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Coronavirus

Selbstständige leiden unter Coronavirus – 4 Betroffene erzählen

4 Geschäftsinhaber Teil 2 Teaserbild
Auf Viktor, Rosalin und Andrea wartet eine ungewisse Zukunft – finanziell zumindest.bild. watson/zvg

So geht es den Selbständigen und Ladenbesitzern 2 Wochen nach dem Lockdown

Ob im Blumenladen oder dem Coiffeursalon: In Woche 2 des Lockdowns haben die Unternehmerinnen und Selbstständigen den erste Schock verdaut. Doch die Ungewissheit treibt den Leuten dann und wann die Tränen in die Augen.
30.03.2020, 10:3931.03.2020, 09:45
Helene Obrist
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Seit zwei Wochen sind die meisten Geschäfte der Schweiz geschlossen. Von einem Moment auf den nächsten wussten viele Arbeitnehmer nicht mehr, ob sie ihre Jobs behalten können und wie ihre finanzielle Zukunft aussehen wird.

Vergangene Woche haben uns vier Selbstständige und Ladenbesitzerinnen erzählt, wie sie mit dieser schwierigen Situation umgehen und welche Sorgen und Ängste sie plagen:

Eine Woche später haben sie den ersten Schock zwar verdaut. Doch für die meisten ist nach wie vor unklar, wie es für sie weitergehen wird:

Andrea Hirschi (39), Geschäftsführerin von «Der Friseur und Barber», Bern

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bild: zvg
«Wir erhalten viele aufmunternde Mails und Nachrichten von Kunden, das hilft.»

Letzte Woche war ich noch richtig panisch, weil wir unseren Coiffeursalon von einem Tag auf den anderen schliessen mussten. Ich hatte keine Ahnung, wie ich meine 16 Angestellten zahlen soll. Meine grosse Angst ist inzwischen einem regelrechten Kreativitätsschub gewichen. Wir erhalten viele aufmunternde Mails und Nachrichten von Kunden, das hilft. Die Hoffnung, dass das alles bald wieder vorbei geht, macht uns alle stark.

Inzwischen habe ich für den Coiffeursalon einen Antrag auf Kurzarbeit gestellt. Eine Antwort habe ich aber noch nicht erhalten. Die Behörden sind sicher total überlastet. Vor Mitte April werden wir von der Arbeitslosenversicherung wohl kaum Geld sehen. Darum bezahle ich die Löhne vorderhand zu 100 Prozent weiter, ebenso die Miete et cetera. Ich denke, jede Person und jede Firma sollte jetzt ihren Teil zur Solidarität beitragen. Wir können froh sein, dass wir in einem Land wie der Schweiz leben. Der Staat hat genug Geld. Jetzt müssen die Menschen wieder lernen, näher zusammenzustehen und sich zu helfen.

Mir persönlich geht es gut. Ich bin froh, dass ich bei meiner Familie in Dubai geblieben und nicht nach Bern geeilt bin. Sonst könnte ich jetzt nicht mehr zu meinen Liebsten zurückkehren. Auch wenn das Leben hier in den Emiraten sehr stark eingeschränkt ist. Gestern durften wir nicht einmal mit unserem Hund spazieren gehen. Die Polizisten haben uns nach Hause geschickt, als sie uns auf der Strasse angetroffen haben.

Marie-Françoise Eigner (54), Besitzerin Blumenladen in Zürich

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«Der Druck macht uns Berufsblüemler nervös und treibt und bisweilen die Tränen in die Augen.»

Viel Hoffnung gibt mir die Solidarität der Menschen: Viele Stammkunden haben uns mit Bestellungen eingedeckt. Es ist unglaublich. Aber die Situation ist natürlich sehr schwierig für uns. Wir müssen die Fixkosten weiterzahlen.

Eine Hilfeleistung vom Staat werden wir aber schon brauchen. Die erwähnten Tagessätze von 196 Franken für 30 Tage sind aber nicht das gelbe vom Ei. Ich nehme es natürlich gerne, aber es ist meiner Ansicht nach viel zu wenig. Sollte die Krise länger andauern, reicht das hinten und vorne nicht. Bei der Bank werde ich mich vorerst nicht melden. Ich möchte kein Geld annehmen, dass ich dann zurückzahlen muss.

Der Druck macht uns Berufsblüemler schon nervös, lässt uns bisweilen schlecht schlafen, Ängste ausstehen und treibt uns die Tränen in die Augen. Ich glaube, mehr Druck verkraften wir nicht. Gerade vorhin an der Blumenbörse: es herrscht eine gedrückte Stimmung, Kolleginnen und Kollegen sind angespannt bis sehr angespannt.

