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Schweiz soll nicht mehr EU-Forschungsgeld erhalten, als sie selber bezahlt

Schweiz soll künftig nicht mehr EU-Forschungsgeld erhalten, als sie selber bezahlt

Die Schweiz soll künftig gleich viel Geld in die EU-Forschungsprogramme investieren wie umgekehrt. Hiesige Forscher könnten unter dieser neuen Regel leiden.
21.02.2020, 06:22
Remo Hess / ch media
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Seit Donnerstag ringen die EU-Staats- und -Regierungschefs bei ihrem Treffen in Brüssel um die Höhe des neuen EU-Budgets. Der Streit tobt umso heftiger, weil mit dem Vereinigten Königreich einer der grössten Nettozahler den Klub verlässt.

Nun geht es darum, wer das Loch in der Kasse stopfen muss und wo die EU allenfalls den Gürtel enger schnallen wird. Klar ist schon jetzt: Unter dem Brexit-Effekt leidet auch die Schweiz. Genauer: die Schweizer Forschenden.

ARCHIVBILD ZUR STUDIE ZUM LEHRLINGSLOHN VOM KANTONALBANKENVERBAND, DIENSTAG, 11. SEPTEMBER 2018 - A laboratory assistant in training gets liquid out of a bottle under the expert guidance of her adviso ...
Schweizer Forscher sind in der EU beliebt. Doch die politische Situation macht ihnen das Leben schwer.Bild: KEYSTONE

Denn die EU fürchtet sich davor, dass ein Grossteil ihrer Forschungsgelder künftig in das Drittland Grossbritannien mit seinen hervorragenden Universitäten abfliessen könnte. Hintergrund ist, dass EU-Forschungsbeiträge jeweils an die besten Projekte gesprochen werden.

Im Budgetentwurf der EU wird deshalb eine neue Regel eingeführt. Für assoziierte Drittländer gilt, dass eine ausgeglichene Balance herrschen soll zwischen Beiträgen und Bezügen aus den Forschungsprogrammen. Das betrifft auch die Schweiz, deren Forschungsstätten ebenfalls zu den besten Europas gehören.

Das heisst: Die hiesigen Unis und ihre Forscher sollen künftig nicht mehr Geld aus Brüssel erhalten, als die Schweiz in die EU-Forschungstöpfe überweist. Die Schlussrechnung soll eine schwarze Null aufweisen.

Gleiche Kategorie wie China oder Südkorea

In der Vergangenheit hat die Schweiz von der Forschungszusammenarbeit mit der EU finanziell profitiert. In den Jahren 2007 bis 2013 machte sie ein Plus von 232 Millionen Franken. Wäre der Euro in Folge der Finanzkrise nicht abgestürzt, wären die Rückflüsse noch stärker ins Gewicht gefallen. Dass die Bilanz im aktuellen Zeitraum nur leicht zu Gunsten der Schweiz ausfällt, liegt daran, dass die EU den Hahn nach der Zuwanderungsinitiative vor­übergehend zugedreht hat.

«Das bereitet uns echt Kopfzerbrechen»

In Schweizer Forschungskreisen ist man besorgt über das neue Regime. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, dass die Schweizer Forscher nicht mehr übermässig von den EU-Geldern profitieren können. Im Gegenteil: Damit wäre man den leidigen Vorwurf des «Trittbrettfahrers» endlich los.

Vielmehr kritisiert man, dass die Schweiz künftig in derselben Drittstaaten-Sammelkategorie geführt werden soll, der neben Grossbritannien auch Länder wie China oder Südkorea angehören. Beitrittskandidaten wie die Türkei oder Israel mit seinem Assoziierungsabkommen erhalten dagegen eine Spezialbehandlung.

Die Schweizer Diplomatie setzt in Brüssel zurzeit sämtliche Lobby-Hebel in Bewegung, um die EU davon zu überzeugen, die Einteilung zu überdenken. «Das bereitet uns echt Kopfzerbrechen», beschreibt es ein Gesprächspartner. Die Schweiz findet, sie gehörte nicht in denselben Topf wie Grossbritannien, sondern sollte eher wie die EWR-Länder behandelt werden.

Technisch unbestritten, politisch umso mehr

Auf technischer Ebene gibt es anscheinend ein breites Verständnis dafür, dass die Schweiz in der Forschungszusammenarbeit nicht ein beliebiges Drittland, sondern ein langjähriger und geschätzter Partner ist.

Gerade in Sachen künstlicher Intelligenz, wo Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen thematischen Schwerpunkt setzen will, sollen Schweizer Wissenschafter und Forscher heiss begehrt sein. Doch auf der politischen Ebene vergiftet der Streit um das Rahmenabkommen das Klima. Die EU-Kommission stellt hier noch immer eine Verknüpfung her, auch wenn EU-Kommissar Johannes Hahn im Interview mit dem SRF im Dezember den Eindruck hinterliess, die Forschung werde nicht als Druckmittel verwendet.

Nächste Woche kommt der definitive Entscheid

Immerhin: Definitiv entschieden ist noch nichts. Ende nächster Woche treffen sich die zuständigen Minister der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel. Auf dem Programm steht eine politische Aussprache über die neue Drittstaatenregelung. Ob und wie sich die Kategorisierung noch verändern wird, hängt schlussendlich auch über die anvisierte Forschungszusammenarbeit mit Grossbritannien ab. Und davon, ob die EU die Schweiz tatsächlich mit den Briten in denselben Topf werfen will.

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48 Kommentare
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E7#9
21.02.2020 07:41registriert Dezember 2019
Da geht es doch ums Forschungsabkommen aus den Bilateralen1. Und ich dachte immer, wenn da etwas einseitig geändert würde, dann träte die Guillotine-Klausel in Kraft. Das selbe Spiel könnte man doch z.B. auch bei der PFZ spielen. Demnach dürften in Zukunft nicht mehr EU-Bürger in die Schweiz migrieren als auch wieder abwandern (Netto 0, wie bei den Forschungsgelder). Wo ist da der Unterschied?
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Sam1984
21.02.2020 07:59registriert Dezember 2014
Man könnte sich ja mal Gegenmassnahmen überlegen um nicht Opfer der EU-Machtpolitik zu werden.

Zugang für EU Bürger zu schweizer Hochschulen (welche international einen exzellenten Ruf haben) erschweren. Oder Studiengebühren für EU Bürger vervielfachen. Ich bin mir sicher es gibt Wege um der EU klarzumachen, dass wir nicht Ihr Prügelknabe sind und erst recht nicht vorhaben Ihre Probleme mit GB auszubaden.
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guby
21.02.2020 09:45registriert August 2015
Ohne GB hat die EU keine Eliteuni mehr. Wenn die europäischen Gelder nach Forschungsqualität vergeben werden, dann ist glasklar, dass die EU ins Minus fällt. Jetzt, nach Brexit, umso mehr. Will die EU solche doofen Spielchen spielen spannen wir in der Forschung halt stärker mit GB und USA zusammen. Dann sind die ganzen EU Gelder plötzlich nicht mehr so prestigeträchtig. Der Schweizer Forschungsplatz ist hervorragend aufgestellt, wir müssen uns alles andere als verstecken.
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