Vollgeld? Was ist das? In einer Umfrage von «Luzerner Zeitung» und «St.Galler Tagblatt» gaben 60 Prozent der Befragten an, sie hätten noch nie von der Volksinitiative gehört, über die am 10. Juni abgestimmt wird. Die Befragung stammt von Anfang Februar, doch allzu viel dürfte sich am Befund nicht geändert haben, denn der Abstimmungskampf läuft bislang auf Sparflamme.
Während das Initiativkomitee bereits im März vor die Medien trat, machen die Gegner erst jetzt langsam mobil. Letzte Woche erläuterte Finanzminister Ueli Maurer die ablehnende Position des Bundesrats. Er warnte dabei vor einem «Experiment mit ungewissem Ausgang». Allerdings stösst die Informationspolitik von Bund, Kantonen und Nationalbank den Initianten sauer auf.
Die Behörden würden «verzerrt und lückenhaft» über die Initiative informieren, klagen sie und beziehen sich auch auf das Abstimmungsbüchlein. Michael Derrer, Unternehmer, Hochschul-Dozent, nebenamtlicher Bezirksrichter in Rheinfelden (AG) und «Sympathisant» der Vollgeld-Initiative, hat deshalb eine Abstimmungsbeschwerde beim Aargauer Regierungsrat eingereicht.
Der Vorwurf der nicht gerade astreinen Information fällt jedoch auf die Initianten zurück. Neben ihrem Grundanliegen, dass nur noch die Nationalbank Geld «herstellen» darf, werben sie vor allem mit dem Thema Sicherheit. «Mit der Vollgeld-Initiative wird unser Geld wieder sicher», heisst es in einem Faltblatt, das letzte Woche an die Schweizer Haushalte versandt wurde.
Ein Video des Initiativkomitees, das auf YouTube bereits über 200'000 Aufrufe verzeichnete, treibt das Sicherheitsargument auf die Spitze. Ein Mädchen erklärt darin seinem Grossvater, der sein Bargeld aus Misstrauen gegenüber den Banken in die Matratze stopfen will, dass die Bankkonten bei einer Annahme der Vollgeld-Initiative «absolut sicher» werden. Was der alte Mann gerne hört.
Die Realität sieht anders aus. Wirklich «sicher» sollen nur die Lohn- oder Privatkonten werden, über die der Zahlungsverkehr abgewickelt wird. Geld auf Sparkonten «ist weiterhin im Krisenfall gefährdet, weil es ein Darlehen an die Bank darstellt», räumt Raffael Wüthrich ein, der Sprecher des Initiativkomitees. Den Vorwurf der Fehlinformation weist er zurück. Um Zahlungen vorzunehmen, müsse man heutzutage ein Konto auf einer Bank haben.
Das Geld darauf gehöre automatisch zur Bilanz der Bank, wodurch es bei einem Bankrott gefährdet sei. Bei einer Annahme der Vollgeld-Initiative werde das Lohnkonto «bombensicher», ist der Initiativsprecher überzeugt: «Der Konsument hat in Zukunft die Wahl. Er belässt sein Geld auf einem sicheren Vollgeldkonto, wie beim Bargeld wohl ohne Zins. Oder er deponiert es auf einem risikobehafteten Sparkonto, sodass die Banken damit arbeiten können, und erhält dafür einen Zins.»
Die Vollgeld-Initiative will das Finanzsystem sicherer machen. Die Banken sollen aber weiterhin Kredite vergeben können, einfach nicht mehr mit «selbst erzeugtem» Geld. Sie würden es in Zukunft von den Sparern oder als Darlehen von der Nationalbank erhalten. Mit einem Kredit ist aber auch ein Ausfallrisiko verbunden, das bis zum Konkurs einer Bank gehen kann.
«Absolut sicher» werden die Bankkonten also nicht, wie es das Video suggeriert. Raffael Wüthrich ist dennoch überzeugt, dass das Geld auf den Lohn- und Sparkonten «sehr viel sicherer sein wird als heute». Der heutige Einlegerschutz beim Konkurs einer Bank von maximal 100'000 Franken pro Kunde sei zukünftig bei Lohnkonten nicht mehr nötig und könnte gänzlich für Sparkonten beansprucht werden.
Wirklich sicher ist Geld nur, «wenn man es in einen Tresor versorgt», um einen namentlich bekannten Gewährsmann zu zitieren. Die Vollgeld-Initianten wecken beim Thema Sicherheit Erwartungen, die sie nur bedingt erfüllen können. Vielleicht sollte der Grossvater sein Erspartes doch in die Matratze stecken.