Schweiz
Gesundheit

Coronavirus: So bereiten sich Schweizer Spitäler das Schlimmste vor

Corona-Abklärungen werden im Spital Bülach in einem Container gemacht.
Corona-Abklärungen werden im Spital Bülach in einem Container gemacht. bild: zvg / spital bülach

«Ruhe vor dem Sturm» – wie sich ein Deutschschweizer Spital auf Coronawelle vorbereitet

Die Vorbereitungen auf die grosse Corona-Welle in den Deutschschweizer Spitälern läuft auf Hochtouren. Thomas Langholz, Mediensprecher des Spitals Bülach im Zürcher Unterland, berichtet von intensiven Tagen, logistischen Herausforderungen und kleinen Freuden während einer stressigen Zeit.
26.03.2020, 09:1026.03.2020, 20:29
Helene Obrist
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Herr Langholz, das Spital Bülach ist mit 200 Betten und 1200 Mitarbeitenden der medizinische Grundversorger für das Zürcher Unterland. Wie bereitet man sich auf die Corona-Welle vor?
Thomas Langholz: Die Vorbereitungen auf den Anstieg der Corona-Patienten laufen auf Hochtouren. Es herrscht allerdings noch Ruhe vor dem Sturm.

Wann rechnen Sie mit einem Anstieg der Patienten?
Das ist schwierig zu sagen, die Prognosen sind sehr unterschiedlich. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Patienten in fünf bis zehn Tagen stark ansteigen wird.

«Ein Operationssaal wurde stillgelegt und für die Intensivpflege inklusive Beatmungsgeräte vorbereitet.»

Wie hat sich das Spital konkret auf einen solchen Anstieg vorbereitet?
Ein erster Schritt war es, Corona-Verdachtsfälle und positiv getestete Personen von den anderen Patienten strikt zu trennen. Der Notfallparkplatz des Spitals ist derzeit speziell für Corona-Abklärungen eingerichtet worden. Es findet bereits bei der Anfahrt eine Triage der Patienten statt. Ein Zivilschützer weist Patienten zu einem anderen Eingang, wenn sie keine Corona-Symptome haben. Getestet wird in speziell für Corona-Verdachtsfälle eingerichtetem Container auf dem Parkplatz. Auch die Zufahrt für den Rettungsdienst und andere Notfälle sind räumlich von den mutmasslichen Corona-Patienten getrennt.

Thomas Langholz ist Leiter Kommunikation und Marketing im Spital Bülach.
Thomas Langholz ist Leiter Kommunikation und Marketing im Spital Bülach. bild: zvg

Wie sieht es im Innern des Spitals aus? Wurden auch da räumliche Massnahmen getroffen?
Wir haben eine Bettenstation komplett geräumt. Diese dient nun der Behandlung von Corona-Patienten. Aktuell behandeln wir sechs Patienten stationär, die positiv getestet wurden. Ein Operationssaal wurde zudem stillgelegt und für die Intensivpflege inklusive Beatmungsgeräte vorbereitet. Zusätzlich wurden alle nicht lebensnotwendige Operationen, sogenannte «elektive» Eingriffe, wie beispielsweise eine Hüftoperation, verschoben. Notfälle und lebensbedrohliche Eingriffe werden natürlich weiterhin aufgenommen und behandelt. Auch Geburten finden weiterhin statt.

Der Notfallparkplatz wurde für die Corona-Tests umgestaltet. Die Tests finden in einem Container statt.
Der Notfallparkplatz wurde für die Corona-Tests umgestaltet. Die Tests finden in einem Container statt. bild: zvg / spital bülach

Gab es auch Umstrukturierungen beim Personal?
Wir konzentrierten uns vor allem auf zwei Aspekte: Einerseits mussten wir personell Aufstocken, beim Pensum der Mitarbeitenden beispielsweise. Auch neue Leute wurden im Stundenlohn angestellt. Andererseits werden auch Abteilungen, die derzeit stillstehen, umgemünzt. Unsere Physiotherapeutinnen und -therapeuten, die keine Behandlungen mehr vornehmen können, werden nun auf anderen Abteilungen das Pflegefachpersonal unterstützen. Zudem wird zusätzlich Personal für die Intensivpflege minutiös geschult. Dort müssen alle Handgriffe sitzen, wenn die Patientenzahl ansteigt.

Wie informieren Sie die Mitarbeitenden über diese Änderungen?
Wir haben einen Krisenstab mit Ärztinnen und Ärzten, Spitalhygiene, Pflegedirektorin und unserem CEO gebildet. Dieser Stab trifft sich zweimal täglich, informiert danach auch dieMitarbeitende mittels Corona-Bulletin über die aktuelle Situation. Zudem haben wir eineSpital-App mithilfe derer sie Mitarbeitende informieren und Fragen stellen können.

