In diesen Zeiten muss auch das Nähkästchen zu Hause bleiben. Stattdessen erreichen wir Persönlichkeiten aus der Region am Telefon: «Funk-Kontakt» heisst die neue Rubrik, garantiert ohne Ansteckungsgefahr.
Herr Nussbaumer, wo erreichen wir Sie?
Eric Nussbaumer: Ich bin zu Hause in Liestal im Homeoffice. Am Mittwochabend gegen 21 Uhr bin ich von Bern zurückgekommen.
Wie war die Corona-Session der letzten Tage für Sie?
In vielem waren die letzten Tage meinem politischen Alltag vor der Krise ähnlich. Dazu gehört es, nach Bern zu reisen und dort an Sitzungen teilzunehmen. Das hatten wir jetzt mehrere Wochen nicht, diese Woche war deshalb fast wie eine Rückkehr in den Alltag kann ich es nicht nennen, aber vielleicht Pandemie-Alltag. Ein erster Schritt in Richtung Normalität.
Wie hat sich diese Session des Parlaments von bisherigen unterschieden?
Der grösste Unterschied war der neue Ort und die neuen Räumlichkeiten. Alles ist viel grösser, die Distanzen weiter. Die Politik lebt ja auch vom kurzen, intensiven Gespräch, das konnte man diese Woche weniger praktizieren. Wir mussten darauf achten, die zwei Meter Abstand einzuhalten, die kurze Debatte mit Parteikollegen war deshalb anspruchsvoller. Man muss sich noch daran gewöhnen, wie man unter der Einhaltung von Hygiene- und Social-Distancing-Regeln konstruktive, schnelle und kompromisssuchende Gespräche führen kann.
Die Debatte auf Twitter ist derweil immer noch lebendig. Diese Woche haben Sie in der Debatte, ob Freikirchen systemrelevant seien, mitdiskutiert.
Darum ist es mir nicht gegangen. Ich hatte Mühe, dass jemand schrieb, eine Freikirche sei in der Region für die Verbreitung des Virus verantwortlich. Die Pandemie einer Gruppierung von Menschen zuzuweisen und diese zum Sündenbock zu machen, finde ich sehr schwierig. Wenn man nur ein bisschen etwas von Geschichte versteht, weiss man, dass es falsch ist, eine Gruppierung dafür verantwortlich zu machen, wenn etwas schlecht läuft. Dagegen bin ich allergisch, deshalb habe ich reagiert. Wir konnten uns aber am Schluss einigen, dass Freikirchen nicht systemrelevant sind.
Vielleicht stört mich dieses pauschale "eine solche"...was ja nicht verstanden werden kann als epidemiologisches Argument für weiterhin sorgfältigste Zurückhaltung bei grösseren Menschenansammlungen - sondern eher als gezielte Sündenbock-Botschaft.
— Eric Nussbaumer (@enussbi) May 6, 2020
Zurück nach Bern: Medien berichteten in den vergangenen Tagen von einer illegalen Party im Umfeld des Parlaments. Waren Sie auch dabei?
Also, ich gehöre ja nicht zur Partygeneration (lacht). Nein, eine Party war das sicher nicht. Nach der langen Sitzung haben wir uns zu einem Getränk im Restaurant getroffen, in dem wir uns auch sonst verpflegen. Da war ich auch dabei. Ich habe mit drei Personen geredet und wir haben uns ungefähr im fünf-Minuten-Rhythmus daran erinnert, zwei Meter Abstand zueinander zu halten. Ob andere vielleicht mal nur einen Meter Abstand hatten, kann ich nicht sagen. Aber eine Party sieht nach meinem Verständnis anders aus.
Wie gut konnten die Regeln denn während der Session eingehalten werden?
Die Örtlichkeiten waren optimal dafür. Es ist aber ähnlich wie auch sonst im Alltag. Man muss beim Anstehen für das Sandwich oder nach der Sitzung beim Warten auf das Tram Abstand halten oder vielleicht mal das nächste Tram nehmen. All die Fragen, die die Menschen auch sonst im Alltag beschäftigen, gehen einfach in den politischen Alltag über.
Welche Einsichten erhoffen Sie sich aus dieser Krise für die Politik?
Ich hoffe, dass man aus jeder Krise Erkenntnisse gewinnt und einsieht, dass man auch manchmal etwas ändern muss. Ich denke aber nicht, dass jetzt der grosse Umbruch im gesellschaftlichen Leben kommt. Aber die Erfahrung, dass wir ein gutes Sozialhilfesystem brauchen, und dass es wichtig ist, dass der Staat intervenieren kann, damit die Menschen angstfrei durchs Leben gehen können – das sind sicher Erkenntnisse, die diese Krise gezeigt hat. Auch, dass man aufhören sollte, ständig zu sagen, der Markt regelt alles. In der Krisenbewältigung ist es meiner Erfahrung nach eher ein gutes Sozialversicherungsnetz, welches das Leben erleichtert. Wenn wir das in die Zeit nach der Krise mitnehmen könnten, wäre es schön.
Sie sind nun wieder zu Hause. Wie geht der Alltag in der Pandemie weiter?
Im Homeoffice erledige ich viele politische Angelegenheiten anders als früher. Heute hatte ich eine Telefonkonferenz zu einem politischen Geschäft, nachher folgt eine Videokonferenz im Bereich der Brexit-Frage, am Nachmittag habe ich nochmals eine Telefonkonferenz. Aber das ist auch richtig so im Moment. Es geht jetzt darum, die Lockerung des Pandemie-Alltags schrittweise und langsam anzugehen.
Was ist dabei der nächste, wichtige Schritt für Sie?
Am Mittwoch haben sich in Bern fast alle Nordwestschweizer Kantone dazu geäussert: Die schrittweise Öffnung der Grenzen. Wir von der Aussenpolitischen Kommission haben dazu eine Motion eingereicht. Abwarten, bis auch Süditalien komplett virusfrei ist, damit wir in Basel wieder über die Grenze nach Weil können, ist schwierig. Es muss da einfach eine andere Lösung geben – es müssen auch regionale Entscheidungskompetenzen gewährt werden, damit die Personenfreizügigkeit möglichst bald wieder wiederhergestellt werden kann. (bzbasel.ch)
Gut vorgelebt; die maximale Gruppengrösse von 5 Personen.
Ich als Instruktor darf nur 4 Kursteilnehmer unterrichten, aber unsere Politiker können sich 'zu zigst' zu Gesprächen und Getränken treffen.