Der Schweizer Detailhandel ist im laufenden Jahr so stark umgepflügt worden wie noch nie. Zahlreiche traditionellen Anbieter wechselten den Besitzer.
Für die grössten Schlagzeilen sorgte im zu Ende gehenden Jahr der Verkauf von Möbel Pfister. Im Oktober erklärte der österreichische Gigant XXXLutz, dass er das Schweizer Traditionshaus kauft. Möbel Pfister war der grösste Fachhändler der Schweiz und hinter Ikea die Nummer zwei des Markts.
Dabei hatte Pfister-Präsident Rudolf Obrecht nur zwei Jahre zuvor in einem Interview mit der «Luzerner Zeitung» erklärt, dass sein Unternehmen nicht zum Verkauf stehe. «In unserer Stiftungsurkunde heisst es klipp und klar, dass wir nicht verkäuflich sind», hiess es damals.
Tempi passati. Der Stiftungszweck wurde zwei Jahre später kurzerhand geändert und der Deal abgewickelt. Als Grund für den Verkauf nannte die F.G. Pfister Holding, dass es für Einrichtungshändler immer anspruchsvoller werde, sich im «zunehmend globalisierten und kompetitiven Marktumfeld weiter zu entwickeln».
Bemerkenswert war auch der Befreiungsschlag, zu dem die Migros im Sommer angesetzt hatte. Angesichts der schlecht laufenden Geschäfte wurde eine Reihe von Tochterunternehmen zum Verkauf gestellt. Danach ging es Schlag auf Schlag: Nur drei Monate später ging die im Vertrieb von Elektrofahrrädern tätige M-Way an die Schweizer E-Mobility-Gruppe.
Sechs der elf Interio-Läden gingen Ende November ebenfalls an XXXLutz und das Dekorations- und Einrichtungsgeschäft Gries Deco und Depot nur wenige Tage später an den früheren Besitzer Christian Gries aus Deutschland. Ebenfalls im Schaufenster steht die verlustreiche Warenhausgruppe Globus, hierzu hat sich aber nicht nichts konkretisiert. Diese soll noch in der ersten Jahreshälfte 2020 veräussert werden.
«Wir befinden uns in einer Phase der Umgestaltung», fasst Nicolas Inglard, CEO des auf Handel spezialisierten Unternehmens Imadeo, im Gespräch mit AWP zusammen. Gerade der Umbruch bei den Möbelhäusern sind für Inglard keine Überraschung. «Wenn wir uns den Möbelmarkt in der Schweiz ansehen, wird er von Rabatten dominiert. Und es ist ein Discounter, der Interio und Pfister kauft, die zur Mittelpreisklasse gehören.»
Auch in der Schweiz wächst der Branchenprimus Ikea weiter und wird mit der geplanten Eröffnung eines zehnten Marktes in der Schweiz expandieren. «Es gibt dieses Klischee vom Schweizer Konsumenten. Er will Qualität. Aber das bedeutet nicht, dass er Premium will. Sonst hätten Lidl und andere es nicht in die Schweiz geschafft.»
Auch der Textilbranche geht es schlecht. Die Episode rund um Episode Charles Vögele und OVS von 2018, die am Ende viele Arbeitsplätze kostete, ist noch gut in Erinnerung.
Im Textilsektor machen oft der Onlinekanal und zusätzliche Dienstleistungen den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg aus. Wie die deutsche Zalando, die kostenlose Lieferung und Rückgabe verspricht. Der Versand erfolgt ab Lahr, etwa 100 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt.
Laut Deloitte-Expertin Karine Szegedi hat für den stationären Handel das letzte Stündchen aber noch nicht geschlagen. Aber er müsse sich wandeln. «Kaufhäuser müssen sich neu erfinden, indem sie sich auf das Kundenerlebnis konzentrieren. Mit einem Theater, einem Kino oder Restaurants, in denen man Möbel kaufen kann. Wir gehen dorthin, um etwas anderes zu erleben», erklärte sie.
Die Deloitte-Expertin erwähnte etwa ein sehr angesagtes Piercing-Atelier im exklusiven Warenhaus Harrods in London. Ihr zufolge funktioniert auch die Kombination von physischem und Online-Handel gut. Szegedi verweist auf das Westfield Shopping Centre in London. Dieses experimentiert und testet immer wieder neue Konzepte.
Wie diesen Sommer einen Pop-Up-Store, der mit künstlicher Intelligenz arbeitet. Dort konnten Kunden Kleidung anprobieren und erwerben, die gerade in Echtzeit online im Trend lag und von Influencern getragen wurde. (sda/awp)