«Unsere Physiotherapeutinnen und -therapeuten, die keine Behandlungen mehr vornehmen können, werden nun auf anderen Abteilungen das Pflegefachpersonal unterstützen.»

Wie waren die Reaktionen auf diese aussergewöhnliche Situation?
Der Zusammenhalt ist extrem gross, das freut uns wahnsinnig. Alle wollen helfen, wo sie nur können.

Mit einem Plakat bedankt sich die Bevölkerung bei den Mitarbeitenden des Spitals.
Mit einem Plakat bedankt sich die Bevölkerung bei den Mitarbeitenden des Spitals. bild: zvg / spital bülach

Wie garantieren Sie den Schutz der Mitarbeitenden? Haben Sie noch genügend Schutzmaterialen wie Masken und Desinfektionsmittel?
Alle Hygiene- und Distanzregeln werden selbstverständlich akribisch eingehalten. Das ist aber nichts Neues für Spitäler. Auch bei «normalen» Grippepatienten, die hoch ansteckend sind, ist das Personal angehalten, sich nach jedem Kontakt umzuziehen. Auch der Bestand an Schutzmaterialen reicht derzeit aus. Schutzmasken und Handschuhen reichen aktuell noch für drei Wochen. Desinfektionsmittel haben wir zusätzlich 400 Liter selbst hergestellt. Diesbezüglich sind wir auch laufend in Kontakt mit der kantonalen Gesundheitsdirektion und dem Bund, der seinen Lagerbestand bereits geöffnet hat und Kantone und deren Spitäler mit den nötigen Materialen beliefert.

Wie hoch ist aktuell ihre Arbeitsbelastung?
Die liegt derzeit etwa bei zwölf Stunden pro Tag. Es gibt sehr viele verschiedene Dinge zu regeln. Wie schützen wir zum Beispiel Mitarbeitende mit Vorerkrankungen? Oder wie wird der Kantinenbetrieb geregelt, so dass die nötigen Distanzregeln befolgt werden können? Was ist mit Mitarbeitenden, die Grenzgänger sind, dürfen diese auch weiterhin noch arbeiten? Es gibt viele kleine Unsicherheiten, die aus dem Weg geschaffen werden müssen. Aber es gibt auch immer wieder Erfreuliches, das extrem motiviert: Leute die Blumen für das Pflegefachpersonal abgeben, ein Kurier, der für die Mitarbeitenden gratis Pizzas liefert oder Bäckereien, die Gipfeli vorbeibringen möchten. Kürzlich wurde vor dem Spital auch ein Plakat gespannt, dass sich bei den Mitarbeitenden für ihren Einsatz bedankte. Das freut und motiviert uns ungemein!

Was wird in den kommenden Tagen noch auf Sie zukommen?
Das Spital ist gut vorbereitet. Wir haben ausreichend Material, Betten und Beatmungsgeräte. Wann es tatsächlich zum Anstieg der Patienten kommt, können auch wir nicht mit abschliessender Sicherheit sagen. Doch wir tun alles, um den Ansturm an Patienten bewältigen zu können.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese Promis, Sportler und Politiker haben das Coronavirus
1 / 24
Diese Promis, Sportler und Politiker haben das Coronavirus
Marianne Faithfull, britische Sängerin. Der Zustand der 73-Jährigen sei stabil.
quelle: epa/anp kippa / ferdy damman
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Corona-Anweisungen von Grossbritannien's Premier Boris Johnson
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
66 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
die_rote_Zora
26.03.2020 09:55registriert August 2019
Schön das in der Krise alle so toll zusammenhalten - dass genannte Stabsmitglieder aber noch vor einem Monat darüber diskutierten, wo man beim Pflegepersonal noch sparen kann, muss man ja nicht erwähnen...
2687
Melden
Zum Kommentar
avatar
Kyle C.
26.03.2020 09:58registriert Oktober 2014
Interessant, wie er nicht von ob der Ansturm kommt spricht, sondern von wann. Ich hoffe er irrt sich. Damit wäre wohl eine weitere Verschärfung der Massnahmen unausweichlich.
9326
Melden
Zum Kommentar
avatar
{Besserwisser}
26.03.2020 09:49registriert Dezember 2018
Es scheint, als hätten die getroffenen Massnahmen geholfen, den Spitälern etwas Zeit zu verschaffen um sich auf die grosse Welle einzustellen. Bleibt zu hoffen, dass die Kapazität ausreicht.
393
Melden
Zum Kommentar
66
watson gewinnt Podcast-Preis – das sind alle Gewinner der Suisse Podcast Awards 2024

Zum zweiten Mal wurden am Mittwoch, 27. März 2024, die besten Schweizer Podcasts ausgezeichnet. Auf der Shortlist standen 36 Formate, die in 11 verschiedenen Kategorien ausgezeichnet wurden.

Zur Story