Die Fusion mit der BDP biete der CVP gewisse Chancen, aus dem katholischen Ghetto herauszukommen. «Sie muss etwas ändern, wenn sie das will», sagt Politologe und Geograf Michael Hermann. «Die Fusion ist eine Chance, mehr Stimmen in der Mitte zu gewinnen.» Dieses Feld sei allerdings «nicht sehr gross».
Hermann sieht dafür beträchtliche Risiken für die CVP. «Es besteht die Gefahr, dass die CVP in ihren Hochburgen verliert, wo sie heute in den Exekutiven, in den Parlamenten und im Ständerat so stark vertreten ist.»
Neu ist die CVP mit 37 Regierungsräten auf Rang eins der stärksten Parteien in den kantonalen Regierungen. Seit der Abwahl Christian Amslers aus der Schaffhauser Regierung am letzten Sonntag liegt die FDP in dieser Rangierung mit 36 Mandaten hinter der CVP. Die FDP befindet sich auf einer eigentlichen Talfahrt. Sie verlor seit Anfang
2019 41 Exekutivsitze. SP und SVP folgen auf den Rängen drei und vier mit 32 respektive 25 Regierungsräten. Dies machte der «Tages-Anzeiger» publik.
Eine herausragende Stellung nimmt die CVP auch im Ständerat ein. Sie vertritt darin 13 Kantone und liegt an erster Stelle, ebenfalls vor der FDP mit 12 Mandaten, der SP (9 Mandate) und der SVP (7 Mandate). Zwischen 2008 und 2011 hatte die CVP gar 16 Ständeratsmandate. Sie stellte letztmals 2003 nicht die grösste Ständeratsfraktion: Die FDP hatte damals 18 Mandate, die CVP kam auf 15.
Die CVP drohe diese Stellung im Ständerat zu verlieren, glaubt Michael Hermann. Sie könnte in ihren Hochburgen «zu einer mittelgrossen Ergänzungspartei werden». Als Partei der konfessionellen Minderheit habe sie es zwar bisher nie geschafft, aus dem katholischen Ghetto herauszukommen. Hermann: «So schlecht ist dieses Ghetto allerdings gar nicht. Es gibt mehr Katholiken als Reformierte.»
CVP und BDP hatten schon 2015 eine Annäherung versucht. «Damals wäre es eine Fusion auf Augenhöhe gewesen», sagt Hermann. «Der konfessionelle Graben verunmöglichte aber ein Zusammengehen von CVP und BDP. Vor allem die BDP des Kantons Bern war noch sehr stark reformiert geprägt.»
2015 sagte Hermann in einem Interview mit Watson, die CVP tendiere nach rechts, ihr liberal-sozialer Flügel sei auf nationaler Ebene im Aussterben begriffen. Bei der BDP hingegen beobachtete er ein Schielen nach Mitte-links. «Parteipräsident Martin Landolt zielt auf die Mitte-links-Wähler und kommuniziert entsprechend», betonte er auf Watson.
«Aber die BDP steht irgendwo zwischen FDP und CVP. Sie ist eine Landpartei, die sich häufig für Strukturerhaltung einsetzt, etwa in der Landwirtschaft, und sehr armeefreundlich politisiert.»
Heute sieht Hermann Veränderungen bei der Positionierung der beiden Parteien, die fusionieren wollen. Die CVP sei, wie er schon 2015 sagte, konservativer geworden als früher. Das gelte inzwischen aber genauso für die BDP, die phasenweise der GLP nachgeeifert habe.
«Beide haben auch eine eher ländliche und wertkonservative Wählerschaft.» Nur sei heute das Zusammengehen zwischen CVP und BDP eine «Fusion der Verzweiflung». Hermann: «Die BDP ist eine Art Konkursmasse und damit günstig zu haben.»
Die CVP und ihr C lässt sich nur bedingt mit Deutschland und Österreich vergleichen. «Die CDU hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg neu erfunden und sich damit sehr früh auch als reformierte Partei positioniert», sagt Michael Hermann.
Und Österreich ist ein katholisches Land. 2019 waren von 8.9 Millionen Einwohnern knapp fünf Millionen oder 56 Prozent Katholiken. Der Anteil der Reformierten betrug nur 284000 oder 3.2 Prozent. Auch CVP-Präsident Gerhard Pfister sagt im Interview, das C habe in der CDU/CSU keine Rolle gespielt, ganz anders als bei der CVP. (bzbasel.ch)
Ich erhoffe mir eine gemässigte, gut wählbare Mittepartei (quasi eine Alternative zu allen anderen gar?).