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Coronavirus: Diese Punkte muss der Bundesrat heute klären

Stefan Nyffenegger, Lehrer, weisst auf Handdesinfektion hin, am Dienstag, 17. Maerz 2020, an der Schule Duerrenroth. (KEYSTONE/Marcel Bieri )
Handhygiene wird bei der Öffnung der Schulen zwingend sein. Sonst ist noch vieles unklar.Bild: KEYSTONE

Schulen, Swiss, Tracing: Diese Punkte muss der Bundesrat heute klären

Der Ausstieg aus dem Corona-Lockdown hat begonnen, doch nach wie vor sind viele Fragen offen. Der Bundesrat muss an seiner heutigen Sitzung Antworten liefern, denn die Zeit drängt.
29.04.2020, 06:1729.04.2020, 08:00
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Das macht Mut: Die Zahl der positiv auf das Coronavirus getesteten Fälle in der Schweiz ist auf 100 gesunken. Es sind gute Voraussetzungen für die für den 11. Mai geplante zweite von vorläufig drei Lockerungsetappen. Der Bundesrat muss heute konkretere Angaben liefern. In seiner Sitzung von letzter Woche hat er einige Dinge geklärt, viele aber noch offen gelassen.

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So ist nun klar, dass die meisten Läden in der Schweiz am 11. Mai öffnen dürfen, unter Beachtung der Hygiene- und Abstandsregeln. Der Bundesrat musste dafür einen zu wenig durchdachten Beschluss der Vorwoche korrigieren. Andere Branchen und Bereiche warten hingegen weiterhin und teilweise sehnlich darauf, dass der Bundesrat ihnen eine mögliche Perspektive aufzeigt.

Die Zahl der Konkurse ist im März aufgrund des Betreibungsverbots noch deutlich gesunken. (Archiv)
Wirtschaftsvertreter fürchten eine Konkurswelle, wenn der Bundesrat nicht rascher lockert.Bild: KEYSTONE

Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer forderte in der «NZZ am Sonntag» eine raschere Öffnung: «Wir laufen in die schlimmste Rezession seit 90 Jahren. Es wird eine Konkurswelle geben, die Arbeitslosigkeit wird rasch auf vier oder fünf Prozent ansteigen, die Arbeitsplatzsicherheit wird sinken.» Er hoffe, dass der Bundesrat heute Mittwoch seine Entscheide «nachbessert».

Die Zeit ist knapp, denn die nächste ordentliche Bundesratssitzung ist wegen der Sondersession des Parlaments erst für den 8. Mai terminiert, also drei Tage vor dem zweiten Öffnungsschritt. In diesen Punkten muss der Bundesrat für Klarheit sorgen:

Schulen

Die obligatorischen Schulen sollen am 11. Mai den Betrieb wieder aufnehmen. Die Verunsicherung bei Eltern und Lehrkräften ist teilweise gross, wozu auch die gelinde gesagt nicht ganz stringente Kommunikation von Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) zum Ansteckungsrisiko von Kindern beigetragen hat. Heute will der Bundesrat sein definitives Schutzkonzept vorlegen.

Es wird sich zeigen, ob die in einem ersten Entwurf enthaltene Aufhebung der Distanzregel für Schülerinnen und Schüler unter 10 Jahren enthalten ist. Andernfalls drohen den Kantonen und Gemeinden organisatorische Probleme. Diese werden ohnehin ein gewichtiges Wort mitreden, weil der Bildungsbereich in der Schweiz weitgehend föderalistisch organisiert ist.

Nicht ganz so drängend, aber sehr kontrovers diskutiert wird die Frage der Maturitätsprüfungen. Die Kantone sind gespalten. Einige wollen sie durchführen, andere darauf verzichten, darunter die meisten Westschweizer Kantone, beide Basel, Bern und Zürich. Der Bundesrat muss klären, ob er den «Wildwuchs» tolerieren will, denn die Maturität ist ein eidgenössisches Zeugnis.

Föderalismus

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Coiffeursalon in Lausanne: Auch in der skeptischen Westschweiz wurden die ersten Lockerungen am Montag rege genutzt.Bild: EPA

Zu Beginn der Coronakrise sorgte der «Kantönligeist» für Ärger bei Veranstaltern von Konzerten und anderen Events. Der Bundesrat stoppte ihn, als er am 16. März die «ausserordentliche Lage» verhängte. Nun gibt es neue Spannungen. Die Rede ist von einem «Corona-Graben» zwischen der Deutschschweiz auf der einen und der Romandie sowie dem Tessin auf der anderen Seite.

Sie wurden von der Epidemie stärker getroffen und waren erst für einen härteren Lockdown. Jetzt fordern sie eine langsamere Öffnung. Der Bundesrat muss entscheiden, ob er ihnen Sonderregeln gewähren will. Allerdings hat das Tessin nach anfänglichen Bedenken Coiffeursalons und Gartencenter am Montag geöffnet, und auch in der Westschweiz gab es einen Grossandrang.

