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Impfstoff: Wieso die Probleme von Astrazeneca auch die Schweiz treffen

Weniger Impfstoff? Wieso die Probleme von Astrazeneca auch die Schweiz treffen

Der Pharmakonzern wird den EU-Staaten vorerst weniger Impfstoff liefern als geplant – und damit vermutlich auch der Schweiz. Und nun empfiehlt die Impfkommission in Deutschland, das Vakzin nur für unter 65-Jährige.
29.01.2021, 06:44
Andreas Möckli / ch media
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Bis zu 5.3 Millionen Impfdosen hat sich der Bund vom Pharmakonzern Astrazeneca gesichert. Das sind immerhin 30 Prozent aller bestellten Dosen. In den vergangenen Tagen häufen sich die schlechten Nachrichten zum Vakzin des britischen Unternehmens.

So hat Astrazeneca der EU kürzlich mitgeteilt, zunächst deutlich kleinere Mengen des Impfstoffs liefern zu können als vereinbart. Das Unternehmen begründete dies mit Problemen in der europäischen Lieferkette. In der EU produziert die Firma in Belgien und den Niederlanden. Beobachter rechnen damit, dass die EU-Kommission bereits am Freitag grünes Licht für den Astrazeneca-Impfstoff geben wird.

Britain's Prime Minister Boris Johnson holds a vial of the Oxford Astrazeneca coronavirus vaccine, during a visit to Barnet FC's ground at the Hive, which is being used as a coronavirus vacc ...
Der britische Premier Boris Johnson mit einer Ampulle des Impfstoffs von Astrazeneca.Bild: keystone

Und nun das: Die Ständige Impfkommission des deutschen Robert-Koch-Instituts empfiehlt das Vakzin nur für unter 65-Jährige. «Der Covid-19-Impfstoff von Astrazeneca wird aufgrund der derzeit verfügbaren Daten nur für Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren empfohlen». Zur Beurteilung der Impfwirkung für ältere Menschen lägen keine ausreichenden Daten vor. Offiziell publiziert hat die Kommission die Empfehlung bisher nicht, verschiedene deutsche Medien haben am Donnerstag darüber übereinstimmend berichtet.

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Swissmedic kann die Zulassung begrenzen

In der Schweiz dürfte das Vakzin von Astrazeneca frühstens Anfang Februar zugelassen werden. Die Arzneimittelbehörde Swissmedic äussert sich dazu nicht. Was die Altersfrage anbelangt, sagt ein Sprecher auf Anfrage: Einzelne Altersgruppen würden in klinischen Studien jeweils separat untersucht. Erst wenn Sicherheit und Wirksamkeit für eine bestimmte Altersgruppe belegt seien, könne ein Impfstoff für diese relevante Ziel-Altersgruppe zugelassen werden.

Trotz der hohen Dringlichkeit, einen weiteren Impfstoff gegen das Coronavirus einsetzen zu können, habe für Swissmedic die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung oberste Priorität, sagt der Sprecher. Ob alt oder jung, ausschlaggebend sei für jede Altersgruppe ein positives Verhältnis zwischen Nutzen und Risiko. «Um dieses zu belegen, müssen in den klinischen Studien pro Alterskategorie genügend Daten gesammelt werden».

Was heisst das nun für die Schweiz? Swissmedic könnte das Astrazeneca-Produkt auch nur mit einer Begrenzung zulassen und etwa die über 64-Jährigen vorerst ausschliessen, bis die Behörde genügend Daten vom Hersteller erhält. Zudem wird auch die Schweiz mit grosser Sicherheit von der europäischen Lieferverzögerung betroffen sein.

Denn die Basis des Vertrags zwischen dem Bund und Astrazeneca ist die Vereinbarung der EU-Kommission mit dem Pharmakonzern. Die Europäer haben bis zu 400 Millionen Dosen geordert. Diese können von den einzelnen EU-Staaten gemäss Bevölkerungszahlen bestellt und bei erfolgreicher Zulassung bezogen werden.

Für die EWR- und EFTA-Staaten, die nicht Mitglied der EU sind, werde Schweden die Dosen bestellen und an diese Länder gewinnfrei weiterverkaufen. Dies schrieb das Bundesamt für Gesundheit in einer Mitteilung zum Vertragsabschluss Mitte Oktober. Nach einer allfälligen Zulassung werde der Impfstoff von Astrazeneca direkt in die Schweiz geliefert.

Die Briten impfen trotz mangelnden Daten

Interessant in der ganzen Geschichte ist Grossbritannien. In der offiziellen Fachinformation zum Astrazeneca-Impfstoff der Briten heisst es: Die Anzahl der Covid-19-Fälle sei in der klinischen Studie bei den über 64-Jährigen zu gering gewesen, um Rückschlüsse auf die Wirksamkeit zu ziehen. Dennoch setzen die Briten das Vakzin auch bei alten Menschen und Risikogruppen ein.

Die Zulassung der Briten stützt sich auf eine klinische Studie mit 11'600 Teilnehmern, die entweder mit dem Impfstoff oder einem wirkungslosen Placebo behandelt wurden. Je nach Impfschema hat sich dabei eine Wirksamkeit von rund 60 bis 90 Prozent gezeigt. Im Durchschnitt geht Astrazeneca von einer Wirksamkeit von 70 Prozent aus. So ist es auch in der britischen Fachinformation festgehalten, die sich an die Ärzte wendet.

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8 Kommentare
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mstuedel
29.01.2021 08:09registriert Februar 2019
Eine Wirksamkeit von 70% erscheint mir nicht gerade hoch, wenn diese bei den Mitbewerber-Produkten mit über 90% angegeben wird.
Dies ist keine gute Voraussetzung für die Impfkampagne: Bei jenen, welche diesen Impfstoff zugeteilt kriegen, wird dies zu gemischten Gefühlen, Verunsicherung bis Ärger führen.
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