Nun also hat das Coronavirus das Bundeshaus so richtig erreicht. Nach der Sondersession des Nationalrats, die am Donnerstag und Freitag der vergangenen Woche stattfand, gibt es Fälle in den eigenen Reihen.
Die Redaktion von CH Media weiss von Nationalräten, die in den Tagen danach positiv auf das Coronavirus getestet worden sind. Auf Anfrage heisst es bei den Parlamentsdiensten:
Den besagten Fällen fügt man besser ein «mindestens» hinzu. Denn es bestehe «keine Verpflichtung, dass uns Ratsmitglieder allfällige positive Tests oder Quarantäneanordnungen melden», räumt ein Sprecher der Parlamentsdienste ein. Letztlich also fehlt über das Infektionsgeschehen im Bundeshaus schlicht der Überblick.
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Dies, obwohl besondere Vorsicht angebracht wäre: Das Parlament ist nicht an die Beschränkungen der Behörden gebunden, es kann seine verfassungsmässigen Aufgaben stets wahrnehmen. Die Session war in Zeiten neuer Veranstaltungsverbote faktisch der grösste Anlass in der Schweiz.
Im Parlamentsgebäude waren nicht nur die 200 Nationalrätinnen und Nationalräte sowie die Bundesräte zugelassen, sondern auch Bundesangestellte, Gäste und Journalisten. Menschen aus allen erdenklichen Ecken des Landes trafen aufeinander.
Ob sich betroffene Parlamentarier direkt im Bundeshaus infiziert haben könnten, ist nicht bekannt. Manche könnten bereits ahnungslos infiziert respektive ansteckend nach Bern gekommen sein. Klar ist bloss: Mitunter informierten Parlamentarier, die später positiv getestet worden sind, ihre Fraktionskollegen diese Woche selbst über die Ansteckungen.
Wurden wegen möglichen Ansteckungen im Bundeshaus bereits weitere Parlamentarier in Quarantäne geschickt? Auch hierzu habe man keinerlei Informationen, erklären die Parlamentsdienste. «Für die Anordnung von Quarantänen bei allfälligen Kontakten sind die jeweiligen Kantone zuständig.» Die Sondersession endete am Freitagabend, die durchschnittliche Inkubationszeit war also erst Mitte dieser Woche durch.
Immerhin: Während der Sondersession galten Schutzmassnahmen wie eine generelle Maskenpflicht. Nur wer an einem mit Plexiglas geschützten Platz sass, durfte seine Maske ablegen. Wie Erfahrungen aus den Kantonen zeigen, befreien solche Massnahmen jedoch nicht zwingend von einer möglichen Quarantäne. Selbst Masken trügen lediglich dazu bei, die Ansteckungen einzudämmen, betonen etwa die Berner Kantonsbehörden.
Tatsächlich fuhren mehrere Nationalräte wegen epidemiologischer Bedenken nicht nach Bern. Martin Bäumle (GLP) hielt dies für «schlicht unverantwortlich», wie er dem «Tages-Anzeiger» erklärte. Derweil verglich sein Ratskollege Stefan Müller-Altermatt (CVP) die Sondersession im Vorfeld mit einschlägigen Superspreader-Events.
Gemäss Recherchen von «10vor10» blieben allein am Freitag neun Nationalräte der Session fern – wegen Quarantäne, Isolation oder zum Selbstschutz.
Die Verfassung verlangt an sich die physische Präsenz der Parlamentarier. Ungeachtet dessen startet die staatspolitische Kommission des Nationalrats jetzt einen weiteren Anlauf, um dies doch noch zu ändern. In einer parlamentarischen Initiative verlangt sie, dass «temporär und rasch die Voraussetzungen geschaffen werden», damit in der Wintersession von zu Hause aus abgestimmt werden kann. (bzbasel.ch)