Schweiz
SP

Kampf ums SP-Präsidium: So wollen Seiler/Reynard die Favoriten schlagen

Die Kandidatinnen und Kandidaten fuer das SP-Praesidium Priska Seiler Graf, SP-ZH, Mathias Reynard, SP-VS, Cedric Wermuth, SP-AG, und Mattea Meyer, SP-ZH, von links, verfolgen die Jahresversammlung de ...
Die beiden Kandidaten-Duos bei ihrem Auftritt vor der Juso in Bern (von links): Priska Seiler Graf, Mathias Reynard, Cédric Wermuth, Mattea Meyer.Bild: KEYSTONE

Heisser Kampf ums SP-Präsidium: So wollen Seiler/Reynard die Favoriten schlagen

Priska Seiler (51) und Mathias Reynard (32) geben Gas. Mit neuen Papieren akzentuieren sie ihre Positionen massiv. Sie präsentieren vier Initiativ-Projekte. Und sie wollen Netto Null Emissionen bis 2030. Damit gehen sie deutlich weiter als die SP.
14.03.2020, 07:5414.03.2020, 12:35
Othmar von Matt / ch media
Mehr «Schweiz»

Bei der Wahl für das neue Präsidium der SP werde es nicht um eine ideologische Weichenstellung gehen. Zu ähnlich seien sich alle Positionen. «Unabhängig von der Entscheidung des Parteitages», schreiben die Nationalräte Priska Seiler und Mathias Reynard, «wird die SP Schweiz klar links verankert sein.» Entscheidend sei der Stil.

Das halten die beiden in einem neuen Papier unter dem Titel «Eine gewisse Vorstellung von Politik» fest. Gleichzeitig haben sie mit einem Prioritäten-Papier ihre programmatischen Positionen massiv geschärft.

Seiler (51) und Reynard (32) sind – verglichen mit dem homogenen Duo Cédric Wermuth (34) und Mattea Meyer (32) – ein ungleiches Tandem. Seiler ist Zürcher Exekutivpolitikerin, Gewerkschafter Reynard bezeichnet sich als Aktivist im Wallis.

Ein öffentlicher Wahlkampf wie nie zuvor

Neu für die Schweiz ist, dass die beiden Paare einen öffentlichen Wahlkampf führen um das Parteipräsidium. «So, als ob sie für ein Regierungsamt kandidierten», analysiert Nationalrat Eric Nussbaumer.

Es waren Meyer/Wermuth – Codenamen #teammamuth –, die mit ihrem Programm «Aufbruch» im Dezember die Gangart diktierten. Seiler/Reynard mussten nachziehen. Mit der Hilfe eines Teams haben sie ihren eher schwammigen Aktionsplan vom Februar massiv überarbeitet. Er liegt CH Media vor.

Zwar wird der Parteitag der SP auf den 17./18. Oktober verschoben. Und die Kandidaten begeben sich per sofort in eine freiwillige Wahlkampf-»Quarantäne» bis am 10. August. Solange gibt es weder Facebook-Posts noch Interviews zu den Präsidiums-Wahlen.

Die Co-Kandidatin fuer das SP-Parteipraesidium, Priska Seiler Graf, anlaesslich des ersten offiziellen Hearings, am Donnerstag, 5. März 2020, in Bellinzona. (KEYSTONE/Ti-Press/Samuel Golay)
Priska Seiler.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Gemeinwohl statt Selbstzweck – eine Anspielung

Am Samstag ist die letzte Gelegenheit, sich noch zu äussern. Seiler/Reynard grenzen sich im Papier zum Politikstil ab von Meyer/Wermuth. Politik müsse stets «im Interesse des Gemeinwohls» stehen, dürfe nicht «Selbstzweck» sein, heisst es da. Ein Satz, der als Spitze gegen die Konkurrenten verstanden werden kann.

Auch wollen Seiler/Reynard die SP «nicht auf eine Bewegung reduzieren». «Wir sind stolz darauf, eine Partei zu sein», sagt Seiler. Meyer/Wermuth hingegen wollen die SP «an der Spitze einer Bewegung sehen».

Die SP sei verpflichtet, Ergebnisse zu erzielen, betont Reynard. «Wir wollen die Lebensqualität der Menschen erhöhen: bei Kindern mit Krippen, bei Studenten mit Stipendien, bei Arbeitern mit Burn-Out-Hilfen, im Alter mit Pflege.»

Die Liebe zum Instrument Initiative

Dafür soll die SP den ganzen Werkzeugkasten nutzen. Selbst Klagen vor Gericht. Doch die Zürcherin und der Walliser haben eine Vorliebe für Initiativen. «Sie stehen für kreative und konstruktive Politik», sagt Seiler. In ihrem Papier zu den Prioritäten der SP finden sich vier Initiativ-Projekte, die direkt auf ihre Ideen zurückgehen.

