Der Handwerker schwingt sich aufs Velo, fährt in die Werkstatt. Mittags holt er sich ein Sandwich, selten isst er im Restaurant. Oft arbeitet er länger als seine Kollegen. Vor kurzem verunfallte er. Seither könne er nicht mehr richtig arbeiten, sagt er. Nach neun Stunden in der Werkstatt fährt er nach Hause.
Eine Woche lang observieren der Basler Privatdetektiv Christoph Suter und drei Kollegen diesen Mann. Sie filmen, wie er aus dem Haus kommt und Velo fährt. Schiessen von der Strasse aus Fotos durch das Schaufenster der Bäckerei, wo er einkauft. Sprechen auf Band, wo er sich wie lange aufhält.
Das Material geht an Suters Auftraggeber, eine Unfallversicherung. Deren Verdacht: Der Versicherte könne trotz Unfall arbeiten und brauche keine Rente. Suter soll Beweise liefern. Der Fall liegt 20 Jahre zurück. Der Observierte bekam das Geld, das er gefordert hatte, nicht. Auch vor Gericht verlor er.
20 Jahre lang war Christoph Suter Versicherungsdetektiv. Er observierte etwa 120 Leute, die sich mutmasslich eine Rente oder dergleichen erschlichen. «In den meisten Fällen stimmte der Verdacht», sagt er. Alles, was er brauchte, war eine Bewilligung im Kanton, in dem er ermittelte. Wobei nicht einmal alle Kantone eine solche fordern. Seine Aufträge erhielt er ausschliesslich von privaten Versicherungen. Die aktuelle Diskussion dreht sich aber nur um Sozialversicherungen, insbesondere um die staatliche Invalidenversicherung (IV). Für Suter ist das einerlei: «Der Job bleibt derselbe.»
Durch ein Urteil des Gerichtshofes für Menschenrechte wurde die längst gängige Praxis von Versicherungen zum Thema. Das Parlament schuf den geforderten Gesetzesartikel, gegen den Bürger nun das Referendum ergreifen wollen. Suter hält deren Bedenken, «Spione» würden den Leuten unter die Bettdecke sehen dürfen, für «übertrieben». Dennoch sieht auch er heikle Punkte im umstrittenen Gesetz.
GPS-Tracker und Drohnen gab es zu Suters Zeiten noch nicht in der heutigen Form. Er musste sich mit Foto- und Videokameras begnügen. Das Aufnahmegerät habe nur dazu gedient, die eigenen Notizen nicht aufschreiben zu müssen. «Tonaufnahmen von den Observierten waren tabu», sagt Suter. Genauso wie beispielsweise Fotos, die, wie auch im jetzigen Gesetz vorgesehen, nicht von einem allgemein zugänglichen Ort aus aufgenommen wurden. Nun sollen unter gewissen Voraussetzungen aber auch GPS-Tracker und Drohnen erlaubt werden. «Drohnen sind heikel und müssten meiner Meinung nach nicht sein», sagt Suter.
Die Gefahr des Missbrauchs sei zu gross. Einen Verdächtigen von der Strasse aus zu filmen, wie er in seinem Garten den Rasen mäht – das sei für ihn in Ordnung. «Wenn einer aber mit der Drohne arbeitet, kann er in Versuchung kommen, diese über eine Mauer steigen zu lassen. Das wäre etwa so, wie wenn ich damals eine Leiter genommen oder meine Kamera an einem Stab festgemacht hätte», sagt er.
Die Bürger, die gegen die legale Observierung kämpfen, befürchten unter anderem genau solche Eingriffe in die Privatsphäre. Ausserdem sind sie gegen den Einsatz von GPS-Trackern. In diesem Punkt ist Suter anderer Meinung: «Von solchen Möglichkeiten haben wir geträumt.» Hätte es zu seiner Zeit brauchbare GPS-Geräte gegeben, hätte er nicht weitere Kollegen für eine Observation aufbieten müssen.
«Um dem Observierten auf den Fersen bleiben zu können, mussten wir zu dritt oder zu viert in zwei Autos unterwegs sein», sagt er. Heute reiche ein Detektiv. «Solange dieser seriös arbeitet, sehe ich keine Probleme.»
Seriös bedeutet für ihn unter anderem, dass er eine polizeiliche Bewilligung hat. Von Seiten der IV heisst es dazu: «Die IV-Stelle legt im Auftrag an das spezialisierte Unternehmen schriftlich fest, dass sich Observationen innerhalb des gesetzlichen Rahmen bewegen müssen. Dazu gehören auch allfällige Bewilligungen.»