Höhere Benzinpreise, Flugticketabgabe und keine Ölheizungen mehr: Der Schweiz steht buchstäblich ein heisser Abstimmungskampf bevor. Am 13. Juni stimmen wir über das «Bundesgesetz über die Verminderung von Treibhausgasemissionen» ab. Die Bevölkerung kann so die Leitplanken der Schweizer Klimapolitik bis 2030 setzen. Aber gehen wir der Reihe nach:
Die Fieberkurve der Schweiz zeigt seit Mitte der 1980er-Jahren fast konstant nach oben. Damals lag die Temperatur letztmals unter dem langjährigen Schnitt. Insgesamt hat sich das Klima in der Schweiz seit Beginn der landesweiten Messungen 1864 bis heute um durchschnittlich rund 2 Grad erwärmt.
Der Klimawandel trifft die Schweiz als Alpenland besonders hart: Die Temperaturen steigen bei uns doppelt so stark an wie im weltweiten Durchschnitt (siehe Grafik unten).
Die Hitzesommer und Überschwemmungen haben weitreichende Folgen. Die Gletscher in der Schweiz sind seit 1850 zu 60 Prozent geschmolzen. Die Zahl der Schneetage unter 800 Meter hat sich seit 1970 um die Hälfte verringert. Die Nullgradgrenze ist um 300 bis 400 Meter angestiegen.
Inzwischen gilt es als unbestritten, dass die Menschheit selbst für den Klimawandel verantwortlich ist. Darum will der Bundesrat den Treibhausgasausstoss in der Schweiz deutlich senken. Nun kommen wir zu den Details.
Der Flugverkehr wird gemäss internationalen Regeln separat aufgelistet: Sämtliche internationalen Flüge aus der Schweiz entsprechen laut Bundesamt für Umwelt rund 10 Prozent der CO2-Emissionen, welche die Schweiz ausstösst.
Bundesrat, Nationalrat und Ständerat wollen mit der Totalrevision des CO2-Gesetzes den Treibhausgasausstoss der Schweiz bis 2030 gegenüber dem Wert von 1990 halbieren.
Das entspricht den Klimazielen, zu denen sich die 189 Länder inklusive der Schweiz mit dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet haben. Mindestens 75 Prozent der Massnahmen sollen im Inland erfolgen.
Die Massnahmen sollen helfen, das grosse Schweizer Klimaziel zu erreichen: Ab 2050 soll die Schweiz unter dem Strich keine Treibhausgasemissionen mehr ausstossen. Dieses Ziel hat der Bundesrat 2019 beschlossen
Der Bund erhebt künftig eine Flugticketabgabe: 30 Franken für Kurzstreckenflüge, bis 120 Franken bei Langstrecken-Verbindungen. Die eine Hälfte der Gelder wird gleichmässig pro Kopf an die Bevölkerung zurück verteilt. Die andere Hälfte der Gelder aus der Abgabe fliesst in den Klimafonds. Auch Besitzerinnen und Besitzer von Privatjets müssen blechen. Pro Flug ist je nach Distanz und Gewicht des Jets eine Abgabe von 500 bis 3000 Franken fällig.
Die Hersteller und Importeure fossiler Treibstoffe sollen einen grösseren Teil des CO2-Ausstosses kompensieren müssen – und mehr davon im Inland. Das schlägt sich auf den Benzin- und Dieselpreis nieder. Der Bund will den Aufschlag aber begrenzen: Bis 2024 soll die Kompensation pro Liter Treibstoff um höchstens 10 Rappen verteuern dürfen, ab 2025 um bis zu 12 Rappen.
Aktuell beträgt der Kompensationsaufschlag rund 1.5 Rappen pro Liter Treibstoff und liegt damit deutlich unter dem gesetzlich zulässigen Maximum von 5 Rappen.
Neue Autos sollen viel klimaschonender werden. Heute gilt für neue Personenwagen ein CO2-Zielwert von 95 Gramm pro Kilometer und für Lieferwagen ein Zielwert von 147 Gramm. Ab 2025 werden diese Zielwerte um 15 Prozent reduziert und ab 2030 um 37,5 Prozent bei neuen Personenwagen und um 31 Prozent bei Lieferwagen.
Für Altbauten soll ab 2023 ein CO2-Grenzwert gelten, der festlegt, wann die Heizung ersetzt werden muss. Hausbesitzer können damit nur noch dann eine neue Ölheizung einbauen, wenn das Haus gut isoliert ist. Dies entspricht faktisch einem Verbot. Der Grenzwert von maximal 20 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter Energiebezugsfläche und Jahr soll in Fünfjahresschritten um jeweils fünf Kilogramm reduziert werden.
