Die Schweiz staunt über Einsiedeln und über die Uneinsichtigkeit der dortigen Fasnächtler. Am Montag fand ein Umzug mit rund 1000 Teilnehmenden und Schaulustigen statt. Gegen Kritik rechtfertigen sich Einheimische wie Mitte-Nationalrat Alois Gmür mit Verweis auf den speziellen Charakter der archaischen Einsiedler Fasnacht. Und sie sagen, weil es draussen stattfand, sei es nicht so schlimm. Jetzt spricht Kerstin Schlimbach, die Einsiedler Corona-Patienten verarztet. Sie zeigt sich über die Vorfälle «sehr betrübt».
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Frau Schlimbach. Was ist Ihre Sicht auf den Fasnachtsumzug in Einsiedeln?
Es ist ausserordentlich bedauerlich, wie während des Fasnachtsumzugs die Teilnehmer sich und vor allem Risikogruppen gefährdeten. Das betrübt mich sehr.
Sie sprechen von Gefährdung. Worin besteht die Gefahr?
Für viele ist es weder spür- noch sichtbar, aber den Patienten, die bei uns landen, geht es zum Teil sehr schlecht. Sie haben Fieberschübe. Es drückt ihnen auf die Brust. Sie ringen um Atem. Sie haben Angst. Eine Covid-19-Erkrankung kann zudem unabschätzbare Langzeitfolgen haben. Auch Patienten mit relativ milden Verläufen leiden an Gedächtnisschwierigkeiten und Müdigkeit. Das trifft auch jüngere Menschen. Sie sind nach der Krankheit oft nicht mehr richtig leistungsfähig. Gott sei Dank gibt es aber auch viele milde Verläufe. Es ist dennoch völlig unverständlich, dass man sich deswegen zu einem Treiben wie in Einsiedeln hinreissen lässt. Denn auch wenn man selbst einen milden Verlauf hat, kann man die Krankheit an Risikopersonen weitergeben, die dann schwer erkranken. Und es ist ganz klar: Je mehr Ansteckungen es gibt, desto mehr Menschen sterben auch an der Krankheit.
Die Fasnächtler sagen, der Umzug sei ja draussen gewesen. Das Ansteckungsrisiko sei also gering.
Ich bin gestern durch die Gassen von Einsiedeln zur Arbeit gelaufen. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie die Leute dicht an dicht standen. Es bestand ganz klar das Risiko für Ansteckungen. Als ich im Spital ankam, haben dort alle nur den Kopf geschüttelt. Die Regeln des Bundesamt für Gesundheit sind nicht aus der Luft gegriffen, sie machen Sinn. Und in Einsiedeln wurden sie am Montag nicht eingehalten.
Wie ist die Situation im Spital?
Gestern haben wir den vorerst letzten Coronapatienten entlassen.
Dann ist die Situation ja nicht so dramatisch und die Fasnacht auch nicht so schlimm, würden nun die Fasnächtler sagen.
Die Situation ist entspannter, die Fallzahlen gehen runter. Aber sie sind immer noch viel zu hoch. Grossflächige Lockerungen liegen im Moment nicht drin. Ich möchte auch einen entspannten Sommer erleben. Das geht aber nur, wenn wir die Fallzahlen nun runterbringen. Und ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir die zentralschweizer Spitäler nach freien Intensivplätzen abtelefonieren mussten. Teils konnten wir einen Patienten gerade noch in das letzte freie Bett vermitteln. In Einsiedeln haben wir zwar keine Intensivstation, jedoch eine Überwachungsstation mit einer temporären Beatmungsmöglichkeit. Wenn mir jemand sagt, er könne an die Fasnacht, nur weil bei uns kein Patient mehr liegt, rate ich ihm, einmal einen Tag auf einer solchen Station zu arbeiten und sich die Sache selbst anzuschauen.
Rechnen sie nun in nächster Zeit mit mehr Patienten wegen des Umzuges? Fahren Sie die Kapazitäten hoch?
Ich rechne nicht zwingend damit. Ich hoffe, dass der Krug an uns vorbeigeht. Im Moment sind wir eher gut daran. Es ist aber möglich, dass wir bald mehr Patienten haben. Vielleicht hatten wir Glück. Das darf aber kein Freischein sein, die Regeln zu brechen. Kapazitäten erhöhen müssen wir nicht. Wir sind gut vorbereitet.
In der Hoffnung, dass sich nicht allzu viele T****** infiziert haben...