Ich muss noch einmal den Schweizer Bachelor machen.
Zappi vom Sport hat eine Ausrede und auch Simone und Anna haben Gescheiteres zu tun. Es ist bitter. Einmal ist einfach. Einmal kann jeder glänzen. Aber Woche um Woche der Sendung was abzugewinnen, spielt in einer ganz anderen Liga.
Immerhin habe ich mich vorbereitet – mit dem Bachelor-Themenshirt.
So. Und damit heisse ich euch herzlich willkommen zur zweiten Folge der neunten Staffel von «Der Bachelor».
Mein T-Shirt ist natürlich billige Polemik.
Es gibt ja Gründe, weshalb das Format Montag um Montag am meisten Schweizer Zuschauer vor den TV lockt: Voyeurismus zum Beispiel. Und den Ego-Boost durch die Bestätigung, dass andere Menschen niedriges Volk sind.
Bitte was?
Ja. Wer anderen Menschen dabei zusieht, wie sie sich zum Affen machen, fühlt sich dabei gut. Das ist nicht einfach so dahergeredet, sondern eine Ableitung von Henri Tajfels und John C. Turners sozialpsychologischer «Theorie der sozialen Identität». Sie basiert auf drei theoretischen Prinzipien (hier der Wikipedia-Eintrag dazu):
Beim Bachelor ist die Gruppenzuteilung sehr einfach: Die Zuschauer gehören zur «Bei-so-einem-Scheiss-würde-ich-nie-mitmachen»-Gruppe aka «Eigentlich-ja-scho-aber-ich-bin-z-schüch».
Die Kandidatinnen zählen zur relevanten out-group der «Fame-süchtigen-Selbstvermarkterinnen». Ja. Die Gruppe ist relevant. Im Zeitalter der Megaselbstinszenierung sogar sehr. Und wir spielen das Spielchen mit der wöchentlichen Berichterstattung brav mit.
Anyway.
Herr Wampfler, lesen Sie eigentlich mit? Ich mag «anyway» in meinen Texten! Und ich werde in Ihrer Umfrage ... oha!
»anyway« in einem deutschen Text…
— Philippe Wampfler (@phwampfler) October 14, 2020
Anyway.
Ich kann nur mutmassen. Aber ich glaube fast, den Produzenten der Sendung ist die «Theorie der sozialen Identität» bekannt. Sie geben sich auf jeden Fall alle Mühe, dass die Protagonistinnen-Gruppe möglichst schlecht abschneidet. Zum Beispiel indem sie – ich gebe zu, das war jetzt ein bisschen eine lange Einleitung – Frauen wie Sprengkandidatin Mia einladen.
Mia war bereits einmal Bachelor-Kandidatin, kam recht weit, wurde dann aber nicht auserwählt. Kaum in der «Villa» angekommen, legt sie sich mit der versammelten Horde an. Zitierenswertes entstand dabei nichts, doch ihr Auftritt kann als der eigentliche Startschuss zum Thema der Sendung gewertet werden: wenig Stoff, viel Zoff.
Wenig Stoff gab es an der Poolparty. 2020 ist, wenn das Bikini kleiner ist als der Mundschutz. In den Augen von Angie und Eva war das aber immer noch zu viel. Sie begrüssten Alan mit so etwas wie oben ohne. Doch die Show blieb, wie der Zoff später auch: ziemlich lahm.
Ein Beispiel: Als die selbsternannte Gang-Bang, bestehend aus Veronika, Nara und Dara, das beste Zimmer in Beschlag nimmt, stellt sich ihr Amelia aus Kloten entgegen. Nach einem harmlosen Schlagabtäuschchen lenkt Dara Deep aus Schwamendingen/Oerlikon – ganz Rapperin halt – vernünftig ein.
Einfach so.
Dann darf Xenia zum Einzeldate. Prompt erhält sie eine Kostprobe von Alans Saugkraft: «Min Gschmack het's troffe», sagt sie nachher, als Francesca irritiert feststellen muss, dass ihr Einzeldatekuss aus der ersten Folge kein Sonderfall, sondern wohl eher eine Masche des Bachelors ist.
Hier geht es zur Besprechung der ersten Folge. Ich war damals noch frisch und deshalb witziger.
Xenia ist sowas wie die Siegerin dieser Folge. Die ehemalige Eiskunstläuferin, die es bis zum Vize-Schweizermeisterinnen-Titel brachte, erzählt, wie sie nach einem Bandscheibenvorfall eine Lebens-Pirouette hinlegen musste. Macht sie gut. Sie kann sich artikulieren. Und sie sieht aus wie die junge Britney Spears.
Der Bachelor, ganz der Daddy, ist stolz auf sie. Danach ist er dran. Und er erzählt, dass er auch fast Fussball-Profi geworden wäre.
Wer schon nicht, lieber Alan.
Ich kenn' dutzende solcher Storys.
Und sie haben alle eine Gemeinsamkeit.
Am Talent lag es nie.
Anyway.
Sanja kriegt beim Date dafür nur eine Umarmung. Sie hat Alan erklärt, dass sie bereits Mutter ist. Wir erinnern uns (knapp): Die Bachelorette entschied sich in der letzten Staffel ebenfalls für Mann mit Kind. Vielleicht ist das der neue Trend. Alans Saugverweigerung lässt allerdings nichts in die Richtung vermuten.
Als Mia in der Villa ein bereits besetztes Zimmer in Beschlag nimmt, keimt erneut Hoffnung auf einen schweren Konflikt auf. Doch sie räumt das Feld nach einer Mini-Konfrontation mit Angie sehr schnell: «Das ist mir zu viel Kindergarten hier.»
Einfach so.
Übrigens: Wie Mia nimmt Angie ebenfalls zum zweiten Mal am Bachelor teil. Bei ihrem ersten Versuch in Deutschland war sie im dritten Monat schwanger. Weiss ich von Promiflash.
Und dann folgt die nächste Nacht der Rosen. Sie dauert ein stolzes Drittel der gesamten Sendung. Auch ein Indiz, wie spannend diese zweite Folge war.
Samira muss die Villa verlassen. Zu guter Letzt eiern die Busenfreundinnen Veronika und Nara die letzte Rose untereinander aus. Nara zieht den Kürzeren und bei Veronika («Si isch min Bro!») kullern die Tränen. Auch Nara kann ihre Abwahl nicht verstehen. Sie sei verletzt und enttäuscht: «Schau mich mal an! Was will man noch mehr? Ich bin ehrlich. Ich habe Charakter. Ich bringe alles mit, was man will. Dass man mich dann so ablehnt!?»
All pain. No gains.
Einer, der ebenfalls fast Fussballprofi wurde, ist unser Sportchef Sandro Zapella. Er wird für die nächste Folge eingewechselt. Er ist noch frisch und ich, ganz ehrlich, mag einfach nicht mehr.
Vielleicht hilft es Ihnen zur Versöhnung, dass jemand (ich) nun mit einem feinen Lächeln auf den Lippen, noch leicht studierend über den ersten, theoretischen Teil Ihrer Schrift und dann chchchchtschübüüüü
...
einen durch gute Unterhaltung herrlichen Schlaf schlafen wird.
Jederweg.