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Coronavirus: Facebook-Gruppe verteilt Fake-Flyer gegen Maskenpflicht

Das ist der Flyer der Maskengegner.
Das ist der Flyer der Maskengegner.

«Stasi in der Schweiz» – Facebook-Gruppe greift «Blick» an und flyert gegen Maskenpflicht

Wegen Fotos von ÖV-Passagieren ohne Maske wirft die «StayAwake»-Bewegung dem «Blick» Stasi-Methoden vor. Mitglieder der Facebook-Gruppe kämpfen ausserdem mit einem Flyer gegen die Maskenpflicht - und berufen sich dabei auf fragwürdige Quellen.
14.07.2020, 07:3014.07.2020, 07:58
christoph bernet / ch Media
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«Tragen Sie selbst eine Maske? Halten Sie sich an die bundesrätliche Masken-Verordnung? Oder haben Sie Masken-Verweigerer angetroffen? Schicken Sie uns Videos und Fotos von Ihrem Arbeitsweg im ÖV». Mit diesem Aufruf an seine Leser begleitete der «Blick» die Einführung des Maskenobligatoriums zu Beginn der letzten Woche.

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Auf Blick.ch wurden daraufhin zahlreiche Selfies von Lesern mit Maske veröffentlicht und vereinzelt auch Bilder von Passagieren ohne Maske online - mit verpixelten Gesichtern, aber mutmasslich ohne deren Einwilligung aufgenommen. Später änderte die Zeitung die Formulierung ab und fragte ihre Leser statt nach Begegnungen mit maskenlosen Passagieren nur noch: «Sind Sie ein Maskenverweigerer?»

Auch verpixelte Fotos sind wohl rechtlich unzulässig

Das kam nicht überall gut an. «Stasi in der Schweiz», schrieben die Administratoren der über 13’000 Mitglieder und Follower zählenden Facebook-Gruppe «StayAwake - für Freiheit und Selbstbestimmung» unter einen Screenshot des «Blick»-Aufrufs. Die Mitglieder sollen sich beim «Blick» und beim Schweizer Presserat beschweren.

Dort waren bis Freitag gegen 20 Reaktionen auf den Aufruf des «Blick» eingegangen, wie Geschäftsführerin Ursina Wey sagt. Viele davon sind offenbar auf den Aufruf bei «StayAwake» zurückzuführen. Die meisten beim Presserat eingetroffenen Reaktionen bezogen sich auf den Aufruf des «Blick». Unterdessen liegt auch eine Beschwerde gegen die publizierten Fotos von maskenlosen Passagieren vor. Beim«Blick»-Herausgeber Ringier ist aktuell aber noch keine offizielle Beschwerde des Presserats eingetroffen.

Rechtlich begibt sich der «Blick» auf heikles Terrain. «Es ist kein überwiegendes Interesse am Fotografieren und am Veröffentlichen dieser Bilder erkennbar», sagt Rechtsanwalt Martin Steiger, Experte für Medienrecht. Die Verpixelung ändere nichts daran, dass beim Fotografieren das Recht am eigenen Bild verletzt worden sei. Auch stelle sich die Frage, ob die Verpixelung genügt, um ein Erkanntwerden auszuschliessen. «Damit werden die Persönlichkeitsrechte der ungefragt fotografierten Personen verletzt».

Bei Ringier heisst es, der «Blick» achte bei Leserreporter-Bildern stets darauf, dass nur die Leserreporter selber, nicht aber andere Personen erkennbar seien: «Diese werden selbstverständlich verpixelt, damit sie nicht erkennbar sind und nicht in ihren Rechten verletzt werden», so eine Sprecherin.

Aufruf zum Flyerverteilen gegen das Maskenobligatorium

Bei«StayAwake» ist man nicht nur auf den «Blick» schlecht zu sprechen. In Posts wird die Gefährlichkeit des Coronavirus in Frage gestellt. Die Massnahmen zu dessen Bekämpfung seien hysterisch und übertrieben und dienten Regierungen dazu unter Mithilfe der Medien die Grundrechte von Bürgern einzuschränken, so der Tenor.