Contact Tracing

Ein gewisser Wildwuchs herrscht auch beim Contact Tracing, wo jeder Kanton seine eigene Linie verfolgt und nicht alle gleich gut vorbereitet sind. Am 11. Mai soll die offizielle App des Bundes veröffentlicht werden. Im Hinblick darauf ist noch einiges zu klären, und nicht zuletzt dürfte der Informationsbedarf in der Bevölkerung hoch sein.

Gastro/Events

Casimir Platzer, Praesident Gastrosuisse, auf dem Weg zum Austausch mit den Vertretern der Schweizer Tourismusbranche und dem Bundesrat wegen der Coronavirus-Krise, am Sonntag, 26. April 2020 vor dem  ...
Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer erhofft sich Perspektiven für seine Branche.Bild: KEYSTONE

Im Gastgewerbe war der Frust über den Bundesrat besonders gross. Mit dem «Tourismusgipfel» vom Sonntag konnte er die Gemüter ein wenig beruhigen und sogar eine gewisse Öffnung etwa von Gartenbeizen am 11. Mai in Aussicht stellen. Das ist schon bald, deshalb müssen Ideen auf den Tisch. Weitere Schritte werden wohl erst beim nächsten Treffen am 24. Mai besprochen.

Ein klares Signal sollen heute auch Grossveranstaltungen wie Open Airs erhalten. Mehrere Länder haben sie bereits untersagt. Bundesrat Alain Berset beantragt gemäss einem Tamedia-Bericht ein Verbot bis Ende September. Vorerst weiter unklar dürfte die Lage für Kinos, Theater und Clubs bleiben.

Sport

Eine Arbeitsgruppe mit Fachexperten aus Verbänden, Vertretern der Kantone und der Gemeinden, des Bundesamtes für Gesundheit und des Bundesamtes für Sport erarbeitet ein Konzept zur Lockerung der Massnahmen im Bereich der Sportaktivitäten aus. Über eine entsprechende Änderung der Covid-Verordnung wird der Bundesrat vermutlich schon heute beraten.

Sportministerin Viola Amherd stellte letzte Woche in Aussicht, dass ab Anfang Mai gewisse Sportarten ohne direkten Körperkontakt wieder betrieben werden dürfen, also vielleicht schon ab nächster Woche. Auch Mannschaftstrainings könnten noch im Mai wieder aufgenommen werden. Hoffnung auf einen baldigen Restart der Super League dürften dennoch verfrüht sein.

Luftfahrt

Video: srf/SDA SRF

Vor drei Wochen stellte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga der von der Krise schwer getroffenen Luftfahrtbranche Hilfe in Aussicht. Heute dürfte sie kommuniziert werden. In «Geheimverhandlungen» am Wochenende habe man sich auf vom Bund abgesicherte Kredite von 1,5 Milliarden Franken für die Swiss geeinigt, berichten die Tamedia-Zeitungen.

Für flugnahe Betriebe seien 500 Millionen Franken vorgesehen. Wichtig sei, dass das Geld in der Schweiz bleibe, da die Swiss und die meisten dieser Unternehmen sich in ausländischem Besitz befinden, so der Bericht. Eine Verknüpfung mit ökologischen Massnahmen scheint nicht vorgesehen zu sein, worüber sich die Klimastreikbewegung in einer Mitteilung «entsetzt» zeigt.

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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ogden
29.04.2020 08:08registriert Februar 2020
Jetzt wurde uns während den letzten Wochen beigebracht, dass es 5-10 Tage dauert, von der Ansteckung bis zum Ausbruch von Covid-19. Und nun sollen auf Grund der Zahlen von gestern und vorgestern Lockerungen entschieden werden?
Ich dachte, die Coronakrise bringt Entschleunigung und wieder mehr Besonnenheit.
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Dogbone
29.04.2020 08:01registriert August 2014
Der Bund hat Mitte März den Lead übernommen, was dringendst notwendig und das einzig Richtige war um klare und einheitliche Entscheide treffen zu können. Nun in der Lockerungsphase ist es mindestens so wichtig, dass er diesen Lead behält und unmissverständlich und klar kommuniziert. Die Kantone können weiterhin wünschen, sind ansonsten aber kaltgestellt. Gerade am Beispiel der eidgenössischen Matura ist ein bundesweiter und hoffentlich weiser Entscheid zwingend notwendig.
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tolgito
29.04.2020 08:16registriert August 2018
„Es wird sich zeigen, ob die in einem ersten Entwurf enthaltene Aufhebung der Distanzregel für Schülerinnen und Schüler unter 10 Jahren enthalten ist. Andernfalls drohen den Kantonen und Gemeinden organisatorische Probleme.„
Das heisst sowieso schon, dass man darauf verzichten und wieder erklären wird, dass Kinder unter 10 keine Treiber der Infektion sind. Man wird diese Schiene fahren nur um die Schulen zu öffnen damit die Eltern wieder arbeiten gehen... der Schuss wird nach hinten losgehen. Kinder sind sehr wohl auch Übertrager. Schaut mal die letzten Studien des RKI an
2018
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