Beide haben das gleiche Ziel: Sie wollen das in der Herbstsession verabschiedete CO2-Gesetz zu Fall bringen. Ihre Motive aber sind völlig unterschiedlich. Für Teile der Klimastreik-Bewegung ist das Gesetz zu zahnlos, während es für diverse Wirtschaftsverbände und die SVP zu weit geht. Deswegen haben beide Seiten das Referendum ergriffen.
Nun befinden sie sich im gleichen Boot, das von der zweiten Corona-Welle heftig durchgeschüttelt wird. Die Explosion der Fallzahlen seit dem Start der Referendumsfrist Anfang Oktober und die neuen Einschränkungen des öffentlichen Lebens machen das Sammeln der Unterschriften zu einem Kraftakt. Das gilt besonders für die Westschweiz.
Sämtliche Romandie-Kantone befinden sich zumindest in einem Teil-Lockdown. Stark davon betroffen ist das Klimastreik-Referendum, das in erster Linie von Westschweizer Sektionen getragen wird. «Es ist extrem schwierig», sagt Sprecherin Franziska Meinherz auf Anfrage. In der derzeitigen Lage sei es fast nicht möglich, auf der Strasse Unterschriften zu sammeln.
In Genf und Neuenburg seien kantonale Unterschriftensammlungen sogar verboten. Doch selbst in der Waadt, wo es kein Verbot gebe, sehe es kaum besser aus, sagt die Doktorandin an der ETH Lausanne. Das Problem betreffe sowohl die eigenen Leute, die das Risiko nicht auf sich nehmen wollten, als auch Passantinnen und Passanten.
«Wenn man 1,5 Meter Abstand halten muss, ist das Unterschreiben schwierig», meint Meinherz mit bitterem Lachen. Die gleiche Erfahrung macht Christian Imark vom rechten Komitee. Es sei schwierig bis unmöglich geworden, den direkten Kontakt zu den Menschen zu finden, sagt der Solothurner SVP-Nationalrat gegenüber CH Media.
Sowohl die Klimastreik-Aktivistin wie der SVP-Politiker sind sich einig: Es braucht einen Fristenstillstand wie im Frühling. Im ersten Lockdown wurde das Sammeln von Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden während 72 Tagen ausgesetzt. Christian Imark hat bei der Bundeskanzlei eine entsprechende Forderung deponiert.
Der Klimastreik wiederum hat mit den anderen Kräften des linken Referendums am 13. November einen Appell an Bundesrat und Bundeskanzlei beschlossen. «Die Ausübung der demokratischen Rechte ist derzeit nicht garantiert», sagt Franziska Meinherz. Die Bundeskanzlei schliesst jedoch einen erneuten Fristenstillstand aus, wie ein Sprecher gegenüber CH Media erklärte.
«Wir sind perplex», kommentiert Meinherz diese Ablehnung: «Die Fallzahlen sind viel dramatischer als im Frühling.» Nur in einem Punkt zeigte sich der Bund bislang entgegenkommend: Er übernimmt bei Referenden die Beglaubigung der Unterschriften. Damit gewinnen die Komitees ein wenig Zeit, doch das wird ihnen in der zweiten Welle wenig helfen.
Der Klimastreik wollte die 50’000 Unterschriften gegen das CO2-Gesetz aus eigener Kraft zusammenbringen, um sich vom Wirtschafts-Referendum abzugrenzen. «Das ist angesichts der Lage nicht realistisch», sagt Franziska Meinherz. Offen ist, ob man sich in diesem Fall zurückziehen oder gar mit dem «feindlichen» Komitee verbünden würde: «Wir haben dazu noch keine Strategie beschlossen.»
Schlecht sehe es auch beim gleichzeitig laufenden Referendum gegen das Antiterrorgesetz aus, das von Jungparteien bekämpft wird. Auch in diesem Fall sei man bei den Unterschriften «komplett im Rückstand», so Meinherz zu watson. Ein zusätzliches Hindernis sind die Feiertage, denn die Referendumsfrist läuft bis zum 14. Januar 2021.
Die Coronakrise erweist sich zunehmend als Demokratiekrise, denn seit dem Ausbruch im Frühjahr sind schon mehrere Volksinitiativen und Referenden gescheitert. Das betrifft sowohl das SVP-Referendum gegen die Überbrückungsrente wie die politisch breit abgestützte Initiative für ein E-Voting-Moratorium oder zuletzt die eher kuriose Kontrollschild-Initiative.
Das Problem stellt sich auch beim Referendum gegen das ebenfalls in der Herbstsession beschlossene Covid-19-Gesetz. Es laufe «derzeit harziger als gedacht», sagte Werner Boxler vom Verein «Freunde der Verfassung» zu CH Media. Ein Fristenstillstand kommt für ihn allerdings nicht in Frage, weil das Gesetz sofort in Kraft getreten sei.
Ein weiterer Grund ist wohl, dass es sich um eine Corona-Notmassnahme handeln würde. Und damit haben Corona-Skeptiker bekanntlich ihre liebe Mühe.
Ich verstehe ihre Ungeduld, aber die Schweizer Demokratie basiert nun mal wesentlich auf Kompromissen. Und wenn das auch mich manchmal nervt, möchte ich das System nicht tauschen mit einem, in welchem nicht-mehrheitsfähige Lösungen einfach durchsetzbar sind.