Es ist der letzte kantonale Stimmungstest vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst. Der Kanton Tessin wählt am Sonntag sein Parlament und die Regierung. Aus nationaler Perspektive interessiert vor allem zweierlei: Geht der Linksrutsch weiter? Und erreicht die grüne Welle schliesslich auch das Tessin?
Bisher zeigte sich bei den kantonalen Wahlen ein klarer Trend: Sitzgewinne für Grüne, Grünliberale, SP und FDP; Sitzverluste für SVP, CVP und BDP.
Ob es Verschiebungen in diesem Ausmass auch im Tessin gibt, ist indes zweifelhaft. Denn der italienischsprachige Südkanton tickt anders als die Schweiz; auch parteipolitisch.
Was in vielen anderen Kantonen die SVP ist, ist im Tessin die Lega dei Ticinesi. Mit 22 Sitzen ist sie nach der FDP die zweitstärkste Kraft im Kanton. Im Gegenzug ist die SVP äusserst schwach vertreten. Ebenfalls auffällig: Die grünen Parteien sind eine Randerscheinung. Die Grünen sind schwach, die Grünliberalen gibt es gar erst seit 2013.
Die Klimadebatte ist inzwischen auch im Tessin angekommen. Das zeigt sich auch daran, dass mit der Lega Verde eine weitere grüne Partei zu den Wahlen antritt. Und doch: Die Hauptthemen im Wahlkampf waren dieselben wie vor vier Jahren: die vielen Grenzgänger, das Lohndumping, die Personenfreizügigkeit sowie das Verhältnis zu Italien.
Einen Linksrutsch, wie ihn dieses Jahr Zürich, Luzern und Baselland erlebten, ist aufgrund der Themenlage wenig wahrscheinlich. Und doch gibt es ein Handicap für die Rechte: Anders als vor vier Jahren haben Lega und SVP auf eine Listenverbindung bei den Parlamentswahlen verzichtet. Das dürfte die Rechte tendenziell schwächen.
Spannung versprechen auch die Wahlen in den Regierungsrat. Zwar treten alle Bisherigen wieder an, trotzdem wagt die FDP den Angriff. Mit Cristina Maderni wollen die Freisinnigen das derzeitig reine Männergremium knacken und wieder eine Frau in die Regierung bringen.
In erster Linie gilt die Offensive der Lega, die zwei von fünf Regierungsratssitzen besetzt. Allerdings könnte es sein, dass am Ende die SP nach beinahe hundert Jahren aus der Regierung fliegt. Manuele Bertoli hat als Erziehungsdirektor die Abstimmung zu seiner umstrittenen Schulreform verloren und ist dementsprechend gefährdet.
Ob er seinen Sitz halten kann, dürfte nicht zuletzt davon abhängen, ob auch die Tessiner Stimmbevölkerung in den vergangenen vier Jahren nach links gerutscht ist. Gewählt wird am Sonntag. Zum letzten Mal bis zu den eidgenössischen Wahlen am 20. Oktober.