Mit der Kälte sind die Fallzahlen gestiegen - und zugleich die Verkaufszahlen von allerlei Geräten, mit denen man sich im Freien wärmen kann: Heizkissen, Heizstrahler, Heizlüfter oder Thermounterhosen. Von all diesen Artikeln hat der Onlinehändler Digitec Galaxus bisher im September und Oktober, um 110 bis 180 Prozent mehr abgesetzt als im Vorjahr.
Heizlüfter etwa verkaufen sich sonst am besten im Dezember. Vor dem Coronawinter ist der bisherige Verkaufsrekord im September schon gebrochen.
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Im Coronawinter möchten mehr Menschen im Freien bleiben, so lange es das Wetter irgendwie zulässt. Familien wollen mit Besuchern auf beheizte Terrasse wechseln. Grosseltern bestellen Heizkissen, um ihre Enkel im November draussen vor dem Café treffen zu können. Rentnerinnen wollen nicht auf den Stammtisch verzichten und kaufen neue Thermohosen.
Wie so oft in der Coronakrise passiert anderswo in Europa das Gleiche. Stoov, ein niederländischer Hersteller von Heizkissen, hat dieses Jahr bisher vier Mal so viel abgesetzt wie letztes Jahr, an private Kunden und an Restaurants. Vor allem in Deutschland scheint man sich für den Winter zu rüsten. Vor der Krise verkaufte Stoov in den Niederlanden am weitaus meisten. Heute kommt an einem typischen Tag über die Hälfte der Bestellungen aus Deutschland.
Heizkissen, Heizstrahler, Heizlüfter - darauf setzen auch Cafés, Hotels oder Restaurants, solange es nicht zum Lockdown kommt. Aber nicht nur darauf, man hofft auch auf durchsichtige Iglus oder auf umgebaute Gewächshäuser, die auf einzelne Parkplätze passen sollen.
Es steht viel auf dem Spiel. Am Mittwoch dürfte der Bundesrat neue Restriktionen bekannt geben, Restaurants müssten um 22 Uhr schliessen. Dabei hat die Gastronomie bereits zuvor gelitten. Bis zum Sommer gingen über 30'000 Jobs verloren - oder 12 Prozent aller Stellen. Schon damals warnte Casimir Platzer, Präsident des Branchenverband Gastrosuisse: «So wie es jetzt ist, kann unsere Branche nicht funktionieren.»
Nun steht der Coronawinter bevor. Der Gastroexperte Peter Herzog rechnet damit, dass ein durchschnittlicher Betrieb um die 25 Prozent weniger verdient als im Vorjahr. Die Restriktionen würden weh tun, auch der Trend zum Homeoffice. Die Rezession zwinge viele zum Sparen. Firmenevents würden abgesagt.
Diese Ballung von widrigen Trends würden viele Betriebe nicht auffangen können, so Herzog. «Wie viele aufgeben, weiss niemand. Das hängt auch vom Verlauf der Pandemie ab.»
Einige Städte und Kantone wollen helfen. Die Stadt Bern will Restaurants etwas an die Anschaffungskosten von Heizkissen zahlen. Baselland lässt Heizstrahler vorübergehend zu. Basel Stadt verlängert die Erlaubnis, aussen grössere Flächen zu nutzen. In der Stadt Zürich dürfen Wetterschutz-Bauten aufgestellt werden, eine Bewilligung braucht es nicht. Und es darf draussen geheizt werden, so lange erneuerbare Energie verwendet wird.
Reicht das, um grössere Schäden abzuwenden? Thomas Tellenbach, Direktor von Gastroluzern, bleibt skeptisch. Extra Bauten im Freien aufzustellen, sei oftmals kein gangbarer Weg. Es fehle an Geld, nachts müsse man mit Vandalismus rechnen. Heizkissen würden nicht helfen.
Man müsse diese nach jedem Kunden wieder aufs Neue desinfizieren, um den Covid-Verordnungen zu genügen. «Das ist nicht machbar. Etwas anderes zu behaupten, ist Augenwischerei.» Ein Unglück kommt selten allein. Tellenbach sagt, die bundesrätlichen Regelverschärfungen zur Gastronomie seien vielerorts missverstanden worden.
Von Gruppen mit mehr als 15 Personen werde in Restaurants abgeraten - so sei der Bundesrat verstanden worden. Die Folge seien zahlreiche Absagen. «Doch so lautet die Empfehlung nicht», so Tellenbach. Einzig dürften sich in Restaurants nicht mehr als 100 Personen auf einmal aufhalten. Die 15 Personen-Empfehlung gelte im Privaten: also, wenn Herr und Frau Müller mehr als 15 Personen bei sich zu Hause haben. Mittlerweile haben einige Kantone aber bereits schärfere Regeln erlassen.
Andere testen neue Wege. Das Restaurant Brücke in Niedergösgen im Kanton Solothurn hat sich fünf durchsichtige Iglus beschafft, die es auf seinem Aussenplatz an der Aare aufstellt. Sie sehen ähnlich aus wie die «Bubbles», die auf den Strassen von New York die Restaurantbesucher vor der Kälte schützen.
Die Gäste bleiben unter sich, Vorspeisen und Raclette stehen schon bereit. Das Personal kommt nur, um abzuräumen und das Dessert zu bringen. Gastgeber Markus Gfeller wollte vorsorgen, falls die Angst vor geschlossen Innenräumen zu gross wird. «In den Iglus können auch Gäste einen schönen Abend verbringen, die vollkommen unter sich bleiben wollen.»
Ein gut durchdachter Plan ist in Zürich entstanden, im Architekturbüro «Waldner Partner». Umgebaute Gewächshäuser sollen es allen recht machen. Ein solches Gewächshaus passt schon auf einen einzelnen Parkplatz und lässt sich ausbauen auf beliebig viele Parkplätze. Damit appelliert man an die politische Linke, die sich ohnehin weniger Parkplätze wünscht.
Der Gastronom erhält mehr Platz für seine Gäste. Damit er sich den temporären Bau leisten kann, müsste man ihm das Gewächshaus auch in den zwei Wintern nach Corona erlauben. Auf diese Weise würden sich auch seine Aussichten verbessern, weniger Gastronomen müssten aufgeben. Lärmgeplagten Anwohnern kommt man ebenfalls entgegen. Hinter den Glasscheiben eines Gewächshauses sind Restaurantgäste weniger zu hören, als wenn sie im Freien amüsieren. Die Scheiben wären aus Sicherheitsglas, Vandalen müssten schon mit dem Hammer anrücken.
Auch Umweltbewussten will man gerecht werden. Die Gewächshäuser würden beheizt mit Infrarotstahlern. Diese wiederum werden betrieben mit Strom vom kantonalen Elektrizitätswerk, das ausschliesslich Strom aus erneuerbaren Energien liefert.
Werden derlei Gewächshäuser bald in Schweizer Städten anzutreffen sein? Einige Anbieter haben die Chance erkannt. Restaurants prüfen bereits Modelle. Von Waldner Partner heisst es, man müsse abwarten. Doch der Zürcher Stadtrat habe kürzlich das Okay gegeben für temporäre Bauten, ohne dass es eine Bewilligung braucht. «Die Chancen stehen darum gut.» (aargauerzeitung.ch)