Rosalin Schöb (27), selbständige Fusspflegerin im «Fusshaus», Luzern

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bild: zvg
«Als die Nachricht vom Bundesrat kam, konnte ich das erste Mal aufatmen und es fiel eine riesige Last von mir. Nun wusste ich: Das ist für mich ein Problem weniger in dieser Krise.»

Mittlerweile ist der erste Schock verfolgen. Ich habe die letzten Tage genutzt, um mich um Administratives zu kümmern: Geordnet, kontrolliert und den Jahresabschluss gemacht.

Die Tage nach dem Bescheid, dass ich mein Geschäft schliessen muss, waren nicht einfach. Ich hatte Existenzängste und war überfordert mit dem Gefühl, nicht zu wissen, wie es für mich weitergeht. Die Solidarität von den Mitmenschen hingegen war rührend. So viele haben mir geschrieben, mir Tipps gegeben oder mich mit dem Kauf eines Gutscheins unterstützt. Das hat extrem geholfen.

Als dann die Nachricht vom Bundesrat kam, konnte ich das erste Mal aufatmen und es fiel eine riesige Last von mir. Nun wusste ich: Das ist für mich ein Problem weniger in dieser Krise. Ich habe zwar noch keine offizielle Bestätigung gekriegt, wann ich das Geld genau überwiesen bekomme, aber ich bin zuversichtlich, dass es bald kommen wird. Ich habe das Glück, dass diese 80 Prozent meines Durchschnittslohns reichen sollten – zumindest für die nächsten Wochen, einen Kredit brauche ich deshalb vorerst nicht. Falls ich mein Fusshaus noch länger geschlossen halten muss, muss ich weiterschauen.

Viktor Giger (35), Bühnenarbeiter auf Abruf, Zürich

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bild: zvg
«Das Problem ist, selbst wenn das Gesuch bewilligt wird, weiss ich immer noch nicht, wie viel Geld ich bekomme und ab wann.»

Bei mir hat sich leider noch nicht viel getan. Mein Arbeitgeber hat ein Gesuch für Kurzarbeit eingereicht, aber auf die Bestätigung warte ich immer noch. Bei all den Gesuchen, die jetzt eingehen, sind die Ämter wohl ziemlich überfordert. Das Problem ist, selbst wenn das Gesuch bewilligt wird, weiss ich immer noch nicht, wie viel Geld ich bekomme und ab wann. Das heisst, meine finanzielle Situation ist derzeit ziemlich ungeregelt.

Darum habe ich vergangene Woche einen temporären Job im Lager von Galaxus angenommen. Der Stundenlohn ist in Ordnung und damit komme ich vorübergehende über die Runden. Allerdings kann ich dort nur bis kommenden Dienstag weiter arbeiten. Danach ist unklar, wie es weitergeht.

Den meisten aus der Veranstaltungsbranche geht es ähnlich wie mir. Wir warten auf die Bewilligung der Kurzarbeit und suchen uns irgendwelche Zwischenlösungen. Es gibt auch solche, die beim Denner oder Aldi einspringen und dort vor dem Eingang schauen, dass sich alle an die Abstandsregel halten und sich nicht zu viele Leute gleichzeitig im Laden aufhalten.

Ich finde gerade alles ziemlich mühsam. Ich hoffe, dass das Kurzarbeitsgesuch bald bewilligt wird. Das wäre eine grosse Erleichterung.

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21 Kommentare
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NotWhatYouExpect
30.03.2020 11:30registriert April 2017
Ich hoffe Ihr haltet durch und kriegt Geld vom Bund um diese schwere Zeit zu überstehen.
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Leachim
30.03.2020 13:13registriert November 2018
Ja, für diese KMU's ist die ganze Situation sehr schwierig! Aber für ihre Lieferanten muss auch eine Lösung gefunden werden, denn sie können teilweise arbeiten, aber niemand bestellt.
Unsere Stammlokale - eine Pizzeria, ein Grieche und ein Restaurant mit vietnamesichem Essen - haben alle auf Takeaway / Hauslieferdienst umgestellt. Bei Letzterem kam die Chefin persönlich mit dem Velo. :-)
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Thom Mulder
30.03.2020 14:16registriert November 2014
Ist ja schön und gut für diese Fälle, aber was ist mit der viel grösseren Anzahl an Selbständigen Dienstleistern, Berater, Texter, Designer – deren Kunden brauchen jetzt nämlich nichts mehr. Sie bleiben aber bei allen bisherigen Massnahmen aussen vor, und kriegen wie seit jeher auch nichts von der AHV obwohl sie zahlen müssen!
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