Sie sprachen über Asylverfahren und weitere Hilfen für die Wirtschaft, vor allem für Selbständige. Um ein Thema aber kamen Karin Keller-Sutter und Guy Parmelin an der bundesrätlichen Medienkonferenz vom Mittwoch nicht herum: Die Frage, wann die «ausserordentliche Lage» in der Coronakrise beendet und eine Rückkehr zur Normalität möglich ist, brennt vielen unter den Nägeln.
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Man arbeite daran, sagte Volkswirtschaftsminister Parmelin (SVP). Gleichzeitig dämpfte er die Hoffnungen auf ein baldiges Ende. Entscheidend sei, «ob sich die Epidemie noch ausbreitet oder nicht». Justizministerin Keller-Sutter (FDP) mahnte zur Disziplin bei der Befolgung der Schutzmassnahmen: «Je mehr wir uns alle daran halten, desto schneller geht es.»
Für manche kann es gar nicht schnell genug gehen. Bei Halbzeit des vom Bundesrat verfügten Lockdowns bis 19. April werden die Rufe nach einer Exit-Strategie immer lauter. Noch verläuft die Diskussion nicht so heftig wie in Deutschland, wo die Wirtschaft ebenfalls Druck macht. Aber die Forderungen haben sich in den letzten Tagen gehäuft.
Bei der Ausrufung der «ausserordentlichen Lage» am 16. März stellten sich die im Parlament vertretenen Parteien in seltener Einigkeit hinter die Landesregierung. Nun ist es damit vorbei. Ausgeschert ist wieder einmal die SVP. An einer Telefonkonferenz am Dienstag forderten Vertreter der Partei den Bund auf, seine Strategie zur Bekämpfung des Coronavirus ab Mitte April zu ändern.
Das Ziel sei ein möglichst baldiges Ende des Notstands, weil dieser der Wirtschaft zu stark schade, sagte Fraktionschef Thomas Aeschi. Die Thurgauer Nationalrätin Verena Herzog kritisierte das Bundesamt für Gesundheit (BAG), weil es die Wirksamkeit von Hygienemasken immer wieder infrage stelle. Das sei eine «reine Notlüge», weil die Pflichtlager nicht gefüllt seien.
Tags darauf liessen sich auch die Freisinnigen mit einem Communiqué vernehmen. «Unsicherheit ist der schlimmste Feind der Unternehmen», heisst es darin. Darum müsse der Bundesrat «nun so rasch wie möglich in Szenarien aufzeigen, wie der Ausstieg aus dem Krisenmodus unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Vorgaben gelingen kann», fordert die FDP.
Die Wirtschaftsverbände machen ebenfalls Druck. Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler sagte in der SRF-«Rundschau» am Mittwoch, es sei aus wirtschaftspolitischer Sicht «äusserst fragwürdig», ob man die Massnahmen des Bundesrats über den 19. April hinaus beibehalten und finanzieren könne. Anstelle eines Full Stop brauche es «einen smarten Restart», sagte Bigler.
Für den Dachverband Economiesuisse ist es «aus Sicht der Wirtschaft dringlich, dass nun zeitnah die Planung an die Hand genommen wird, wie die Schutzmassnahmen schrittweise gelockert werden können». Die Wirtschaft brauche «rasch Antworten, wie die Rückkehr zur Normalität gestaltet wird», teilten Präsident Heinz Karrer und Direktorin Monika Rühl am Mittwoch mit.
Eine baldige Lockerung fordert etwa der Zürcher Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann. «Wie könnte sich ein Schuhladen organisieren, damit er wieder öffnen kann? Wie ein Coiffeursalon? Das muss man jetzt ganz konkret mit den Ladenbesitzern anschauen – unter Einbezug von Epidemiologen», sagte er im Interview mit watson. Daraus entstünden «kreative Lösungen».
Für eine Exit-Strategie plädiert auch der in Hamburg lehrende Ökonom Thomas Straubhaar. Besonders früh exponiert hatte sich der Freiburger Professor Reiner Eichenberger. In einem Gastkommentar in der NZZ machte er sich für eine «geregelte Ansteckung und Immunisierung» stark. Eine «klug gelenkte Immunisierung» sei «der bestehenden Verzögerungstaktik überlegen».
Etwas anders gelagert, aber nicht weniger dringlich ist das Problem der nahen Osterfeiertage. Die Prognose von Meteoschweiz besagt, dass das lange Wochenende «vorwiegend sonnig und meist trocken bei Temperaturen über der jahreszeitlichen Norm» sein wird. Im Tessin, dem von der Coronakrise am stärksten betroffenen Kanton, herrschen deshalb bereits panikartige Zustände.
Kantons- und Gemeindevertreter flehen die Deutschschweizer geradezu an, an Ostern zu Hause zu bleiben. Die Gemeindepräsidenten des Malcantone fordern die Schliessung von Gotthard und San Bernardino. Ein Sprecher des Departements Uvek betonte jedoch gegenüber den Tamedia-Zeitungen, dass «die Nationalstrassen als Hauptadern für die Versorgung offen bleiben müssen».
Die Angst vor einer «Invasion» ist nicht unbegründet. In den Deutschschweizer Spitälern ist die befürchtete Katastrophe bislang ausgeblieben. Nach vier Wochen Lockdown könnten viele das Gefühl haben, das Schlimmste sei überstanden. Bundesrat Parmelin ermahnte die Bevölkerung mit Blick auf die Ostertage, man dürfe nicht nachlassen, auch wenn das Wetter schön sei.
Letztlich steht und fällt alles mit der Entwicklung der Fallzahlen. Diese haben sich zuletzt ein wenig stabilisiert, wenn auch auf hohem Niveau. Im europäischen Vergleich steht die Schweiz nach wie vor nicht gut da. Der Höhepunkt der Welle sei mit Sicherheit noch nicht erreicht, sagte Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit am Donnerstag.
Der Gesundheitsökonom Willy Oggier brachte es in der «Handelszeitung» auf den Punkt: «Heben wir Massnahmen zu früh auf, besteht das Risiko, dass wir eine zweite, heftigere Welle erleben. Dann wären viele Menschen nicht – wie John M. Keynes betonte – in der langen, sondern schon in der kurzen Frist tot.» Solche Aussichten sollten die Rufe nach einer übereilten Exit-Strategie dämpfen.
Und genau die Generation die immer nach Repression geschrien hat ! Ist jetzt nicht fähig ( ich weiss auch da nur ein kleiner Teil ) sich an die vorgaben des Bundesrates zu halten. Ihr alten die jetzt einkaufen oder ins Tessin müsst seid einfach nur erbärmlich.