Sie planen im Falle ihrer Wahl eine weitere Initiative für eine Einheitskrankenkasse mit einkommensabhängigen Prämien. Gleichzeitig denken sie an eine Initiative für den Beitritt der Schweiz zum Atomwaffenverbotsvertrag. Sie erwägen aber auch eine Initiative «Ausserfamiliäre Kinderbetreuung als Service Public». Und eine Initiative «Garantierte Weiterbildung als Antwort auf die Digitalisierung».

Der Co-Kandidat fuer das SP-Parteipraesidium, Mathias Reynard, anlaesslich des ersten offiziellen Hearings, am Donnerstag, 5. März 2020, in Bellinzona. (KEYSTONE/Ti-Press/Samuel Golay)
Mathias Reynard.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Service Public als stärkstes Kapitel

Das stärkste Kapitel im Prioritäten-Papier ist das über den Service Public. Ein Begriff, der im «Aufbruch»-Papier nicht auftaucht. «Er ist essenziell für die soziale Kohäsion des Landes. In den letzten Jahren sahen wir eine Zerschlagung der Service-Public-Leistungen», schreiben Seiler/Reynard – und sehen grossen Handlungsbedarf.

Sie fordern ein Moratorium für die Schliessung von Poststellen und Bahnschaltern. Mittelfristig sollen für Jugendliche und ältere Menschen die Bahnpreise gesenkt werden.

Seiler/Reynard thematisieren fünf weitere Bereiche:

Gleichstellung und Familien: «Die SP ist die Familienpartei», sagt Mathias Reynard. Er hat mit Innenminister Alain Berset über eine Anti-Diskriminierungs-Kommission diskutiert, analog zur Anti-Rassismus-Kommission.

Arbeit: Das Duo fordert Anerkennung des Burnouts als Berufskrankheit.

Sozialpolitik und Gesundheit: Das Duo setzt auf eine 13. AHV-Rente. Zudem spricht es sich für eine Zahnversicherung aus, die über eine Steuer auf Süssgetränke finanziert werden soll.

Ökologie und Klima: «Die SP Schweiz ist die wichtigste ökologische Partei der Schweiz», sagt Seiler. Das Duo setzt auf Normen-Verschärfungen für Luft, Lärm und Feinpartikel und will Netto Null Emissionen bis 2030 erreichen. Das ist eine massive Verschärfung gegenüber der offiziellen SP-Haltung.

Internationale Schweiz: Seiler/Reynard wollen, dass die neutrale Schweiz «keine Kriegsmaterialexporte» mehr macht.

Meyer/Wermuth setzen in «Aufbruch» andere Akzente bei solidarischer Globalisierung, Selbstbestimmung der Menschen in der Wirtschaft und Einbürgerung von Migranten.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Themen
Gruppenbild ohne Dame – so männlich sind Kantonsregierungen (10.03.2019)
1 / 23
Gruppenbild ohne Dame – so männlich sind Kantonsregierungen (10.03.2019)
Frauen haben es bis heute schwer, in der Schweiz in politische Ämter gewählt zu werden. Insgesamt stellen sie in den Kantonen bloss 25 Prozent aller Regierungsmitglieder. Sechs Kantone werden derzeit vollständig von Männern regiert. So ist etwa der Regierungsrat von Appenzell Ausserrhoden seit dem Rücktritt von Marianne Koller (FDP) im März 2017 frauenfreie Zone.
quelle: keystone / gian ehrenzeller
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
8 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Der Buchstabe I (Zusammenhang wie Duschvorhang)
14.03.2020 09:14registriert Januar 2020
Mit Meyer/Wermuth an der Spitze wprde die SP definitiv unwählbar.
3026
Melden
Zum Kommentar
avatar
N. Y. P.
14.03.2020 09:26registriert August 2018
Einbürgerung von Migranten ?

Einheitskrankenkasse ?

Ausserfamiliäre Kinderbetreuung als Service Public ?

Also, ich weiss nicht..

Jedem gleich den Pass zuwerfen, die Einheitskasse schon wieder durchkauen und ich möchte nicht wissen, was dieser Service public kosten würde..
3026
Melden
Zum Kommentar
8
Auguste Forel – erst gefeiert, dann vom Sockel geholt
Auf der vorletzten Tausendernote blickte Auguste Forel als weiser, wacher Forscher in die Welt, als Ikone der Wissenschaft und helvetisches Nationalsymbol. Aber dieses stilisierte Heldenbild hielt einer näheren Überprüfung nicht stand. Eine Geschichte über die Tücken der Erinnerungskultur.

Professor Auguste Forel (1848-1931), Dr.med., phil.h.c. und iur.h.c., wurde jahrzehntelang als Personifizierung eines idealen Forschers, als einer der letzten Universalgelehrten der Schweiz gefeiert. Noch in seinem Todesjahr wurde eine Zürcher Strasse nach ihm benannt. 1932, gerade mal acht Monate nach seinem Tod, wurde am Dies academicus der Universität Zürich im Haupteingang auf einem Marmorsockel seine Portraitbüste enthüllt.

Zur Story