Lieber Herr Berset
Es wäre wieder ein General-Dufour-Moment für Sie. Sie erinnern sich? Der Tagsatzungs-General im Sonderbundskrieg mit dem wichtigen Strategie-Grundsatz: «On verra ensuite».
Sie wussten, dass mit den weitreichenden Lockerungen der Corona-Massnahmen neue Infektionsherde entstehen würden. Und Sie mussten auch davon ausgehen, dass diese vorwiegend in Clubs und Gottesdiensten ausbrechen würden. So wie überall sonst auf der Welt auch.
Genau das ist geschehen, nachdem Clubs wieder offen und die Sperrstunde gefallen waren. Aus epidemiologischer Sicht entbehrt das jeglicher Tragik. Es ist nicht anzunehmen, dass sich im Flamingo-Club oder in der Tesla-Bar haufenweise Risikogrüppler angesteckt hätten, die demnächst wieder eine Intensivstation an den Anschlag bringen.
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Aus der Solidaritätsperspektive indes ist durchaus etwas Tragisches passiert: Die Solidarität zwischen den Bevölkerungsgruppen, die Sie im März so wirkmächtig wie wirksam gegen die Ausbreitung des Virus heraufbeschworen hatten? Sie fängt an zu bröckeln.
Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli schimpfte die Clubbesucher aus, die falsche Adressen angegeben hatten. Sie drohte ihnen wie kleinen Kindern mit Tanzverbot. Der Präsident der Gesundheitsdirektoren-Konferenz drohte den Clubbesitzern mit polizeilicher Repression. Und der «Tages-Anzeiger» prangert in Fotos anstehende Clubgänger an und fordert an prominenter Stelle die Schliessung der Clubs.
Die Kommentarspalten? Ein Tenor: Die Jungen sind schuld, wenn wir alle sterben!
Wegen ein paar Spassvögeln und einem fahrlässigen Clubbesitzer sind junge Clubgänger nun in corpore die Sündenböcke für den ersten Infektionsanstieg nach dem Lockdown. Und mit der Jagd nach Sündenböcken beginnt jede gesellschaftliche Entsolidarisierung.
Der müssen Sie jetzt Einhalt gebieten, wenn Sie die wirksamste Waffe im Kampf gegen Corona – den Gemeinschaftssinn, dass wir aufeinander aufpassen müssen – nicht verlieren wollen. Denn bei den Clubs und Clubgängern hört das ja nicht auf. Die sind nur heute dran. Morgen sind es die Kirchgänger, übermorgen die Pendler.
Natürlich sind jetzt die Kantone federführend in der Bekämpfung der Pandemie, aber wir haben nun gesehen, dass die Gesundheitsdirektoren und Kantonsärztinnen nicht das Landesvater-Format haben, um die Bevölkerung adäquat auf die neue Phase der Pandemie-Bekämpfung einzuschwören. Beleidigt die Leute zusammenzustauchen, weil die Betriebe die Schutzkonzepte verlauern? Das wird nur Reaktanz hervorrufen.
Deswegen müssen Sie das jetzt regeln. Sie haben nicht nur die Street Credibility, um der Jugend klarzumachen, dass sie die richtigen Namen und Telefonnummern hinterlassen muss, wenn sie in den Club tanzen geht (denn sie tanzt dort oder woanders, so oder so).
Sie haben kraft Ihres Formats auch die Autorität, allen anderen zu sagen, dass wir mit diesem «Spreader-Shaming» den Zusammenhalt und damit das wirksamste Mittel im Kampf gegen das Virus aus der Hand geben.
Also stehen Sie vor Kamera und Mikrofon und sagen Sie den Leuten, was auch General Dufour gesagt hätte: «Sans Unité» gewinnt man keine Schlacht.
Schon gar nicht die gegen das Coronavirus.
Hochachtungsvoll
Maurice Thiriet
Da drängen die Kantone wochenlang darauf, dass der Bundesrat ihnen die Kompetenzen zurückgibt (was ja zumindest im Bezug auf unterschiedliche Situationen in ländlichen vs. städt. Kantonen auch Sinn macht) ... und wenn's dann soweit, zeigt sich bereits nach einer Woche: Die Kantone eiern wie gewohnt herum, schieben die lautstark geforderte Verantwortung ab und alles schielt beim ersten Hustenanfall wieder auf den Bundesrat. So geht das doch nicht.
Die bürgerliche Politik verlangte vom Bundesrat die Öffnung um jeden Preis, weil die Unternehmen und Verbände dies forderten. Alle versprachen, sie seien selber fähig, die erforderlichen Schutzkonzepte umzusetzen.
Die bürgerliche Mehrheit des Bundesrates setzte diese Forderung der Wirtschaft willig um und nun sollen die SP-Bundesräte dafür schauen, dass die bürgerlichen Versprechen erfüllt werden? Echt?
Die Kantone, die Wirtschaft und ein grosser Teil der Bevölkerung wollten die Öffnungen. War es nicht das Parlament, das darauf drängte, dass der Bundesrat die Macht abgibt? Waren es nicht die Jungen, die den Alten vorwarfen, dass man sie ihretwegen einschränkt?
Irgendwie wollten alle Rechte und gut dastehen, bezahlen und jetzt die Suppe auslöffeln soll wieder Herr Berset?
Ich finde nicht alles gut was Herr Berset macht, aber das permanente torpedieren von Massnahem und dann zum Bund heulen gehen... so läuft das nicht.