Eine freisinnige Nationalrätin sagt, sie sei «schockiert» gewesen, als sie am Sonntag von den Wahlresultaten aus Basel-Stadt erfahren habe. Drei Sitze verlor die FDP im Grossen Rat, und Regierungsrat Baschi Dürr bangt nun um seine Wiederwahl. Eine Woche zuvor hatten die Freisinnigen im Aargau und im Jura Wähleranteile eingebüsst.
Die FDP ist die grösste Verliererin in den Kantonen seit den nationalen Wahlen von 2019:
In der Partei hat eine Diskussion eingesetzt: Wie kommt man raus aus der Abwärtsspirale? Wie konnte man überhaupt hineingeraten? Eine Aufgeregtheit ist spürbar, denn allen in der Partei ist klar: Wenn die FDP sich nicht bald erholt, verliert sie den zweiten Bundesratssitz. Während 43 Jahren bestellten die Freisinnigen nach der Gründung des Bundesstaates die Regierung alleine. Es wäre ein Desaster.
In der Diskussion über die Probleme ist oft von Petra Gössis Umwelt-Schwenk die Rede. Die Parteipräsidentin reagierte im Wahljahr 2019 auf die grüne Welle und nahm plötzlich ökologische Positionen ein. Die Mitglieder stimmten der Kursänderung nachträglich in einer Befragung zu. Manche Freisinnige finden, das einzige Problem an der neuen Ausrichtung sei gewesen, dass sie zu spät erfolgt sei. Gössi selber äusserte sich so.
Ständerat Thierry Burkart aber meint, dass die FDP zu wenig eigene Akzente gesetzt habe.
Wenn man sich auf das Spielfeld der Grünen und der SP begebe, könne man als liberale Partei nichts gewinnen. Der originär liberale Ansatz in der Umweltpolitik fehle.
Burkarts Meinung wird in dieser Schärfe nicht von vielen in der FDP-Fraktion des Bundesparlaments geteilt. Weit verbreitet ist jedoch die Ansicht, dass die Parteispitze in letzter Zeit wenig pointiert aufgetreten sei mit Positionsbezügen. «Wir waren relativ passiv im Kampf gegen die Begrenzungsinitiative, und wir sind es nun auch in der Ablehnung der Konzernverantwortungsinitiative – mit Ausnahme von Bundesrätin Karin Keller-Sutter», sagt ein Nationalrat. Stattdessen mache die FDP mit unklaren Haltungen zum Vaterschaftsurlaub von sich reden – oder zum Rahmenvertrag mit der EU.
In der Partei findet zurzeit ein europapolitisches Seilziehen statt. Die Fraktion hatte im Februar 2019 «Ja aus Vernunft» zum Rahmenvertrag gesagt und Präzisierungen am Abkommen verlangt. Alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann gab vor Wochen eine überraschend negative Einschätzung des Vertrags ab. Nun finden viele Freisinnige, die Partei solle Neuverhandlungen mit der EU fordern. Die Fraktion trifft sich am Donnerstag, um darüber zu diskutieren – und vielleicht um eine neue Position festzulegen.
Für das EU-Dossier ist im Bundesrat Ignazio Cassis zuständig. Das sei ein Problem, finden einige in der Fraktion. Denn der Aussenminister schwanke zuweilen in seinen Haltungen. Seine Verbindung zur Parteispitze sei eng – in Cassis’ Departement steigt die Zahl der Angestellten, die vorher in der FDP-Zentrale gearbeitet hatten. Zu Bundesrätin Keller-Sutter hingegen habe die FDP-Leitung ein zwar korrektes, aber eher distanziertes Verhältnis. Ein Nationalrat moniert:
Auch die Arbeit von Fraktionschef Beat Walti stösst intern auf Kritik. Er moderiere Konflikte, statt Entscheide herbeizuführen und dann darauf zu pochen, dass sich alle daran halten. Die vormalige Fraktionschefin Gabi Huber sei zuweilen laut geworden; von Walti höre man höchstens, dass etwas «suboptimal gelaufen» sei. Diesen Beanstandungen halten einige Fraktionsmitglieder entgegen, dass die Atmosphäre in der Fraktion besser sei als früher.
Parteipräsidentin Gössi hat derweil erneut eine Mitgliederbefragung durchführen lassen. Nach Ansicht von Nationalrat Christian Wasserfallen zeigt dies, dass die Partei «keine klare Strategie» habe. Die FDP solle sich rechts der Mitte auf Kernthemen in der Wirtschaftspolitik, der Sicherung der Sozialwerke und auch der Digitalisierung konzentrieren.
Profilieren will sich die FDP mit der Initiative der Jungfreisinnigen für eine Erhöhung des Rentenalters. 35'000 Unterschriften sind bisher gesammelt worden – die Partei muss sich anstrengen, will sie bis Juli 2021 die erforderliche Zahl von 100'000 beibringen.
Einige Freisinnige weisen darauf hin, dass auch die anderen Bundesratsparteien zurzeit Wahlverluste registrierten. Im Kampf um die beiden Sitze im Bundesrat hilft das allerdings wenig.
Es liegt daran, dass immer mehr Leute verstehen welche Probleme uns die Privatisierungen und Deregulierungen der letzten Jahrzehnte bereiten.