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US-Wahlen: Das bedeutet die Abwahl Donald Trumps für das globale Klima

Democratic presidential candidate and former Vice President Joe Biden speaks about climate change and wildfires affecting western states, Monday, Sept. 14, 2020, in Wilmington, Del. (AP Photo/Patrick  ...
Der designierte US-Präsident Joe Biden setzt sich für mehr Klimaschutz ein. Bild: keystone
Interview

ETH-Forscher erklärt: So bedeutend ist die Trump-Abwahl für den Klimaschutz

Trump hat punkto Umweltpolitik einen Trümmerhaufen hinterlassen. Der Schweizer Klimaforscher Reto Knutti sagt, wie der Klima-Plan von Joe Biden aussieht und was die Schweiz punkto Klimaschutz von den USA lernen kann.
10.11.2020, 20:0211.11.2020, 13:45
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Herr Knutti, Joe Biden vertreibt Klimaleugner Trump aus dem Weissen Haus. Wie gross ist Ihre Erleichterung?
Mir ist aus verschiedenen Gründen ein Stein vom Herzen gefallen: Ein globales Problem wie den Klimaschutz kann man nur lösen, wenn die USA beim Pariser Abkommen mit an Bord sind. Weiter hat Trump die Wissenschaft bewusst infrage gestellt. Biden macht das Gegenteil. Es ist ein entscheidender Schritt, dass wissenschaftliche Fakten in der Klimadiskussionen wieder einen entsprechenden Stellenwert haben. Als Bürger und Vater hat mich die Klimapolitik von Trump zutiefst betrübt. Der Machtwechsel im Weissen Haus ist ein starkes Signal. Gerade weil der Klimaschutz im Wahlkampf eines der dominierenden Themen war.

Inwiefern ist dies bemerkenswert?
Mit seinem Sieg hat Biden einen Wählerauftrag erhalten. Er wird in den kommenden Jahren am Klimaschutz gemessen. Und Biden spricht vielen Amerikanern aus dem Herzen. Vor vier Jahren war Klima im Wahlkampf noch ein Tabu, niemand wollte sich die Finger daran verbrennen. Aber nun hat sich die Wahrnehmung geändert: 63 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner sind besorgt wegen des Klimawandels.

Reto Knutti, professor of climate physics at the Depatment of Environmental Systems Science of the ETH Zurich, pictured in his office at the ETH Institute for Atmospheric and Climate Science in Zurich ...
Reto Knutti ist Klimaforscher an der ETH-Zürich. Bild: KEYSTONE

Wie sieht der Klimaplan von Biden überhaupt aus?
Er will bis 2050 das Ziel von Netto Null CO2-Emissionen erreichen. Konkret hat er einen Plan angekündigt, in dem er 2000 Milliarden US-Dollar, respektive 500 Milliarden pro Jahr in die Klima-, Umwelt- und Energiepolitik, Entwicklung und Massnahmen investieren will. Dazu gehört die Reduktion von Gebäudeemissionen, die Einführung von neuen Mindeststandards für Fahrzeuge und Geräte, die Elektrifizierung des Strassenverkehrs, Forschung in CO2 freie Energiequellen – inklusive Kernenergie und CO2-Einlagerung – und Vieles mehr.

Das sind grosse Pläne. Wie gross ist der Schaden, den Trump mit seiner Klimapolitik angerichtet hat?
Die Regierung Trump hat in den letzten vier Jahren nicht nur nicht mehr vorwärts gemacht, sondern sogar aktiv Gesetze geändert, die dem internationalen Klimaschutz entgegenlaufen. Und man darf nicht vergessen, dass eine Investition in ein Auto oder ein Kraftwerk oder eine ineffiziente Heizung mit den Neuwahlen nicht vorbei ist: diese Entscheide verursachen Schäden über die ganze Lebensdauer der Infrastruktur, das heisst oft Jahrzehnte. Dasselbe bei den Kompetenzen in der Forschung und den Möglichkeiten internationale Talente anzuziehen. Beides hat gelitten.

«In Kalifornien muss jedes neue Haus eine Solaranlage auf dem Dach haben.»

Biden will bereits am 21. Januar wieder dem Pariser Klimaabkommen beitreten. Ist das realistisch?
Trump hat den erstmöglichen Termin genutzt, um aus dem Übereinkommen von Paris auszutreten, und dies ist am 4. November 2020 vollzogen worden. Biden hat angekündigt, Paris sofort wieder beizutreten. Dem steht seitens der UNO nichts im Weg. In der Praxis wird es jedoch für Biden innenpolitisch schwierig, weil er seine nationalen Verpflichtungen unter dem Pariser Abkommen ganz neu aushandeln muss. Sollte der Senat republikanisch bleiben, dann wird das ein zäher Prozess werden. Mit den Zielen ist es noch nicht getan, es braucht dann ebenfalls Massnahmen und politischen Instrumente, um die Ziele zu erreichen.

