Es waren intensive Tage für Lorenz Schmid und sein Team. Das Motto: Ostern einmal anders – Selbsttests abpacken statt Ostereier suchen. Anstrengend sei das gewesen, sagt Schmid. Doch jetzt ist die Apotheke, die unweit des Paradeplatzes in der Zürcher Innenstadt liegt, bereit. Bereit für den grossen Tag. Den Tag der Selbsttests.
An diesem Dienstagmorgen liegen sie noch im vierten Stock der Apotheke, abgepackt in Säckchen: fünf Stück, dazu eine Gebrauchsanleitung.
Darauf hat jeder Schweizer nun Anrecht, einmal im Monat, bezahlt vom Bund. Lorenz Schmid, der die traditionsreiche Apotheke seit mehr als 20 Jahren führt, wird sie mit seinen Leuten herausgeben. 1200 Säckchen liegen bereit. Wie lange das reichen wird? Schmid weiss es nicht. Er rechnet mit zwei, drei Tagen. Und hat schon mal nachbestellt.
Heute Mittwoch ist ein wichtiger Tag für Schmid und seine Apotheke, und das gilt für viele andere im Land auch. Mehr als je zuvor können die Apotheken zeigen, dass sie bereit sind, wenn das Land sie braucht. Als Martine Ruggli, die Präsidentin des Branchenverbands Pharmasuisse, letzte Woche in Bern vor die Medien trat, erklärte sie der Schweiz kurz, wie man einen Selbsttest anwendet.
Sie wedelte mit Stäbchen und Röhrchen. Betonte, wie einfach alles sei. Es war ein sympathischer, unverkrampfter Auftritt. Die Botschaft: Wir sind da. Wir helfen.
Die Apotheker testen schon seit längerem. Sie verteilen nun Selbsttests. Und sie wollen bald auch impfen. Sie betonen dabei gerne, dass sie glücklich seien, wenn sie ihren Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten können. So, wie das auch viele andere Akteure gerade tun.
Doch natürlich ist das immer nur die halbe Wahrheit. Denn für viele ist die Krise eine Chance. Und das gilt auch für die Apotheker. Sie können jetzt zeigen, was sie können. Und damit einem grossen Ziel näher kommen: dem Wandel zum medizinischen Grundversorger.
In der Apotheke in der Zürcher Innenstadt soll Lorenz Schmid für den Fotografen mit den Selbsttests posieren. Das macht Schmid schon. Aber seiner Vision entspricht es nicht. «Wir müssen weg vom Detailhandel – und hin zur medizinischen Leistungserbringerin», sagt Schmid, der ein einflussreicher Mann ist: CVP-Kantonsrat in Zürich, Präsident des kantonalen Apothekerverbands, Vorstandsmitglied beim nationalen Verband Pharmasuisse.
Seit Jahren schon setzte er sich dafür ein, dass die Apotheken sich «neu erfinden», wie er es formuliert. Die Pandemie bietet dafür das Schaufenster. Und die Apotheker lassen ihre politischen Muskeln spielen. Die Selbsttests? Gibt es vorläufig nur bei den Apotheken und nicht wie in anderen Ländern auch im Detailhandel. Die Schnelltests? Dürfen seit längerem von Apotheken durchgeführt werden, 340 machen schweizweit mit.
Und dann sind da noch die Corona-Impfungen. Die erledigen in gewissen Kantonen bald auch die Apotheker – und sie haben erreicht, dass sie dafür die gleiche Entschädigung wie die Hausärzte erhalten, 24.50 Franken pro Piks. Allerdings kommt das Geld aus einer anderen Kasse: Während die Hausärzte bei den Krankenkassen abrechnen dürfen, ist das den Apothekern nicht erlaubt. Der Bund springt vorübergehend ein.
Doch in Zukunft, das ist ein grosses Ziel von Pharmasuisse, sollen auch Impfungen in den Apotheken von Krankenkassen vergütet werden. Da kommt die Corona-Impfung gerade recht, um zu zeigen: Wir können das.
Können die das? Die alten Rivalen der Apotheker, die Hausärzte, stellen das gerne in Frage. Dass die Apotheker im Kampf gegen die Pandemie so eifrig mitmischen, ist ihnen schon länger ein Dorn im Auge, der Ton mitunter scharf. So sagte etwa der höchste Schweizer Hausarzt, Philippe Luchsinger, im November gegenüber dieser Zeitung, die Apotheken begäben sich mit den Corona-Schnelltests «aufs Glatteis», weil sie keine Erfahrung mit infektiösen Patienten hätten.
Derlei Giftpfeile fliegen auch im Moment wieder. Zum Beispiel in einer Kolumne auf dem Medizin-Portal Medinside. Dort bezweifelt Felix Huber, Hausarzt und Präsident des Ärztenetzwerks Medix, dass die Apotheker in der Lage sind, Corona-Impfungen durchzuführen. Huber, der Mitglied der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce des Bundes ist, schreibt etwa, die Apotheker sollten nicht gegen Corona impfen, weil sie die Komplexität unterschätzten und zu wenig Erfahrung im Umgang mit schweren allergischen Reaktionen hätten.
Auf Anfrage sagte Huber, die Apotheker suchten schon länger nach neuen Aufgaben – und nutzten nun die Pandemie, um sich zu positionieren. «Die Apotheker wollen bei der Grundversorgung einen Fuss in die Türe kriegen, doch das kommt nicht gut, weil sie dafür nicht ausgebildet sind», sagt Huber. Die Corona-Impfung sei für sie eine «reine Image-Sache», doch funktionieren werde das nicht.
Anders als manche Hausärzte ist die Politik offen für die Ziele der Apotheker: Verschiedene Vorstösse, die ihre Position in der Grundversorgung stärken sollen, stiessen zuletzt auf Mehrheiten. Ruth Humbel ist die Präsidentin der nationalrätlichen Gesundheitskommission.
Sie sagt, die Apotheker hätten früher von den Margen bei den Medikamentenpreisen gelebt. Doch diese würden wegen der Sparbemühungen im Gesundheitsbereich immer kleiner. Dass sie nun in neue Bereiche vorstossen wollten, sei nachvollziehbar – «und wegen des Hausärztemangels und des Kostendrucks auch zu begrüssen». Den Widerstand der Ärzte führt sie auf einen Verteilkampf zurück.
Apotheker Schmid entgegnet auf die Kritik von Hausarzt Huber nur, die Apotheker hätten in der Krise bewiesen, dass sie innovativ und dynamisch seien. Das Wirken der Hausärzte könne man selber beurteilen. Für Schmid geht es gerade sowieso um andere Fragen. Zum Beispiel die, wie er die Kundenströme am ersten Tag der Selbsttests am besten kanalisieren kann. (aargauerzeitung.ch)
Für einfache Beschwerden oder Bagatellen schnell in die Apotheke seines Vertrauens spazieren, statt mühsam beim Hausarzt einen Termin vereinbaren wäre praktisch.
Mein aktuelles Beispiel: ich weiss genau, welches Medikament ich gegen meine Pollenallergie brauche... die Kleinpackung kriege ich von der Apotheke, für eine grössere und günstigere Packung muss ich extra zum Hausarzt.
Auf alle Fälle die billigere Variante, als gleich zum Arzt oder noch besser in den Notfall zu rennen, wenn man nicht gerade den Kopf unter den Armen trägt.
Ist sicher nicht schlecht, wenn das wieder etwas mehr oder überhaupt ins Bewusstsein gerufen wird.