Mitte September in Dänemark. In einer grossangelegten TV-Show wird zu Spenden für die Aufforstung aufgerufen. In Sachen Wald hinken die Skandinavier dem europäischen Mittel hinterher. Deshalb wurde 1989 beschlossen, die Waldfläche bis 2100 von 12,8 auf 25 Prozent zu vergrössern. Bis vor drei Jahren war man auf Kurs. Dann geriet die Aufforstung ins Stocken – und deshalb pflanzt Premierministerin Mette Frederiksen im landesweiten Fernsehen nun feierlich einen Baum.
Bis zum Ende der Show spenden die Dänen umgerechnet drei Millionen Franken. Damit werden im Königreich ab Oktober etwas über 900'000 Bäume gepflanzt. Fürs Klima. Denn Bäumepflanzen hilft.
Laut einer ETH-Studie, die kürzlich im Wissenschaftsmagazin «Science» publiziert wurde, könnte eine weltweite Aufforstung um einen Drittel des momentanen Bestandes (von 2,8 Milliarden Hektaren auf 3,7 Milliarden Hektaren) zwei Drittel der CO2-Menge binden, die sich vom weltweiten Ausstoss seit der Industrialisierung immer noch in der Atmosphäre befindet (205 von 300 Gigatonnen). Im Kampf gegen den Klimawandel wäre das eine enorme Entlastung.
Doch wie viel sind 900'000 Bäume? Wie viel CO2 kann damit gebunden werden? Und wieso starten wir Schweizer nicht auch so eine Aktion?
Die etwas dümmliche Antwort lautet: fast eine Million. Gehen wir davon aus, dass die dänische Gärtnerei jeden zehnten Baum gratis gibt – und rechnen wir in Zukunft kulant mit einer Million Bäume.
Die Schweiz (41’285 km²) und Dänemark (42’933 km²) verfügen über fast identische Landgrössen. Anders verhält es sich mit der Waldfläche. In Dänemark nimmt Wald nur gerade 14,5% (6225 km²) der Landesfläche ein. In der Schweiz aber rund einen Drittel (31% / 12'800 km²).
Wie viel CO2 ein Baum speichert, hängt von verschiedenen Faktoren wie der Holzdichte, dem Standort, dem Alter usw. ab. Junge Bäume binden weniger CO2 als alte und zum Beispiel Buchen mehr als Fichten. Eine eindeutige Antwort auf die Frage gibt es deshalb leider nicht.
Eine Faustformel besagt aber: Es werden ca. 80 Bäume benötigt, um in einem Jahr eine Tonne CO2 zu binden. Mit einer Million Bäumen lassen sich laut dieser Berechnungsmethode also pro Jahr 12'500 Tonnen CO2 (zwischen-) speichern.
Eine andere Faustformel besagt aber: Eine Hektare Wald in Deutschland (0,01 km²) speichert pro Jahr über alle Altersklassen hinweg ca. 13 Tonnen CO2. In der Schweiz bilden eine Million Bäume ca. 24 km² Wald (12'800 km2 / 535). Das bedeutet, dass so pro Jahr 31'103 Tonnen CO2 gespeichert werden können ([24 / 0,01] × 13 Tonnen).
Leider zeigen die beiden Methoden auch, wie ungenau solche Berechnungen sind. Die Wahrheit wird wohl irgendwo in der Mitte liegen – nehmen wir an bei 23'612 Tonnen.
Die Swiss fliegt mit einem A330-300 nach New York. Ein solches Flugzeug bietet 183 Economy- , 45 Business- und 8 First-Class-Sitze an. Laut MyClimate werden je nach Klasse 2 Tonnen, 3,9 Tonnen oder 6,1 Tonnen CO2 pro Passagier produziert. Macht nach Adam Riese pro Flug (366 + 175,5 + 48,8) 590,3 Tonnen.
Die eine Million europäische Bäume speichern also jährlich ca. die Emissionsmenge von 40 Hin- und Rückflügen (23'612 / 590,3) von Zürich nach New York.
Gedankenspiel: Müssten die so transportierten 9440 Personen (40 × 236) für die Kosten der Bäume aufkommen, betrüge der Preisaufschlag 317.80 Franken pro Ticket. Geht eigentlich noch.