Was kann die Schweiz punkto Klimaschutz von den USA lernen?
Kalifornien beispielsweise geht in einigen Sektoren deutlich rascher vor als die Schweiz. Dort muss jedes neue Haus eine Solaranlage auf dem Dach haben. Die Schweiz ist zwar in der Forschung sehr stark. Bei der Umsetzung in die Praxis hapert es jedoch. Das Start-Up-Gen fehlt unserem Land. Zudem sind die politischen Hürden zu hoch. Etwa was die gemeinsame Nutzung von Photovoltaik-Strom angelagt. Die Elektrizitätswerke sitzen auf ihren Pfründen. Der Mut, etwas zu bewegen fehlt. Da können wir von den USA viel lernen.

China hat jüngst angekündigt, seim Klimaziel zu verschärfen. Die USA haben mit der neuen Regierung grossen Einfluss auf die weltweite Klimapolitik. Beginnt nun ein globaler Wettlauf um mehr Klimaschutz?
Viele Länder und Firmen haben gemerkt, wie ernst die Situation ist. Und dass es günstiger kommt, jetzt zu handeln als das Klimaproblem später zu lösen. Es geht für Unternehmen nicht darum, die Welt zu retten. Sondern um Güterabwägungen. Es ist ein kleineres finanzielles Risiko bereits jetzt zu handeln, anstatt zu warten, bis einem die Klimaerwärmung um die Ohren fliegt. Einen globalen Wettlauf würde ich das aber nicht nennen. Denn es gewinnt niemand, wenn jemand der erste ist.

«Es macht keinen Sinn, uns immer nur über das Jahr 2050 zu unterhalten.»

Die Umsetzung des Pariser Abkommens verläuft harzig. Ist das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch erreichbar? Oder wird sich die Erde so oder so stärker erwärmen?
Die 2-Grad-Marke ist technisch machbar, 1,5 Grad ist hingegen extrem schwierig im jetzigen System. Aber eigentlich macht es gar keinen Sinn, uns immer nur über das Jahr 2050 zu unterhalten.

«Klimaschutz ist keine ‹Rocket Science›.»

Wie meinen Sie das?
Einen Masterplan für die kommenden 30 Jahre auszuarbeiten scheint absurd. Niemand weiss genau, wie sich die Welt in den nächsten Jahrzehnten technisch und gesellschaftlich verändert. Entscheidend ist, dass wir jetzt schon handeln. Es ist wie bei Corona und Händewaschen: Die Mittel sind bekannt. Wir wissen beispielsweise, wie man Häuser besser isoliert oder Elektroautos baut. Klimaschutz ist keine «Rocket Science.» Aber es fehlen nach wie vor der politische Wille und die entsprechenden Fördermittel.

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quelle: epa / christos bletsos
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40 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Locutus70
10.11.2020 20:22registriert September 2018
In erster Linie ist Energiepolitik Kompetenz der Bundesstaaten. Insofern war der Ausstieg unter Trump irrelevant. Und wenn der Wiedereinstieg unter Biden einen Effekt haben soll, muss er sich mit den Bundesstaaten zusammen setzen. Das hat ernsthaft kein Präsident seit Theodore Roosevelt mehr getan - ich bin gespannt.
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Swisslord
10.11.2020 23:49registriert August 2016
Biden hat aber auch gesagt, er unterstütze den Green New Deal nicht und will auch Fracking nicht verbieten.
Die Medien dürfen nun ja nicht davon ausgehen, dass jetzt alles gut wird. Biden muss ständig an seine Versprechen erinnert werden.
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chrissy_dieb
10.11.2020 20:11registriert Januar 2020
„Kalifornien beispielsweise geht in einigen Sektoren deutlich rascher vor als die Schweiz. Dort muss jedes neue Haus eine Solaranlage auf dem Dach haben.“

Bei solchen Aussagen frage ich mich immer: Ist es allem Ernst nicht rentabler zentralisiert ein Solarkraftwerk (oder sonst was erneuerbares) aufzubauen? - Vermutlich ist es weniger romantisch wie die Photovoltaik Anlage auf dem eigenen Dach - aber man spart doch wahnsinnug durch eine zentralisierte Infrastruktur und Wartung.
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