Passagiere mit Schutzmasken in einem Bus der Trasporti Pubblici Luganesi TPL am 6. Juli in Lugano. Seit diesem Datum m
Passagiere mit Schutzmasken in einem Bus der Trasporti Pubblici Luganesi in Lugano.Bild: sda

Auch der Bundesrat und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) kommen schlecht weg. In einem Post werden Mitgliedern dazu aufgerufen, für 15 Franken pro Tausend Stück Flyer gegen das Maskenobligatorium im öffentlichen Verkehr zu bestellen und unter die Leute zu bringen. Das Flugblatt behauptet, dass Maskentragen gegen das Coronavirus nutzlos sei, zu Bewusstlosigkeit und einer Vermehrung von Viren und Bakterien in der Lunge führe.

Die Pseudoforscher und die kremlnahen Medien

Wie «20 Minuten» berichtete, verteilte am Wochenende ein Mann diesen Flyer am Zürcher Hauptbahnhof. Beim BAG hat man haben den Flyer zur Kenntnis genommen und «öffentlich darauf aufmerksam gemacht, dass er falsche Behauptungen enthält».

Auf dem Flyer prangt ein QR-Code, der zur Website von «Swiss Policy Research» führt (bis vor kurzem «Swiss Propaganda Research», SPR). Deren anonymen Urheber betreiben entgegen ihres Namens keine Forschung, sondern erstellen pseudowissenschaftlich formulierte Dossiers mit fragwürdigen Quellen, auch zum Thema Corona. SPR promotet so genannte Alternativmedien und stellt etablierte Schweizer Medien als unkritisch und «NATO-freundlich» dar. Auffällig: Unter den von SPR empfohlenen Medien sind viele mit einer direkten Verbindung zur russischen Regierung im Kreml.

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Die Schweiz trägt Maske im ÖV
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Die Schweiz trägt Maske im ÖV
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quelle: keystone / ennio leanza
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Corona-Masken-Hacks im Test
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61 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sensọ
14.07.2020 15:52registriert April 2020
Swiss Propaganda Research.
Ganser inkognito mit Tarnkappe?
Und was sind dies für Leute, die den Mist auch noch glauben?
No Brainer, Aluhüte oder Mombies?
Ich glaube der Mix macht es aus.
«Stasi in der Schweiz» – Facebook-Gruppe greift «Blick» an und flyert gegen Maskenpflicht
Swiss Propaganda Research.
Ganser inkognito mit Tarnkappe?
Und was sind dies für Leute die den Mist a ...
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Mãozinha
14.07.2020 15:12registriert April 2020
Wie gross war der Aufschrei, als ich Mitte Mai sagte, die Maskentragpflicht im ÖV werde zu Denunzierungen von selbsternannten Hobby-Scheriffs führen.
Und was haben wir nun?
Die Boulevardpresse hat den Kommentarspalten-Pranger für Menschen im öffentlichen Raum eingeführt, obwohl niemand die Gründe weiss, warum eine Person keine Maske trägt.
Denunzianten und andere Bünzlis sollten wissen, dass es vielleicht gesundheitliche Gründe wie z.B. COPD gibt, das bei einer weiteren Verminderung der Sauerstoffzufuhr automatisch zum Erstickungstod führen würde.
Also informiert euch vorher!
www.lungenliga.ch http://www.inclusion-handicap.ch/de/medien/medienmitteilungen_2/2021/maskenpflicht-keine-stigmatisierung-von-menschen-mit-behinderungen-523.html
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Bacchus75
14.07.2020 07:50registriert Oktober 2014
Dieser Flyer ist wirklich so richtig lächerlich. Allgemein sind solche Gruppen echt übel.

Wo ich aber gleicher Meinung bin ist beim Thema Blick und ihrem Aufruf Leute zu denunzieren und Bilder zu senden damit sie der Blick veröffentlichen kann. Das geht gar nicht, ist aber einfach Blick-Niveau.
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