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Interview

Corona: Müssen Arbeitgeber eine Entschädigung fürs Homeoffice bezahlen?

Haben Arbeitnehmer im Homeoffice Anspruch auf Entschädigung?
Haben Arbeitnehmer im Homeoffice Anspruch auf Entschädigung?bild: shutterstock
Interview

«Die Chancen auf Mietentschädigung fürs Homeoffice stehen gut»

Ein Bundesgerichtsentscheid von 2019 sorgt momentan für Aufsehen: Ein Arbeitgeber wurde dazu verdonnert, einem Angestellten einen Teil seiner Miete zu bezahlen, weil dieser im Homeoffice tätig war. Arbeitsrechtlerin Romina Carcagni sieht durchaus Chancen für eine Entschädigung in Corona-Zeiten.
26.05.2020, 15:5227.05.2020, 09:13
Dennis Frasch
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Frau Carcagni, ich arbeite wie viele andere auch Corona-bedingt seit März im Homeoffice. Kann ich meinem Arbeitgeber nun einen Teil meiner Wohnungsmiete in Rechnung stellen?
Romina Carcagni:
Das ist nicht ganz klar, auch nicht mit dem Bundesgerichtsurteil vom letzten Jahr. Denn der besagte Fall, der in den letzten Tagen in den Medien diskutiert wurde, unterscheidet sich stark von der jetzigen Corona-Situation.

Inwiefern?
Es ging damals um einen Arbeitnehmer, der über gar keinen Arbeitsplatz im Unternehmen verfügte. Es war von Anfang an klar, dass er nur von zuhause aus arbeiten wird, und das war nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft. Heute ist es aber so, dass das «Corona-Homeoffice» neben dem Arbeitsplatz im Betrieb besteht. Zudem stellen es viele Arbeitgeber den Angestellten frei, ob sie in ihren eigenen vier Wänden oder am Arbeitsplatz im Büro arbeiten wollen.

«Es ist sicher vertretbar, über eine Entschädigung für den Arbeitnehmer zu sprechen.»

Empfiehlt der Bundesrat nicht allen, die Homeoffice machen können, dies auch zu tun?
Es gibt eine offizielle Empfehlung des Bundesamtes für Gesundheit, ja. In der Notverordnung des Bundesrates gibt es jedoch keinen Homeoffice-Zwang. Lediglich besonders gefährdete Personen können unter Umständen einen Anspruch auf Homeoffice geltend machen.

Trotzdem gibt es Arbeitgeber, die vorübergehend eine Homeoffice-Pflicht eingeführt haben.
Das stimmt. In solchen Fällen ist es sicher vertretbar, über eine Entschädigung für den Arbeitnehmer zu sprechen.

Was müsste man tun, um eine solche Entschädigung zu erhalten?
Man sollte in einem ersten Schritt das Gespräch mit den Vorgesetzten suchen. Ich wäre allerdings vorsichtig mit der Forderung eines bestimmten Betrags. Man kann das Anliegen beim Chef platzieren, und dann warten, was zurückkommt.

Romina Carcagni Roesler ist Partnerin der Streiff von Kaenel AG. Sie ist seit 2004 als Rechtsanwältin tätig, mit Spezialisierung im Arbeitsrecht und öffentlichen Personalrecht.
Romina Carcagni Roesler ist Partnerin der Streiff von Kaenel AG. Sie ist seit 2004 als Rechtsanwältin tätig, mit Spezialisierung im Arbeitsrecht und öffentlichen Personalrecht.bild: zvg

Die Erfolgsaussichten dürften wahrscheinlich nicht sehr rosig sein.
Doch, Erfolgsaussichten bestehen durchaus. Bezahlt der Arbeitgeber bis jetzt keinerlei Entschädigung fürs Homeoffice, verlangt aber, dass die Angestellten von zuhause aus arbeiten, dann stehen die Chancen gut. Dem Arbeitnehmer wird schliesslich einiges abverlangt.

«Der Arbeitgeber ist nicht dazu verpflichtet, jedem ein ideales Büro bereitzustellen.»

Kann ich auch einen richtigen Schreibtisch und einen Bürostuhl vom Chef fordern?
Das hängt von den Umständen ab. Wird längerfristig im Homeoffice gearbeitet, muss vermehrt darauf geachtet werden, dass der private Arbeitsplatz ergonomisch eingerichtet ist. Hier ist aber auch Eigenverantwortung der Angestellten gefragt, denn der Arbeitgeber kann ja keine Kontrollen bei Ihnen zuhause durchführen. Wenn neues Mobiliar angeschafft werden muss, weil der private Arbeitsplatz – vor allem bei intensiver und längerfristiger Nutzung – nicht den Gesundheitsvorschriften entspricht, sollte sich der Arbeitgeber an den Kosten beteiligen. Trotzdem: Der Arbeitgeber ist nicht dazu verpflichtet, jedem ein ideales Büro bereitzustellen.

Nichtsdestotrotz sagen Sie, dass die Chancen auf Mietentschädigung gut stehen. Von welchen Beträgen sprechen wir hier?
Von sehr bescheidenen. Im Bundesgerichtsentscheid vom letzten Jahr musste der Arbeitgeber 150 Franken monatliche Entschädigung bezahlen. Wie die Gerichte allerdings zu diesem geschätzten Betrag gekommen sind, bleibt unklar. Ich würde also davon abraten, ein sonst gutes Verhältnis zum Arbeitgeber aufgrund dieser doch eher kleinen Summe aufs Spiel zu setzen.

Es droht nun also keine Klagewelle in der Schweiz.
Wahrscheinlich nicht, nein.

Ändert sich mit diesem Gerichtsentscheid etwas für die gross vorausgesagte Zukunft des Homeoffice?
Der Entscheid und die Diskussionen dazu bewirken sicher ein höheres Bewusstsein für die rechtlichen Fragen rund um das Homeoffice. Viele Arbeitgeber sehen, dass Klärungsbedarf besteht, und führen neue Regelungen ein. Zu bedenken ist allerdings, dass wenn das Corona-bedingte Homeoffice vorbei ist und Arbeitnehmer, die im Betrieb einen Arbeitsplatz haben, aus eigenem Wunsch im Homeoffice arbeiten, auch der Anspruch auf Mietentschädigung vom Tisch ist.

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68 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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mrgoku
26.05.2020 16:01registriert Januar 2014
150.- entschädigung pro Monat möglich weil man den Drucker zuhause benutzt... echt jetzt?

Bünzliger gehts ja nicht.. haha
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Zum Kommentar
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Donald
26.05.2020 16:01registriert Januar 2014
Home Office steht jedem Unternehmen frei. Ich glaube kaum, dass man jetzt Unternehmen noch zur Kasse bitten sollte, die so die Eindämmung des Virus unterstützt haben.
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chnobli1896
26.05.2020 16:06registriert April 2017
Und so wird der Fortschritt der Unternehmen in Richtung Home Office zerstört. Schade.
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