Mancher Bundesrat staunte nicht schlecht, als er das als «geheim» taxierte Geschäft in seinen Unterlagen sah. Christoph Blocher, Bundesrat von 2003 bis 2007, fordert die ihm zustehenden Ruhegehälter ein, auf die er bislang verzichtet hat. Das erfuhr die «Schweiz am Wochenende» aus sicherer Quelle. Auf Anfrage bestätigt Christoph Blocher den Sachverhalt, er möchte sich aber nicht dazu äussern.
Es geht gemäss den Unterlagen um viel Geld: 2,7 Millionen Franken. Denn nach mindestens vier Amtsjahren erhalten zurückgetretene oder abgewählte Bundesräte lebenslang eine Rente, die exakt die Hälfte eines Bundesratslohns ausmacht. Dieser beträgt aktuell 451'500 Franken im Jahr, bei Blochers Abwahl war es noch etwas tiefer. Folglich beträgt das Ruhegehalt 225'000 Franken. Alles in allem hat der ehemalige Justizminister bislang auf rund 2,7 Millionen Franken verzichtet.
Die grosse Frage ist: Warum will Blocher, dessen Familie gemäss «Bilanz» zu den zehn reichsten Schweizern gehört, die Rente nun doch? Und wieso gerade jetzt?
Dafür gibt es einen persönlichen und einen wirtschaftlichen Grund:
Die Ruhegehalts-Regelung für Bundesräte (und auch für Bundesrichter) ist umstritten und immer wieder Gegenstand von Reformversuchen, die aber regelmässig scheitern. Erst letztes Jahr versenkte der Ständerat auf Antrag von Bundesrat und Bundeskanzler ein Postulat von Peter Hegglin (CVP, ZG), der einen Bericht zum Thema verlangte. Die Ruhegehaltsregelung stamme noch aus der Zeit, als es keine zweite Säule gab, hatte Hegglin kritisiert.
Auch Blocher selbst gehörte stets zu den Kritikern der Ruhegehälter. Der Bund hat für diese ein eigenes Kässeli. Es ist keine Pensionskasse, in die Arbeitgeber ebenso wie Arbeitnehmer einzahlen. Blocher forderte aber genau dies. Zudem verlangte er, die Ruhegehälter zu halbieren; das wäre automatisch der Fall gewesen, wenn seine Idee der Halbierung der Bundesratslöhnen durchgekommen wäre.
Heikel an Blochers Forderung ist die Rückwirkung. Zwar kann ein Bundesrat, solange er lebt, jederzeit verlangen, dass er eine Rente bekommt, auch wenn er jahrelang verzichtet hat. Doch kann er auch den summierten Betrag seit seinem Rücktritt oder seiner Abwahl einfordern?
Dazu schreibt die Bundeskanzlei gegenüber der «Schweiz am Wochenende» nur allgemein:
«Aus Gründen des Datenschutzes und des Persönlichkeitsschutzes informieren wir nicht darüber, wer Ruhegehälter bezieht und wie sie beantragt wurden. Generell können wir sagen, dass bisher noch nie Ruhegehälter rückwirkend ausbezahlt wurden. Weder das Gesetz noch die Verordnung äussern sich zur Frage eines rückwirkenden Bezugs. Solche Rechtsansprüche müssen im konkreten Fall durch Auslegung festgestellt werden. Im Auftrag des Bundesrates wird die Bundeskanzlei zusammen mit dem EJPD klären, wie diese rechtliche Unklarheit behoben werden könnte, sodass Ruhegehälter nicht rückwirkend bezogen werden können. Sollte eine Anpassung der Verordnung oder des Gesetzes notwendig sein, würde der Bundesrat dem Parlament eine entsprechende Botschaft unterbreiten.»
Ganz offensichtlich könnte Blocher mit seiner rückwirkenden Forderung also abblitzen. Jedenfalls will der Bundesrat verhindern, dass Ruhegehälter rückwirkend bezogen werden können. Dem Vernehmen nach ist der Bundesrat auch über die Summe verärgert: 2,7 Millionen Franken würden das Ruhegehalt-Kässeli über die Budgetplanung hinaus arg belasten, heisst es. Es alimentiert zurzeit 20 Altbundesräte. Die Auszahlungen pro Jahr also: Rund 4,5 Millionen Franken.
Welche Bundesräte zeitweilig auf ihren Rentenanspruch verzichtet haben, ist nicht öffentlich. Die «Weltwoche», die die Frage Ende 2018 recherchierte, nannte einzig Christoph Blocher. In einem «Schweiz am Wochenende»-Interview hatte auch Johann Schneider-Ammann (FDP) angekündigt, allenfalls zu verzichten, als er Ende 2018 zurücktrat. Er sagte: «Werde ich nicht armengenössig, brauche ich es wahrscheinlich nicht.» Ob er dann tatsächlich verzichtete, ist nicht bekannt.
Ich frage mich, wie viele Personen man für 2.7 Mio CHF unterstützen könnte?!