Im Zentrum der Anklage steht in erster Linie die berühmte Abu-Dhabi-Affäre. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, gegen den sich Pierre Maudet wehren muss, lautet Verdacht auf Vorteilsannahme. Sprich: Hat er korrupt gehandelt? 2015 reiste der damalige FDP-Politiker in den Wüstenstaat, begleitet von seiner Familie und seinem Stabschef Patrick Baud-Lavigne. Die beiden Genfer Vermittlungsmänner Antoine Daher und Magid Khoury waren ebenfalls vor Ort – sie sind angeklagt, genauso wie Maudets Stabschef. Die Staatsanwalt glaubt, dass die beiden Geschäftsmänner Maudet tatkräftig unterstützten, um wirtschaftliche Vorteile für sich bei Genfer Projekten rauszuholen.
Maudet flog in der Business-Class, residiert im Fünfsterne-Hotel und war Gast beim Formel-1-Rennen. Kostenpunkt: Rund 50’000 Franken. Bezahlt wurde die Reise vom Kronprinzen des Emirats. Dabei fanden auch Gespräche mit Regierungsvertretern statt. Maudet behauptete anfangs, er habe die Reise selber bezahlt. Doch am Schluss fällt sein Lügenkonstrukt zusammen. Der Genfer musste eingestehen, dass er nicht die Wahrheit gesagt hatte. Zudem geht es im Prozess um eine politische Umfrage im Wert von rund 30'000 Franken, die Maudet zu seinen Nutzen in Auftrag gab, allerdings von den Firmen von einem der beiden Mittelsmänner bezahlt wurde.
Der Zutritt zum an sich öffentlichen Gerichtsprozess ist aufgrund der Corona-Pandemie stark beschränkt. Dies gilt auch für die Anzahl Medienvertreter. 23 Journalisten sind anwesend. Es herrscht Maskenpflicht im Saal, auf die Gerichtspräsidentin Sabina Mascotto alle Anwesenden beim Prozessstart um 9 Uhr aufmerksam macht, und überall stehen Desinfektionsmittel-Spender. Auch Plexiglas-Wände sind teilweise installiert.
Maudet sitzt in der vordersten Reihe im Angesicht der Gerichtspräsidentin, mit rund zwei Meter Abstand neben ihm sein Ex-Kabinettschef Patrick Baud-Lavigne. Hinter Maudet ist sein Anwalt Grégoire Mangeat platziert. Der Regierungsrat ohne Befugnisse trägt einen dunkelblauen Anzug mit weissem Hemd, und eine hellblaue Einwegmaske.
Zu Beginn erheben die Anwälte der Beschuldigten Geschäftsmänner Daher und Khoury Einsprachen. Sie wehren sich gegen die Anklage der Vorteilsannahme – was dem ersten Staatsanwalt Stéphane Grodecki nicht passt. Er zitiert aus einer Kurznachricht von Antoine Daher an seinen Chef von 2017, also nach der Abu-Dhabi-Reise von 2015: «Ich treffe heute Pierre zum Abendessen. Brauchst du irgendwas?» Dies zeige klar, dass die Angeklagten guten Grund hatten, sich vom Ex-FDP-Politiker Vorteile zu erhoffen.
Danach ist Raoul Schrumpf im Verhör – der fünfte Angeklagte in diesem Prozess. Er war Direktor der Handelsabteilung in Maudets Wirtschaftsdepartement. Ihm wird Amtsmissbrauch vorgeworfen, da er eine Bewilligung für eine Bar beschleunigte, die Geschäftsmann Antoine Daher gehörte. Schrumpf verteidigt sich: «Ich wurde instrumentalisiert», sagt der Vater von drei Kindern, der wegen der Affäre seinen Job verloren hat.
Er habe den Auftrag für die rasche Bewilligung des unvollständigen Antrags für die Bar von Maudets Kabinettschef Baud-Lavigne erhalten und diesen entsprechend ausgeführt. Er weist die Schuld nach oben zurück, an seine beiden Vorgesetzten. Von ihnen sei der Druck ausgegangen. So habe er nach der Hausdurchsuchung in seinem Büro durch die Staatsanwaltschaft im Herbst 2018 mehrere Anrufe von Maudet erhalten, die er nicht beantwortete. Daraufhin blockierte er Maudets Handynummer. Schrumpf sagt, er sei enttäuscht und fühle sich verraten.
Maudet musste sich am Vormittag des ersten Prozesstages noch nicht selber äussern.
Je nach dem wie lange die Anwälte für ihre Voten und Befragungen benötigen, ist mit einem Entscheid des Richters am Freitag, 19. Februar, zu rechnen. Wenn sich der Prozess aber in die Länge zieht, könnte das Urteil erst am Dienstag, 23. Februar, verkündet werden.
Im schlimmsten Fall drohen drei Jahre Haft. Maudet hatte einst gesagt, dass er im Falle einer Verurteilung als Regierungsrat zurücktreten würde. Dies hat er – unabhängig vom Urteil – bereits getan. Aber auch sonst ist ihm zuzutrauen, eine Erklärung dafür zu finden, weshalb er auf keinen Fall aufgeben und das Urteil weiterziehen wird. Zudem befindet er sich bereits im Wahlkampfmodus: Bei seinem erzwungenen Rücktritt als Staatsrat im Oktober kündigte er gleichzeitig an, bei den Ersatzwahlen am 7. März gleich selbst als sein Nachfolger zu kandidieren. (saw/bzbasel.ch)
... man wird wohl noch träumen dürfen.