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Migration

Warum Schraner Burgener eine bemerkenswerte Wahl ist

Warum Keller-Sutters neue Staatssekretärin Schraner Burgener eine bemerkenswerte Wahl ist

Der Bundesrat ernennt die Topdiplomatin Christine Schraner Burgener zur Staatssekretärin für Migration. Eine aussergewöhnliche Personalie – aus mindestens vier Gründen.
25.02.2021, 15:0325.02.2021, 17:00
Sven Altermatt / ch media
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Botschafterin Christine Schraner Burgener, designierte Staatssekretaerin fuer Migration, posiert nach einer Medienkonferenz zur Ernennung der neuen Staatssekretaerin fuer Migration und des neuen Direk ...
Christine Schraner BurgenerBild: keystone

Sie habe leider nicht viel Zeit zu sprechen, entschuldigte sich Christine Schraner Burgener, als sie ans Telefon ging. Das war Anfang Februar, und die UNO-Sondergesandte für Myanmar hatte nach dem Militärputsch in dem südostasiatischen Land alle Hände voll zu tun. Nach Kräften versuchte die Schweizer Diplomatin, zwischen der Armee und der gestürzten Regierung zu vermitteln. Von einem «herben Rückschlag» für den Demokratisierungsprozess im Land sprach sie im Interview mit dieser Zeitung. «Es ist eine Katastrophe.»

In Myanmar reissen die Proteste noch immer nicht ab. Erst vor wenigen Tagen traf sich die UNO-Gesandte mit Vertretern der Militärjunta, warnte sie vor Gewalt gegen die Demonstranten. Bald jedoch wird Schraner Burgener weiterziehen: Der Bundesrat ernannte die 57-Jährige zur neuen Staatssekretärin für Migration. Sie ersetzt Mario Gattiker, der das ordentliche Pensionsalter erreicht.

Die Leitung des Staatssekretariats ist eine der Schlüsselstellen im Justizdepartement von Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP). Gattiker hat in den vergangenen Jahren die Asylpolitik der Schweiz geprägt. Ihre neue Stelle wird Schraner Burgener wegen des UNO-Mandats erst Anfang 2022 antreten.

PORTRAIT SCHWEIZER BOTSCHAFTERIN IN BERLIN --- Schweizer Botschafterin in Berlin Christine Schraner-Burgener portraitiert am 28. September 2015 in der Schweizer Botschaft in Berlin. (KEYSTONE/Christia ...
Bild: KEYSTONE

Ihre Ernennung ist aus mindestens vier Gründen bemerkenswert. Erstens: Dass Keller-Sutter den Posten mit einer international erfahrenen und geschätzten Spitzendiplomatin besetzt, ist ein «Zeichen der wachsenden internationalen Vernetzung der Migrationspolitik», wie es die Bundesrätin an einer Medienkonferenz am Donnerstag formulierte. Zweitens: Die Freisinnige übergibt das kontroverse Asyldossier einer erklärten Linken, denn Schraner Burgener ist SP-Mitglied.

Bemerkenswert ist drittens, dass Keller-Sutter bei einem weiteren Spitzenposten in ihrem Departement auf eine Frau setzt. Bereits jetzt sind 10 ihrer 17 engsten Mitarbeitenden weiblich, rechnete «Le Temps» jüngst vor. Über Feminismus rede sie nur ungern, heisst es von der St.Gallerin, sie praktiziere ihn lieber durch Taten.

Und viertens ist festzuhalten, dass künftig alle fünf Staatssekretariate beim Bund von Frauen geleitet werden. Es handelt sich um eigentliche Schatten-Ministerinnen: Die Staatssekretärinnen sind die hochrangigsten Beamtinnen des Landes. Sie handeln völkerrechtliche Verträge aus und führen die wichtigsten Dossiers.

Mit Doris Leuthard im Hörsaal

Genau 30 Jahre ist es her, seit Christine Schraner Burgener in den diplomatischen Dienst des Aussendepartements eintrat. Nach mehreren Stationen im Ausland und in der Berner Zentrale war sie unter anderem Leiterin der Abteilung Menschenrechte und Humanitäres Völkerrecht. Schraner Burgener führte auch die Schweizer Delegation bei den Verhandlungen, die zum weltweiten Streubombenverbot führten. Dies bezeichnete sie einst als ihren grössten diplomatischen Erfolg.