In der Schweiz nimmt die Waldfläche jedes Jahr natürlich zu – vor allem dank Zuwachs in den Alpengebieten. Und zwar rund um die Fläche des Thunersees (48,3 km²). Das entspricht einem jährlichen Plus von ungefähr zwei Millionen Bäumen – also der doppelten Anzahl der Spendenbäume von Dänemark.
Für Urs Wehrli, Pressechef von WaldSchweiz, würde eine Spendenaktion wie in Dänemark in der Schweiz wenig Sinn machen: «Es ist wichtiger, dass der bestehende Wald so gepflegt wird, dass er möglichst viel CO2 binden kann. Der Förster kann das mit Massnahmen steuern. Für grösser angelegte Aktionen fehlt hier schlicht der Platz.»
In ein ähnliches Horn bläst man beim Bundesamt für Umwelt (Bafu): «Ausserhalb des Waldes in der Schweiz ist es im Mittelland kaum möglich, bei dem knappen zur Verfügung stehenden Land freie Flächen zur Aufforstung zu finden», heisst es auf Anfrage von watson. Als weiteren Hauptgrund, der gegen eine grossangelegte koordinierte Aufforstung spricht, nennt das Bafu jahrzehntelange hohe Kosten des Unterhalts für die Landbesitzer.
Auch beim WWF Schweiz spricht man sich nicht wirklich dezidiert für eine gezielte Aufforstung hierzulande aus, verweist aber darauf, dass der weltweite Waldbestand rückläufig ist: «Die grosse Herausforderung besteht darin, zu verstehen, wie und wo ehemalige Wälder in grossem Stil wieder aufgeforstet werden können, um langfristig Kohlenstoff zu binden.»
Irland will in den nächsten 20 Jahren 440 Millionen Bäume pflanzen – das sind etwas andere Dimensionen. Dafür müssen auch private Landwirte ihr Land hergeben. Diese sind darüber selbstredend nicht begeistert – und erhalten erstaunliche Rückendeckung vom Naturschutzverband Irish Wildlife Trust (IWT): «Menschen sind nicht gut darin, Bäume zu pflanzen, und Bäume mögen es nicht, gepflanzt zu werden. Sie ziehen es vor, sich selbst zu pflanzen. Wir haben eine mentale Blockade, wenn es darum geht, der Natur ihren Lauf zu lassen. Wir sehen einen natürlich neu gewachsenen Raum, und wir denken, es ist Gestrüpp und Ödland, und wir möchten ihn wieder in den Griff bekommen, während der Wald ganz von alleine zurückkehren würde, wenn wir ihn einfach in Ruhe lassen», sagte der IWT-Kampagnenbeauftragte Pádraic Fogarty gegenüber «The Irish Independent».
Irland war einst bis zu 80 Prozent mit Wald bedeckt, 2012 waren es noch 11 Prozent, was aber immerhin dem höchsten Stand seit 350 Jahren entspricht.
Anders als der IWT denkt man übrigens in Äthiopien. Der afrikanische Binnenstaat stellte Ende Juli einen Weltrekord auf: An einem Tag wurden dort 350 Millionen Bäume gepflanzt. Rund 23 Millionen Menschen sollen sich an der Aktion beteiligt haben. Und im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh pflanzten über eine Million Schüler an einem Tag 220 Millionen neue Bäume.
Auch Deutschland will (und muss) aufforsten. Dort wurde im Sommer 2018 1100 km2 Wald vernichtet. 2019 sollen es laut Schätzungen gar 2500 km2 sein. Die einheimische Fichte kommt mit den Auswirkungen des Klimawandels besonders schlecht klar. Noch wird diskutiert, welche Bäume sie ersetzen sollen.
Gewisse, kaum erschlossene Täler in der Schweiz der Natur überlassen. Wald wird sich natürlich ausbreiten und man spart massiv Infrastrukturkosten.
Es macht meiner Meinung nach wenig Sinn, jedes Seitental mit 10 Hüttchen eine Infrastruktur von guten Strassen, Wasserleitungen, Stromleitungen etc. aufrecht zu erhalten.
Selbstverständlich sind die Bewohner hierfür zu entschädigen.
Da ist Felsen, Eis, Geröll, Magerwiesen, weiter unten dann schon niederes Gebüsch, wie Heidelbeeren, Alpenrosen und was sonst noch dazu gehört.