So war es allgemein erwartet worden: Dass die Chinesen dies nicht einfach auf sich sitzen lassen würden. Aber die Umstände, wie sie sich zu Wort meldeten, waren dann doch ungewöhnlich. Offensiv und auf allen Kanälen äusserte sich der chinesische Botschafter in der Schweiz, Wang Shihting, zur neuen China-Strategie der Schweiz.
In sorgfältig vorbereiteten Statements zerpflückte er das bundesrätliche Papier. Bei einer eigens einberufenen Videokonferenz beantwortete er vorab eingereichte Journalistenfragen. Und in einem Interview mit den Tamedia-Portalen sprach er gar von «unbegründeten Anschuldigungen und Angriffen auf Chinas politisches System, die Menschenrechtslage sowie die Innen- und Aussenpolitik».
Vieles weiche von den Fakten ab. Dagegen protestiere man mit Nachdruck, sagte der Botschafter. Dem Bundesrat warf er vor, China mit «böswilligen Labels» zu versehen und den – derzeit ausgesetzten – Menschenrechtsdialog dafür genutzt zu haben, sich in innere Angelegenheiten einzumischen. Das alles wirke sich negativ auf die Beziehungen der beiden Staaten aus, monierte Wang weiter.
Dass sich die Menschenrechtslage verschlechtert habe, entspreche nicht den Tatsachen. In den letzten 40 Jahren seien 800 Millionen Chinesen aus der Armut befreit worden. Die Menschen, so Wang, würden ihren Frieden geniessen. Sie lebten «sicher und glücklich». Stattdessen müsse die Schweiz mehr für die «Förderung der Freundschaft» tun, forderte Wang. Immerhin honorierte er im selben Atemzug den Willen des Bundesrats, den Dialog mit China fortzusetzen und die bilateralen Beziehungen auszubauen.
Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) hatte die Schweizer China-Strategie am Freitag vorgelegt. Ihre Stossrichtung lässt sich so zusammenfassen: Der Bundesrat will die wirtschaftlichen Beziehungen mit China nicht gefährden, aber deutlichere Worte in Sachen Menschenrechtsverletzungen finden. Menschenrechtsorganisationen kritisierten ihrerseits, dass der Bundesrat zwar markigere Töne anschlage, aber daraus kaum Konsequenzen ziehe.
Der China-Experte Ralph Weber, Professor an der Universität Basel, hat eine pointierte Reaktion aus Pekings Botschaft erwartet. Zwar habe ihn überrascht, wie Botschafter Wang gleich Pressekonferenzen ausrichtet und Interviews gibt, betont er im Gespräch. «Dass chinesische Vertreter deutlich und mitunter heftig auf sogenannte Einmischungen reagieren, ist jedoch völlig normal geworden.» Dies folge jeweils seinen eigenen Ritualen:
Weber verweist auf andere Länder, in denen Chinas Offizielle offen Druck auf Parlamentarier ausüben, Wissenschaftler in den sozialen Medien beleidigen und auf alle Seiten hin ernsthafte Konsequenzen androhen.
In den Äusserungen des chinesischen Botschafters in Bern höre man typische Versatzstücke und Textblöcke von Pekings Propagandasprache heraus, sagt der Professor. «Es geht um das grosse Ganze.» Alles laufe auf ein Ziel hinaus: China will sich als Alternative zu den USA positionieren und seinem autoritären Modell zur Akzeptanz verhelfen.
Typisch sei etwa, dass der Botschafter in seinen Statements immer wieder die Amerikaner angreife, obwohl er sich ja eigentlich zur Schweiz äussere. Weber nennt ein Beispiel: Der Bundesrat stellt in seinem Papier fest, auch hierzulande gebe es politische Spionage Chinas. Der Botschafter wiederum brandmarkt dies als «Fake News» und verweist sofort darauf, dass die USA es seien, die die ganze Welt ausspionieren würden.
In seiner Strategie betont der Bundesrat, dass eine Blockbildung zwischen Peking und Washington nicht in seinem Interesse liege. Man verfolge eine «eigenständige» China-Politik, heisst es. Für Weber steht allerdings fest: Die Vereinigten Staaten wie die Volksrepublik China werden sukzessive den Druck auf die Schweiz erhöhen, es sich mit ihnen nicht zu verscherzen und, wenn nötig, klar Position zu beziehen.
Darüber hinaus dürften die Chinesen laut Weber sehr wohl zur Kenntnis genommen haben, dass die Schweiz in ihrer China-Strategie zwar Menschenrechtsverletzungen benenne, aber dabei viel weniger weit gehe als andere Staaten. Weder folgt sie der EU und nennt China einen «Systemrivalen». Noch bezeichnet sie die Unterdrückung der Uiguren als Völkermord, wie es die USA und weitere Länder tun.
Die Spannung zwischen Handel und Menschenrechtsverletzungen werde erkannt, aber mit etwas Ratlosigkeit adressiert, konstatiert Weber. «Das kann den Chinesen nur recht sein.» (aargauerzeitung.ch)
Grundsätzlich intressiert die Chinesen nicht, was wir denken, sagen oder machen.
Und bisher ist die chinesische Strategie ja auch aufgegangen, es gibt ja kein Land, dass etwas anderes als warme Luft produziert hat.