Am Wochenende infizierten sich im Zürcher Club Flamingo mehrere Personen mit dem Coronavirus. Nun stellt sich die Frage: Wer trägt die Verantwortung für das Party-Debakel? Und wie viel wussten die Kantone von der Gefährlichkeit der Cluböffnungen?
Anscheinend nicht viel, wenn es nach der Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli geht. Auf Twitter wetterte die Zürcher Gesundheitsdirektorin gegen das BAG und den Bundesrat. «Leider hat es der Bundesrat unterlassen, diese Analyse den Kantonen zukommen zu lassen.» An BAG-Chef Pascal Strupler sagte sie: «Bitte nachliefern.»
Leider hat es der Bundesrat unterlassen, diese Analyse den Kantonen zukommen zu lassen. @BAG_OFSP_UFSP @PStrupler Bitte nachliefern. https://t.co/WORrXooLnz
— Natalie Rickli (@NatalieRickli) June 30, 2020
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Rickli bezog sich auf einen Artikel des Tagesanzeiger, wonach der Bund von der hohen Gefährlichkeit in Clubs wusste. Das geht aus einer internen Analyse hervor, die der Netzaktivist Hernani Marques via Twitter verbreitete.
Er gelangte per Öffentlichkeitsgesuch an die Risikobeurteilung einzelner Lockerungsmassnahmen. Gemäss der Risikoanalyse des Bundes sei Ansteckungsrisiko in Clubs «hoch». Die Einführung von Schutzmassnahmen «schwierig». Und Distanzregeln sowie Schutzausrüstung in Diskotheken «nicht anwendbar».
Für Medienschaffende relevant:
— Hernâni Marques 🦖 @hernani@chaos.social (@vecirex) June 27, 2020
Ich habe eine Tabelle mit einer Risikobeurteilung einzelner Lockerungsmassnahmen per Öffentlichkeitsgesuch erhalten.
Beachtlich: bei Restaurants & Bars wird festgehalten, dass Schutzmassnahmem kaum ergreifbar seien.
PDF: https://t.co/dSyKyO20An pic.twitter.com/MJMheJK8jo
Nachdem die Gesundheitsdirektorin am Wochenende noch das Partyvolk und die Clubbesitzer für die Ausbreitung des Virus verantwortlich machte, teilt die SVP-Politikerin nun gegen den Bund aus.
Dies kommt auf Twitter gar nicht gut an. Der Grossteil der User kritisiert die Regierungsrätin. Man hätte auch selber darauf kommen können, dass die Ansteckungsgefahr in Clubs hoch sei, so der Grundtenor. Eine kleine Auswahl der Twitter-Reaktionen:
Sorry, aber das wissen alle die schon mal einen Club von innen gesehen haben. Dazu braucht es nicht mal eine Risikoanalyse. Die Kantone wollten wieder mehr Verantwortung. Sollte dann aber dementsprechend auch wahrgenommen werden.
— Corine Turrini Flury (@CtfCrea) June 30, 2020
Liebe Frau Rickli, um die Gefährlichkeit von Party-Clubs in der aktuellen Pandemie Zeit zu untermauern braucht es keine Risikoanalyse vom Bundstrat sondern nur einen gesunden Menschenverstand. Besonders Ihnen, in Ihrer Funktion als Gesundheitsdirektorin müsste es klar sein!
— Giordano Sticchi (@Giordi68) June 30, 2020
Glaube nicht, dass es gut ist, #Trump nachzumachen und auf #Twitter politische Interas zu tweeten!
— Mäxchen (@fotofarben) June 30, 2020
Das ist einer Zürcher Regierungsrätin nicht würdig!
was ist das für ein mieser Polit-Stil? Sie sind jetzt Regierungsrätin, und nicht mehr nur PR-Frau.
— Urs Huber (@UrsHuber1) June 30, 2020
Über Ricklis Tweet berichtete auch die NZZ. Die Zeitung unterhielt sich mit Marcel Odermatt, dem Sprecher der Gesundheitsdirektorin, welcher die Kritik an der Gesundheitsdirektorin nicht gelten lassen will.
Er lässt sich wie folgt zitieren: «Der Bundesrat hat entschieden, die Clubs wieder zu öffnen. Dass diese für die Virenverbreitung gefährlich sind, ist allen klar.» Es sei aber störend, dass der Bundesrat die Clubs trotz der Analyse öffnete und die Kantone nicht informierte, so Odermatt gegenüber der NZZ.
Wie die Zeitung weiter berichtet, wird das BAG dem Wunsch Ricklis nicht nachkommen. Die Risikoanalyse wird demnach nicht nachgeliefert. «Die Kantone sind für die Bekämpfung der Epidemie zuständig», heisst es seitens des BAG. Es werde kein ständig aktualisiertes Dokument «Risikonalyse» im BAG erstellt. (cma)