Heute kann der Bund Abgaben von maximal 120 Franken pro Tonne CO2 (ca. 30 Rappen pro Liter Heizöl, ca. 2.4 Rappen pro kWh Erdgas) erheben. Mit der Totalrevision des CO2-Gesetzes kann er die Abgabe auf 210 Franken pro Tonne CO2 (ca. 50 Rappen pro Liter Heizöl, ca. 4.2 Rappen pro kWh Erdgas) anheben.
Mit diesem Fonds soll eine Vielzahl von Massnahmen zur CO2-Reduktion finanziert werden. Dies geht von der Gebäudesanierung, dem Bau eines Ladenetzes für E-Autos bis zur Subventionierung von Nachtzügen. Weiter sollen Firmen unterstützt werden, die klimaschonende Technologien entwickeln.
Eine breite Front kämpft für die Totalrevision des CO2-Gesetzes. Neben Umweltverbänden wie Greenpeace oder der Klimaallianz unterstützen mit SP, Grüne, GLP, FDP, Mitte alle grossen Partien ausser der SVP das Vorhaben. Auch die Mehrheit in Nationalrat und Ständerat ist für die Totalrevision. Ebenso die Deutschschweizer Sektionen des Klimastreiks. Einigen Umweltaktivisten geht das Gesetz aber zu wenig weit. Sie fordern Netto 0 Emissionen bis 2030, nicht 2050. Um dies zu erreichen, haben die Klimastreikenden einen eigenen Klima-Aktionsplan ausgearbeitet.
Die Erdöl- und Autolobby sammelte 110'000 Unterschriften gegen das CO2-Gesetz. So gehören beispielsweise Automobilclub Schweiz (Astag), Auto Schweiz, Swissoil zu den grossen Gegnern. Das Gesetz führe lediglich zu mehr Bürokratie, mehr Verboten und neuen Steuern und Abgaben, argumentieren sie. Als einzige grosse Partei unterstützt die SVP das Begehren und im Nationalrat und Ständerat sind die Gegner damit ebenfalls in der Minderheit.
Weiter unterstützen die Westschweizer Sektionen des Klimastreiks das Referendum. Dies, weil es ihnen zu wenig ambitioniert ist.
Für den Bundesrat und das Parlament ist eine Totalrevision des CO2-Gesetzes alternativlos. Geschehe nichts in Sachen Klimaschutz, würden die nachfolgenden Generationen noch mehr unter dem Klimawandel leiden, argumentiert das Gremium. «Der Klimawandel ist ein Problem, das sich nicht mehr leugnen lässt», sagte Umweltministerin Simonetta Sommaruga zum Auftakt des Abstimmungskampfes. Die nächsten zehn Jahre seien entscheidend dafür, ob bis 2050 die Klimaneutralität erreicht werden könne.
Dem Argument der Gegner, dass das Gesetz massive Mehrkosten bedeute, entgegnet Sommaruga: Nur zehn Prozent der Bevölkerung zahle mit der Flugticketabgabe drauf. «Wir haben ausgerechnet, dass Ende dieses Jahrzehnts eine vierköpfige Familie im Schnitt 100 Franken mehr pro Jahr zahlt.»
Der renommierte ETH-Klimaphysiker Reto Knutti warnt seit Jahren vor den Folgen des Klimawandels. Demzufolge unterstützt er die Totalrevision.
Die Auswirkungen eines ungebremsten, menschengemachten Klimawandels seien kaum tragbar. Mit den Pariser Klimazielen – welche die Schweiz ratifiziert hat – habe die Welt einen Weg vorgegeben, hinter dem praktisch alle Länder stehen. Dafür müsse die Schweiz alle Treibhausgasemissionen zwingend bis etwa 2030 halbieren und vor 2050 auf Netto Null reduzieren, sagt Knutti zu watson. «Das CO2-Gesetz wird noch nicht ausreichen, aber es ist ein entscheidender Schritt auf diesem Weg.»
Als wohlhabendes Land mit technischen Möglichkeiten habe die Schweiz eine grosse Verantwortung. Weniger Klimaschäden, weniger Luftbelastung und Lärm, weniger Erdöl- und Kohleförderung, mehr Effizienz und Innovation: eine faire, verursachergerechte und wirksame Klimapolitik nütze langfristig allen.
Mit Material von Keystone-SDA
Damit ist alles gesagt...
Ich weiss nicht, wie die SwissOil-SVP sich mit ihrer Polemik aus dieser Glasklaren Initiative hinauswinden will...