Die psychischen Folgen von Corona sind da. Sie sind aktuell. Und sie bleiben. Im Schatten der politischen Entscheidungen, die sich seit Monaten um Kurzarbeit und Spitalbetten auf Intensivstationen drehen, wächst die Anzahl Menschen, die in der Krise eine psychische Störung entwickeln, rasant an.
Die neueste Umfrage der Universität Basel zur psychischen Belastung in der zweiten Covid-19-Welle zeigt: Der psychische Stress hat im Vergleich zum Frühjahr nochmals deutlich zugenommen. Der Anteil Personen mit schweren depressiven Symptomen betrug während des Lockdowns im April rund 9 Prozent und stieg im November auf 18 Prozent. Besonders stark betroffen sind junge Leute und Personen, die durch die Pandemie finanzielle Einbussen erfahren.
Sind die Bedürfnisse nach Kontrolle und Orientierung ungestillt, gerät der Mensch in eine tiefe Krise. Deshalb ist Halt so wichtig
Eine Umfrage von CH Media bei Psychiatrischen Kliniken in verschiedenen Regionen der Schweiz zeigt, dass diese seit Monaten mit einer erhöhten Nachfrage kämpfen – vor allem im ambulanten Bereich. Die Wartezeit in einzelnen Ambulatorien der Luzerner Psychiatrie beträgt aktuell sogar sechs Monate.
Die Krise habe «zentrale psychische Grundbedürfnisse wie das nach Kontrolle und Orientierung stark in Frage gestellt», schreibt die Chefärztin Ambulante Dienste der Luzerner Psychiatrie, Kerstin Gabriel Felleiter. Die «weiterhin prekäre Ausgangslage» führe auch durch die stetig wechselnden Informationen zu einer starken Verunsicherung. Es sei aktuell nicht absehbar, welche psychischen Folgen vor allem auch die mögliche wirtschaftliche Krise auf die Menschen in der Schweiz habe.
Wer keine Behandlung erhält, läuft dabei Gefahr, dass sich der Zustand verschlechtert. Psychische Probleme, die schon vor Corona bestanden, verschlimmern sich, Wahnvorstellungen erhalten durch Corona eine neue Prägung, Patienten berichten vermehrt von posttraumatischen und allgemeinen Stresssymptomen im Alltag. Bereits die erste Welle hinterliess Spuren bei den Menschen.
Vor allem Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiater schlugen bereits im November 2020 Alarm: Die Nachfrage nach Hilfe könnte bald das Angebot übersteigen, die Jugendpsychiatrien sind voll, alleine das Universitätsspital Lausanne meldete eine Zunahme von stationären Behandlungen im psychiatrischen Bereich um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Häufigkeit schwerer depressiver Symptome beträgt bei den 14–24-Jährigen aktuell 29 Prozent. Das heisst gemäss der Studie der Universität Basel: Jeder dritte Jugendliche in der Schweiz ist derzeit betroffen.
Erste Studien und Beobachtungen weisen darauf hin, dass die langanhaltende Coronakrise jedoch auch bei anderen Altersklassen und über längere Zeiträume hinweg zu einer Zunahme an psychischen Belastungen führt – allen voran Angststörungen, Depressionen, Suchterkrankungen und Zwangsstörungen, bestätigt auch die Chefärztin Katja Cattapan vom Sanatorium Kilchberg.
Vieles, warnt sie, sei noch unsichtbar. Und nennt ein paar Beispiele: Der Schmerz der Trauernden, die sich nicht von Verstorbenen verabschieden konnten, Einsamkeit aufgrund von Isolation, der Verlust des Arbeitsplatzes, die schwerwiegenden Belastungen, denen das Gesundheitspersonal ausgesetzt ist. Cattapan sagt:
Die Krise habe, könne man sich darauf einlassen, auch ihr Gutes. Eine Rückbesinnung auf Werte wie Gemeinschaft und Natur, beispielsweise.
Sie plädiert, wie viele andere Ärzte und Ärztinnen auch, dafür, dem Gefühl von Kontrollverlust mit Mechanismen von Sicherheit zu begegnen. Privat, aber auch auf politischer und wirtschaftlicher Ebene. Klare Kommunikation von Seiten der Politik sei nun sehr wichtig, sagt auch Erich Seifritz, Klinikdirektor an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Er sagt auch: «Die Situation ist angespannt, jedoch noch stemmbar.» Dramatisierung sei fehl am Platz – und das Hilfsnetzwerk in der Schweiz, beispielsweise durch psychotherapeutische Intervention per Videotelefonie, gut.
Sich in einer Pandemie zu sorgen, sei bis zu einem gewissen Grad eine gesunde Reaktion auf eine bedrohliche Situation, so Seifritz. Dennoch müsse man die Situation im Auge behalten. «Wir wissen beispielsweise aus der Forschung, dass Arbeitslosigkeit eine dramatische psychische Belastung darstellt, welche unter anderem zu erhöhter Suizidalität führt.»
Mütter mit Burnout, Lehrer, Covid-Überlebende: Plötzlich kommen Menschen in die Klinik, die davor nie in Behandlung waren
Von Normalität, sagt Chefärztin Katja Cattapan vom Sanatorium Kilchberg, könne nicht gesprochen werden. «Auch im Sommer war keine Normalität – auch wenn man das vielerorts gerne so genannt hat», so die Ärztin. Die Auslastung werde auch nach der Krise auf hohem Niveau bleiben. Sie hätten nun einige Patientinnen und Patienten bei sich, die davor nie erkrankt waren. Mütter mit Burnout-Symptomen, Lehrer, Menschen, die wegen Covid beatmet werden mussten. Cattapan sagt:
Stephan Buechi, Ärztlicher Direktor der Privatklinik Hohenegg, sieht das ähnlich. Und verweist darauf, dass viele psychische Erkrankungen nicht als solche erkannt würden. «Viele Menschen gehen zum Arzt wegen Schlafstörungen, Magenproblemen, Rückenschmerzen – die psychosomatischen Probleme fallen gar nicht erst in die Kategorie der Psychiatrien – dabei sind sie genauso Ausdruck eines erhöhten Stresslevels. Und haben eine psychische Komponente», so Buechi. Das therapeutische System werde wohl nicht zusammenbrechen. Der Mensch hingegen viel eher.
Ob nun Maske welche einen Grossteil der Mimik zerstört, fehlende Treffen mit Freunden - nicht nur Ausgang oder ein nicht vorhandenes Freizeitangebot. Junge Menschen leiden darunter sehr stark. Noch schlimmer wer nicht einen Partner gefunden hat.
Suizid ist der einfachste Ausweg aus dieser hoffnungslosen Lage. Wenn leider ein trauriger der unnötig viel Leid verursacht.