Von 2009 bis 2015 war sie Botschafterin in Thailand, danach übernahm sie bis 2018 als erste Frau den wichtigen Botschafterposten in Deutschland. Mit ihrem Mann, dem Diplomaten Christoph Burgener, führte sie als Erste ein Jobsharing auf Botschafterebene. Gemeinsam arbeitete das Paar, das zwei erwachsene Kinder hat, in Dublin und Bangkok.

ARCHIVBILD ZUR VERPFLICHTUNG VON ALT-BUNDESRAETIN DORIS LEUTHARD FUER DEN VERWALTUNGSRAT VON STADLER RAIL, AM DONNERSTAG, 21. NOVEMBER 2019 - Portrait of Federal Councillor Doris Leuthard, head of the ...
Doris Leuthard ist seit ihrer gemeinsamen Studienzeit mit Schraner Burgener befreundet.Bild: KEYSTONE

Ursprünglich studierte sie Rechtswissenschaften in Zürich. Eine Kommilitonin, die sich im Hörsaal zufälligerweise neben sie setzte und mit ihr ins Gespräch kam, legte selbst eine steile Karriere hin: Doris Leuthard. Die spätere Bundesrätin ist bis heute mit der Diplomatin befreundet. Auf Anfrage lässt sie ganz einfach Schraner Burgeners Palmarès sprechen: «Sie bringt viel Erfahrung mit, gerade in der internationalen Flüchtlingspolitik wird das hilfreich sein», sagt Leuthard.

Asylpolitik polarisiert stark

Tatsächlich befasste sich Schraner Burgener in den vergangenen Jahren intensiv mit Migrationsfragen. Als UNO-Sondergesandte für Myanmar kümmert sie sich um die muslimische Minderheit der Rohingya, sie war mitverantwortlich für die Rückführung von rund einer Million Flüchtlinge. Seit über 70 Jahren verfolgt das Militär die Minderheit im Teilstaat Rakhine. Was wird sie nach dem jüngsten Putsch noch ausrichten können? «Noch einiges», hofft Schraner Burgener. Gleichzeitig zeigte sie sich im Interview mit dieser Zeitung betrübt:

«Alles, was wir in den letzten drei Jahren auf den Weg gebracht haben, ist wie auf einen Schlag verschwunden.»

In Bern wird sie auf andere Widerstände treffen. Asylpolitik ist vor allem auch Innenpolitik. Bundesrätin Keller-Sutter weiss: «Kaum ein Thema polarisiert so sehr wie die Migration.» Die neue Staatssekretärin werde die Neuorganisation des Asylwesens konsolidieren müssen; eine der komplexesten Aufgaben beim Bund, wie es Keller-Sutter nennt.

Bundesraetin Karin Keller-Sutter, links, und Botschafterin Christine Schraner Burgener, designierte Staatssekretaerin fuer Migration, rechts, kommen an einer Medienkonferenz zur Ernennung der neuen St ...
Keller-Sutter und Schraner Burgener.Bild: keystone

Christine Schraner Burgener selbst will sich noch nicht inhaltlich zu ihrer künftigen Aufgabe äussern. Ihre Bald-Chefin jedoch ist sicher, «dass sie auch für die innenpolitische Auseinandersetzung mit diesem Thema die richtige Person ist». Davon sei sie schlicht persönlich überzeugt.

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23 Kommentare
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T. Eddy
25.02.2021 16:54registriert Oktober 2015
Isch doch super so viel Fraue uf wichtige Poste 🥳
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pamayer
25.02.2021 16:50registriert Januar 2016
Eine SP Frau ist sicher mal eine gute Besetzung. Der Polit Alltag dürfte vieles von ihr abfordern, Geduld, Frustrationen, Rückschläge.
Taten statt Worte.
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plataoplomo
25.02.2021 23:05registriert Februar 2020
Jetzt müsste sie nur noch lernen wie man eine FFP2-Maske korrekt über der Nase trägt. War ein Trauerspiel an der PK. Und dies nach einem Jahr Pandemie...
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