Badeanzug, Handtuch und Corona-Impfpass einpacken und dann in diesem Sommer nach Mallorca, Madeira oder Mykonos? Schön wär's. An diesem Donnerstag beraten die 27 EU-Staaten bei einem Videogipfel, ob und wie sie ein gemeinsames Dokument zum Nachweis von Corona-Impfungen einführen. Dass sie jetzt schon Privilegien wie einfacheres Reisen an einen solchen EU-Impfpass knüpfen, ist aber unwahrscheinlich.
Den Anstoss gab der Ministerpräsident des Urlauberlands Griechenland, Kyriakos Mitsotakis. Er plädierte für einen EU-weit gültigen Impfpass und forderte: «Die Personen, die geimpft sind, müssen frei reisen dürfen.» Die EU-Kommission hat dazu einen Vorschlag gemacht, den die EU-Staats- und Regierungschefs jetzt prüfen: Bis Ende Januar sollen sich die 27 auf ein gemeinsames Vorgehen bei «Impfzertifikaten» einigen. Ob damit einfacheres Reisen oder andere Privilegien verbunden wären, liess die Kommission offen.
Zum Beispiel Spanien, ebenfalls ein Urlauberland. «Das könnte zur Wiederherstellung der Mobilität auf europäischer Ebene beitragen», sagte Tourismusministerin Reyes Maroto. Portugal reagierte ebenfalls positiv. Andere Länder zögern, auch Deutschland. Europastaatsminister Michael Roth hält ein Impfzertifikat für wichtig. «So weit sind wir aber leider noch nicht.» Noch seien zu wenige geimpft, zu viele Fragen offen. Ungeklärt ist vor allem, ob Geimpfte andere anstecken können.
Die Erwartung ist: Entscheidung für ein einheitliches Dokument, aber noch keine über die Nutzung – so sagte es ein EU-Vertreter am Mittwoch. Unklar ist, ob der gelbe Impfpass der Weltgesundheitsorganisation gemeinsamer Nenner werden könnte. Welche Daten erfasst werden und wie, soll genau diskutiert werden.
Privilegien für Geimpfte, das könnte eine Impfpflicht durch die Hintertür bedeuten und die Gesellschaft spalten – so argumentierte der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) schon länger. Als Aussenminister Heiko Maas (SPD) nun forderte, Geimpften den Besuch von Restaurants oder Kinos zu erlauben, schlug ihm viel Kritik entgegen. Die wichtigsten Argumente: Solange nicht jeder Zugang zur Impfung hat, wären Vorteile unfair. Zudem könne dies Vertrauen in die Politik untergraben, die immer wieder betont hat, Impfen sei freiwillig. Die deutsche FDP-Europapolitikerin Nicola Beer fordert jedoch ebenfalls, Grundrechte von Geimpften nicht unnötig lang einzuschränken.
Experten beantworten dies nicht eindeutig. Das hänge «von einer Vielzahl von Faktoren ab, über die zum jetzigen Zeitpunkt noch keine verlässliche Aussage getroffen werden kann», heisst es im deutschen Bundesjustizministerium. Ministerin Christine Lambrecht (SPD) meint, bis zur Klärung der Frage, ob auch nach der Impfung eine Infektion weitergeben können, verbiete sich eine unterschiedliche Behandlung von Geimpften und Nicht-Geimpften. Sonderregeln gibt es allerdings längst. «So werden schon heute häufig negative Corona-Tests von Reisenden gefordert – zum Beispiel von zahlreichen Kreuzfahrtunternehmen», teilt der Deutsche Reiseverband (DRV) mit.
Auch wenn der DRV die Impfungen als «Licht am Ende des Tunnels» sieht – von Rettung ist nicht die Rede. «Es wird noch eine Weile dauern, bis alle, die sich auch impfen lassen möchten, geimpft sein werden», so der Verband. Für die Übergangszeit müsse die Politik rasch eine Strategie präsentieren, wie Reisen sicher möglich seien.
Muss nicht sein. Die EU-Kommission hält eine Impfrate von 70 Prozent der Erwachsenen in der EU bis zum Sommer für machbar – wobei «Sommer» eine Spanne zwischen Juni und Ende August bedeutet. Der Gipfel wird zeigen, ob sich die 27 das zutrauen. Als Risiko gelten die neuen, hoch ansteckenden Virusmutationen, die die Impfungen zum Wettlauf mit der Zeit machen könnten. Wird eine so hohe Impfrate tatsächlich erreicht, wäre dies aus Sicht der Kommission die «Wende» im Kampf gegen die Pandemie – und könnte auch den Sommerurlaub retten.
Dies ist derzeit noch unbekannt. Allerdings können Covid-19-Geimpfte ihre Daten auf «myCovidvac» eintragen und sich einen Impfausweis erstellen lassen – alles auf freiwilliger Basis. Gemäss des Bundesamts für Gesundheit seien in Zukunft allerdings spezifische Zertifikate nötig, um weltweit die Echtheit von Impfbescheinigungen überprüfen zu können. «Derzeit laufen Abklärungen, wie eine Covid-19-Impfung ausgewiesen werden kann», sagte eine BAG-Sprecherin gegenüber der Aargauerzeitung.
(saw/sda/dpa)
Ich finde es unverantwortlich, hier von "Privilegien" zu sprechen. Es gehört zu den gesetztlich verbrieften Grundrechten, sich in Europa frei bewegen zu können.
Wenn es die Pandamie erfordert, bin ich gerne bereit, auf Grundrechte zu verzichten und kürzer zu treten. Aber ein Grundrecht wahrzunehmen, ist kein verdammtes Privileg!
Um eine Pandemie zu meistern, braucht es Solidarität. Aber wir sollten nicht mit falscher Solidarität den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden.