Der Bund und seine Ämter arbeiten für uns Bürgerinnen und Bürger. Eine sehr lange Zeit taten die Behörden dies, ohne sich konsequent für ihre Arbeit rechtfertigen zu müssen. Das änderte sich vor 15 Jahren, als das Öffentlichkeitsprinzip beim Bund eingeführt wurde. Bedeuten tut dies: Jedes Dokument muss veröffentlicht werden, sofern es keine Ausnahmeregel dafür gibt. Ermöglicht wurde das durch das neue Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ).
Die Politik wollte so Vertrauen schaffen – was besonders jetzt in der Corona-Krise zu Tragen kommt: In den vergangenen zwölf Monaten meldeten sich über 130 Bürgerinnen, Journalisten und Aktivistinnen beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) und wollten ein Dokument im Zusammenhang mit der Pandemie einsehen.
Dies geht aus der «Sammelmappe Gesuche 2020» hervor, die der Datenschutz-Aktivist Paul-Olivier Dehaye an die Öffentlichkeit brachte. Darin finden sich 134 Anfragen im Umfang von 184 Seiten (PDF, 14,2 MB) – viele davon gingen digital ein, manche per Briefpost. Sie zeigen auf, welche Dokumente im letzten Jahr vom BAG angefordert wurden. Darunter sind einige spannende, einige skurrile Anfragen.
Das erste Einsichtsgesuch zur Pandemie wurde Mitte März 2020 von watson verschickt. Unsere Motivation war: Während der besonderen Lage kann der Bundesrat Covid-Massnahmen beschliessen, wenn er zuvor die Kantone anhört. Eine solche öffentlichen Feedback-Runde gibt's seit jeher auch bei normalen Gesetzesänderungen. Wenn diese transparent sind, dann müssten auch diese Anhörungsdokumente veröffentlicht werden.
Wir hatten Erfolg. Wenige Tage später kamen die Dokumente bei uns an, anhand dieser man detailliert aufzeigen konnte, wie uneinheitlich die Meinungen zur Pandemie beim Bund und den Kantonen waren. Wer sich nicht mehr an den letzten Frühling erinnert: Kurz vor dem Ausbruch der ersten Welle stellte sich mit dem Kanton Aargau tatsächlich ein Kanton gegen ein striktes Veranstaltungsverbot.
Zu Beginn der Krise war auch der Datenschutz ein viel diskutiertes Thema. Das BAG gab Ende März 2020 bekannt, dass Swisscom anonymisierte Datenanalysen liefere. Der Bund wollte so erfahren, ob diese Massnahme zum Schutz vor Infektionen mit dem Coronavirus eingehalten werden.
Wir berichteten darüber kritisch und stellten die technische Aspekte in den Vordergrund: Mobilfunk-Daten seien insbesondere fürs Contact Tracing zu ungenau – eine App müsse her. Andere Journalistinnen und Journalisten, sowie der Digitalisierungsexperte und Jurist Martin Steiger gingen weiter: Sie wollten gestützt auf das BGÖ die rechtlichen Details und die Verfügung zwischen dem Bund und der Swisscom einsehen.
Das Öffentlichkeitsgesetz wurde nicht nur von Medienschaffenden genutzt. In den 184 Seiten finden sich einige Gesuche von Forschenden und neugierigen Personen. Zwei fielen besonders auf
Gleich mehrere Gesuche betrafen zwei Kategorien:
Die Transparenz bei der «Sammelmappe» kam nicht ohne eine unglückliche Datenpanne seitens BAG: Wird ein Bundesdokument veröffentlicht, können aus Datenschutz-Überlegungen einige Passagen geschwärzt werden. Bei journalistischen Anfragen kommt zusätzlich das Redaktionsgeheimnis hinzu. Das BAG befolgte das und lieferte 184 Dokumente, die alle ungefähr so aussahen:
Dumm nur: Die Anonymisierung wurde nicht überall vorgenommen. Die Mitarbeitenden des BAGs haben vermutlich sämtliche Einsichtsgesuche als Einzeldatei irgendwo abgespeichert und die Dokumente zu einer einzigen PDF-Datei zusammengeführt. Dort war auch das Inhaltsverzeichnis ersichtlich, das auch den Absender oder die Absenderin des Gesuchs verriet. So heisst es etwa auf der ersten PDF-Seite: «01-Marjanovic Gesuch um Einsicht in Akten.»
Daten aufgrund Öffentlichkeitsgesetz anfordern und nachher beklagen, dass in einem Inhaltsverzeichnis das „Redaktionsgeheimnis“ nicht gewahrt ist.. ;)
Wenn man mich danach gefragt hätte, ich hätte tausende als Antwort gegeben.