Herr Langholz, das Spital Bülach ist mit 200 Betten und 1200 Mitarbeitenden der medizinische Grundversorger für das Zürcher Unterland. Wie bereitet man sich auf die Corona-Welle vor?
Thomas Langholz: Die Vorbereitungen auf den Anstieg der Corona-Patienten laufen auf Hochtouren. Es herrscht allerdings noch Ruhe vor dem Sturm.
Wann rechnen Sie mit einem Anstieg der Patienten?
Das ist schwierig zu sagen, die Prognosen sind sehr unterschiedlich. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Patienten in fünf bis zehn Tagen stark ansteigen wird.
Wie hat sich das Spital konkret auf einen solchen Anstieg vorbereitet?
Ein erster Schritt war es, Corona-Verdachtsfälle und positiv getestete Personen von den anderen Patienten strikt zu trennen. Der Notfallparkplatz des Spitals ist derzeit speziell für Corona-Abklärungen eingerichtet worden. Es findet bereits bei der Anfahrt eine Triage der Patienten statt. Ein Zivilschützer weist Patienten zu einem anderen Eingang, wenn sie keine Corona-Symptome haben. Getestet wird in speziell für Corona-Verdachtsfälle eingerichtetem Container auf dem Parkplatz. Auch die Zufahrt für den Rettungsdienst und andere Notfälle sind räumlich von den mutmasslichen Corona-Patienten getrennt.
Wie sieht es im Innern des Spitals aus? Wurden auch da räumliche Massnahmen getroffen?
Wir haben eine Bettenstation komplett geräumt. Diese dient nun der Behandlung von Corona-Patienten. Aktuell behandeln wir sechs Patienten stationär, die positiv getestet wurden. Ein Operationssaal wurde zudem stillgelegt und für die Intensivpflege inklusive Beatmungsgeräte vorbereitet. Zusätzlich wurden alle nicht lebensnotwendige Operationen, sogenannte «elektive» Eingriffe, wie beispielsweise eine Hüftoperation, verschoben. Notfälle und lebensbedrohliche Eingriffe werden natürlich weiterhin aufgenommen und behandelt. Auch Geburten finden weiterhin statt.
Gab es auch Umstrukturierungen beim Personal?
Wir konzentrierten uns vor allem auf zwei Aspekte: Einerseits mussten wir personell Aufstocken, beim Pensum der Mitarbeitenden beispielsweise. Auch neue Leute wurden im Stundenlohn angestellt. Andererseits werden auch Abteilungen, die derzeit stillstehen, umgemünzt. Unsere Physiotherapeutinnen und -therapeuten, die keine Behandlungen mehr vornehmen können, werden nun auf anderen Abteilungen das Pflegefachpersonal unterstützen. Zudem wird zusätzlich Personal für die Intensivpflege minutiös geschult. Dort müssen alle Handgriffe sitzen, wenn die Patientenzahl ansteigt.
Wie informieren Sie die Mitarbeitenden über diese Änderungen?
Wir haben einen Krisenstab mit Ärztinnen und Ärzten, Spitalhygiene, Pflegedirektorin und unserem CEO gebildet. Dieser Stab trifft sich zweimal täglich, informiert danach auch dieMitarbeitende mittels Corona-Bulletin über die aktuelle Situation. Zudem haben wir eineSpital-App mithilfe derer sie Mitarbeitende informieren und Fragen stellen können.
Wie waren die Reaktionen auf diese aussergewöhnliche Situation?
Der Zusammenhalt ist extrem gross, das freut uns wahnsinnig. Alle wollen helfen, wo sie nur können.
Wie garantieren Sie den Schutz der Mitarbeitenden? Haben Sie noch genügend Schutzmaterialen wie Masken und Desinfektionsmittel?
Alle Hygiene- und Distanzregeln werden selbstverständlich akribisch eingehalten. Das ist aber nichts Neues für Spitäler. Auch bei «normalen» Grippepatienten, die hoch ansteckend sind, ist das Personal angehalten, sich nach jedem Kontakt umzuziehen. Auch der Bestand an Schutzmaterialen reicht derzeit aus. Schutzmasken und Handschuhen reichen aktuell noch für drei Wochen. Desinfektionsmittel haben wir zusätzlich 400 Liter selbst hergestellt. Diesbezüglich sind wir auch laufend in Kontakt mit der kantonalen Gesundheitsdirektion und dem Bund, der seinen Lagerbestand bereits geöffnet hat und Kantone und deren Spitäler mit den nötigen Materialen beliefert.
Wie hoch ist aktuell ihre Arbeitsbelastung?
Die liegt derzeit etwa bei zwölf Stunden pro Tag. Es gibt sehr viele verschiedene Dinge zu regeln. Wie schützen wir zum Beispiel Mitarbeitende mit Vorerkrankungen? Oder wie wird der Kantinenbetrieb geregelt, so dass die nötigen Distanzregeln befolgt werden können? Was ist mit Mitarbeitenden, die Grenzgänger sind, dürfen diese auch weiterhin noch arbeiten? Es gibt viele kleine Unsicherheiten, die aus dem Weg geschaffen werden müssen. Aber es gibt auch immer wieder Erfreuliches, das extrem motiviert: Leute die Blumen für das Pflegefachpersonal abgeben, ein Kurier, der für die Mitarbeitenden gratis Pizzas liefert oder Bäckereien, die Gipfeli vorbeibringen möchten. Kürzlich wurde vor dem Spital auch ein Plakat gespannt, dass sich bei den Mitarbeitenden für ihren Einsatz bedankte. Das freut und motiviert uns ungemein!
Was wird in den kommenden Tagen noch auf Sie zukommen?
Das Spital ist gut vorbereitet. Wir haben ausreichend Material, Betten und Beatmungsgeräte. Wann es tatsächlich zum Anstieg der Patienten kommt, können auch wir nicht mit abschliessender Sicherheit sagen. Doch wir tun alles, um den Ansturm an Patienten bewältigen zu können.