Einen Vorwurf kann man dem Initiativkomitee bestimmt nicht machen: Es würde sich zu wenig für sein Anliegen einsetzen. Selten wurde ein Volksbegehren so aufwendig und innovativ beworben wie die Konzernverantwortungsinitiative. Das beginnt mit den orangen Fahnen, die tausendfach aufgehängt wurden, selbst in ländlich-konservativen Regionen.
Die Initianten haben sogar einen mit Crowdfunding finanzierten Dokumentarfilm produziert. Die öffentlichen Vorführungen von «Der Konzern-Report» mussten wegen Corona abgesagt werden, weshalb der Film auf YouTube aufgeschaltet und in weniger als einer Woche «über 100'000 Mal angeschaut» wurde, wie das Komitee am Freitag mitteilte.
Eine weitere positive Meldung lieferte die ebenfalls am Freitag veröffentlichte erste Tamedia-Umfrage zur Volksabstimmung vom 29. November. Demnach sind 57 Prozent der Befragten sicher oder eher dafür, nur 41 Prozent lehnen die KVI ab. Unentschlossene gibt es kaum. Besonders hoch ist die Zustimmung bei den Frauen: 66 Prozent sagen Ja.
Das Resultat sieht dennoch nur auf den ersten Blick erfreulich aus. Die Konzerninitiative schneide «weniger gut ab als erwartet», schreiben die Tamedia-Zeitungen. Tatsächlich hatte eine von den Initianten selbst in Auftrag gegebene Umfrage im Mai eine Zustimmung von 78 Prozent ergeben. Allerdings war sie so formuliert, dass man fast nicht Nein sagen konnte.
Wichtiger ist ein anderer Aspekt: 57 Prozent sind wenig für eine Initiative mit linker Prägung. Das ist die Konzerninitiative trotz breiter Unterstützung bis ins bürgerliche Lager und durch die Landeskirchen. Zumal das Anliegen der Initiative – die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzstandards – von niemandem ernsthaft bestritten wird.
Eine gewisse Erleichterung ist bei den Gegnern spürbar. So gab die Baselbieter CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter gegenüber Tamedia zu, dass sie mit einem viel höheren Ja-Anteil gerechnet habe, «schliesslich weibeln die Initianten schon seit Jahren für ihr Anliegen». Allerdings zeigt die Umfrage, dass ihre Partei tief gespalten ist.
So gelang den Initianten ein Coup, als sie den früheren CVP-Ständerat Peter Bieri aus dem Wirtschaftskanton Zug für das bürgerliche Ja-Komitee gewinnen konnten. Auch beim Streit um den Gegenvorschlag standen sich im Ständerat zwei CVPler gegenüber. Der Bündner Stefan Engler war für die scharfe Variante, der Walliser Beat Rieder für die milde.
Diese obsiegte am Ende und könnte sich für die Gegner als grösster Trumpf erweisen. Ohne Gegenvorschlag hätte die Initiative reelle Chancen gehabt. Nun liefert er einen Vorwand für ein Nein. Dieses bleibt der wahrscheinliche Ausgang, denn in wirtschaftlich schwierigen Zeiten hat das Stimmvolk in der Regel keine Lust auf Experimente.
Das gilt erst recht für die Kriegsgeschäfteinitiative, die ebenfalls am 29. November zur Abstimmung kommt. Sie kommt in der Tamedia-Umfrage auf 52 Prozent Ja. Auch für sie gilt: Mit dem Anliegen können sich die meisten Leute identifizieren. Doch in unsicheren Zeiten verhält man sich nach der Devise «Keine Experimente».
Die Gegenkampagne ist mächtig und reich aber die Schweiz ist mit KVI Fahnen übersät! Freut mich immer sehr wenn in den konservativen Kantonen oder zb in Bauernhöfen KVI Fahnen zu sehen sind.
Konzerne für Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen sollte nämlich kein Rechtes oder Linkes Ding sein, sondern schlicht menschlich.
Es ist schön zu sehen, dass es auch noch Bürgerliche gibt, die sich für etwas einsetzen anstatt einfach nur dem Ruf des Geldes zu folgen, das hat man in den vergangenen Jahren leider viel zu selten gesehen.
Ehrlich gesagt gibt mir diese Initiative den beinahe abhanden gekommenen Glauben an die Demokratie zurück.