prozent der im Corona-Center des Spitals Schwyz gemachten Tests positiv, teilte das Spital mit.

Führt der Kanton weitere Massnahmen ein?

Ja, das tut er. Der Regierungsrat hatte am Dienstag eine Maskenpflicht für Veranstaltungen ab 50 Personen sowie eine eingeschränkte Maskenpflicht für Läden, Postbüros, Kinos und Kirchen verfügt. Diese Massnahmen gelten ab Freitag.

Auf eine generelle Maskenpflicht in Verkaufslokalen verzichtet der Schwyzer Regierungsrat jedoch. In diesem Bereich würden keine Anzeichen für gehäufte Ansteckungen vorliegen, heisst es in der Medienmitteilung von Dienstag.

Was sagt das Spital Schwyz zu den Massnahmen?

Spitaldirektorin Franziska Föllmi übt harsche Kritik. Gegenüber dem «Bote der Urschweiz» sagt sie: «Das Problem ist, dass man nichts oder zu wenig gegen die Ausbreitung des Virus unternommen hat.» Weiter: «Hätte man letzte Woche gehandelt und die Maskenpflicht eingeführt, hätte man die jetzige Welle sicher teilweise eindämmen können.»

Man habe sich die Woche zuvor mehrmals telefonisch und per Mail an den Kanton gewandt und um drastischere Massnahmen gebeten. Doch der Kanton habe nicht reagiert.

Dass jetzt die Massnahmen verschärft werden, erfreut die Direktorin. Jedoch: «Der Schritt kam eher zu spät und ist zu wenig konsequent», sagt sie.

Woher der sprunghafte Anstieg?

Am Ursprung des rasanten Anstieges der Fälle könnte ein Jodelfest stehen. Ende September fand in der Mehrzweckhalle Mythen Forum in Schwyz das Jodelmusical «Uf immer und ewig» statt. Rund 600 Personen besuchten die beiden Vorstellungen. Wie der Veranstalter gegenüber SRF erklärte, seien alle Vorsichtsmassnahmen eingehalten worden, allerdings habe es im Jodelchor Personen mit dem Coronavirus gegeben.

Man habe erst neun Tage nach den Auftritten davon erfahren, dass Mitglieder des Jodel-Ensembles corona-positiv gewesen seien, sagt Beat Hegner, Geschäftsführer Mythen Forum, gegenüber SRF. Er gehe davon aus, dass sich das Virus nach diesen Anlässen in der Bevölkerung verbreitet habe.

Dieser Artikel ist bereits am Mittwoch auf watson erschienen. Wir haben ihn am Donnerstag mit den neusten Informationen aktualisiert und nochmals publiziert.

(sda/chmedia/cma)

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207 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bravo
14.10.2020 18:21registriert Juli 2018
Chöre geht während Corona einfach nicht mehr, sorry. Das wissen sogar die Ameisen der Wetterschmöker.
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Mr. Spock
14.10.2020 18:35registriert November 2016
Das wäre doch ein deutliches Beispiel eines Superspreader-Events? Keine direkten Vorwürfe an die Veranstalter, insofern keine Mängel am Schutzkonzept bestand, denn die Vorschriften wurden eingehalten. Dennoch sollte allen bewusst sein, dass während dem. "Lockdown" in der CH inkl. Zusatzbetten 1600 intensivbetten zur Verfügung standen... Bitte bleibt vernünftig, nicht panisch, nicht antistaat sondern einfach vernünftig! Niemand von euch möchte, dass Mediziner entscheiden müssen wer behandelt werden kann und wer nicht...
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El Vals del Obrero
14.10.2020 18:14registriert Mai 2016
Könnte mir gut vorstellen, dass beim Jodeln die Ansteckungsgefahr noch höher ist als bei normalem Singen.
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