2015 kamen 2'736 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in die Schweiz. So viele wie noch nie zuvor. In den letzten drei Jahren ist die Zahl rasant gesunken. 2017 waren es noch 733, dieses Jahr sind es bis Ende September 302.
Viele Kantone reagierten auf die hohe Anzahl minderjähriger Flüchtlinge und stellten 2015 und 2016 separate Betreuungszentren und Angebote zur Verfügung. Einige dieser damals extra eröffneten Zentren wurden unterdessen aufgrund der stagnierenden Flülchtlingszahlen wieder geschlossen – mit gravierenden Folgen für die minderjährigen Flüchtlinge. Das zeigt jetzt ein Bericht der «Allianz für die Rechte der Migrantenkinder».
«Vielerorts verstossen die aktuellen Unterbringungsformen vermehrt gegen das Kindeswohl. So werden die Verpflichtungen aus der von der Schweiz ratifizierten UN-Kinderrechtskonvention verletzt», erklärt Patricia Koch, Leiterin des Fachbereichs MNA beim internationalen Sozialdienst Schweiz (SSI). Viele minderjährige Asylsuchende werden laut Koch aktuell von Zentrum zu Zentrum geschoben, einige gar in Asylzentren für Erwachsene untergebracht. So zum Beispiel in den Kantonen Neuenburg, Schwyz, Solothurn, Thurgau und Nidwalden.
Die Betreuung und Unterstützung junger Flüchtlinge ist im Gegensatz zu erwachsenen Asylsuchenden viel engmaschiger. «Werden unbegleitete Minderjährige in Erwachsenenstrukturen untergebracht, fehlt oft eine angemessene Betreuung», kritisiert Koch. «Bei allen anderen fremdplatzierten Kindern und Jugendlichen in der Schweiz ist es absolut normal, dass sie in betreuten Kinderheimen wohnen.» Die minderjährigen Asylsuchenden anders zu behandeln, sei diskriminierend, sagt Koch.
Sie fordert eine sofortige Verbesserung der Situation. «Eine Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen in Asylzentren mit Erwachsenen ist wenn immer möglich zu vermeiden. Wenn es dennoch dazu kommt, braucht es dort unbedingt pädagogisch geschultes Personal, das genügend Zeit für die Kinder und Jugendlichen hat.»
Zudem wäre es für Koch wünschenswert, andere Möglichkeiten für die Unterbringung der MNA zu prüfen, wie beispielsweise konventionelle Kinderheime oder Pflegefamilien, anstatt eigene UMA-Zentren zu errichten. «Das würde die Integration der Geflüchteten fördern, weil sie so direkten Kontakt zu der hiesigen Bevölkerung hätten.»
«Dass einige Asylzentren geschlossen werden und dass damit Probleme entstehen, dem sind wir uns bewusst», erklärt Martin Klöti, Präsident der Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren (SODK). Für die Kantone sei nicht nur der Anstieg der Zahl der Asylsuchenden eine Herausforderung, sondern auch deren Rückgang. Durch die gesunkenen Asylzahlen seien die Kantone aktuell gezwungen, einige Unterbringungsstätten aufzugeben. «Man kann nicht halbgefüllte Zentren weiterlaufen lassen. Hier stehen die Kantone auch gegenüber dem Steuerzahler in der Pflicht.»
«Die UN-Kinderrechtskonvention wird aber nicht verletzt», sagt Klöti. Laut dem SODK-Präsident arbeiten einige Kantone daran, individuelle Lösungen für betroffene minderjährige Asylsuchende zu finden. «Es wird im Einzelfall geklärt, ob es Möglichkeiten gibt die Jugendlichen beispielsweise in eine Pflegefamilien unterzubringen.» Falls dies nicht möglich ist, empfiehlt die SODK zudem, die Jugendlichen in für sie vorgesehene und geschützte Bereiche von Erwachsenen abgegrenzt unterzubringen.