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Bündner Baukartell: Später Dank für Whistleblower Adam Quadroni

Adam Quadroni, Whistleblower im Buendner Bauskandal, aufgenommen am Donnerstag, 10. Mai 2018, in Ramosch. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Adam Quadroni verdiene Respekt, Dank und Anerkennung für seine Meldung.archivBild: KEYSTONE

Später Dank für den Whistleblower Adam Quadroni, der das Bündner Baukartell aufdeckte

Der Bündner Regierungspräsident Mario Cavigelli hat am Donnerstag anlässlich der Vorstellung von Untersuchungsberichten zum Bündner Baukartell dem Whistleblower gedankt.
10.06.2021, 17:1810.06.2021, 17:35
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Der Kanton Graubünden war laut einem unabhängigen Expertenbericht nicht in das Baukartell im Unterengadin verwickelt. Mitarbeitende des Tiefbauamts sollen aber eine folgenschwere Fehleinschätzung gemacht haben.

Als der Whistleblower Adam Quadroni 2009 das kantonale Tiefbauamt über illegale Preisabsprachen der Bauunternehmer im Unterengadin informierte, glaubten ihm hochrangige Mitarbeiter nicht. Dies geht aus einer Untersuchung von unabhängigen Professoren im Bereich des Bau- und Staatsrechts der Universität Freiburg hervor. Die von der Bündner Regierung in Auftrag gegebene Studie wurde am Donnerstag in Chur den Medien vorgestellt.

Die Tiefbauamt-Kader hätten ihre Sorgfaltspflicht verletzt, hiess es an der Medienkonferenz. Sie hätten die Meldung des reuigen Kartellmitglieds an die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) weiterleiten können.

Weil die Führungspersonen aber an Quadronis Glaubwürdigkeit zweifelten, handelten sie nicht. Der Whistleblower wandte sich schliesslich 2012 selber an die Weko.

Dank und Anerkennung von der Regierung

Dafür verdiene Quadroni Respekt, Dank und Anerkennung, sagte Regierungspräsident Mario Cavigelli anlässlich der Präsentation der Untersuchungsresultate. Er habe Mut gezeigt, in dem er das Tiefbauamt sowie die Weko über das illegale Baukartell im Unterengadin informierte.

Die Verletzung der Sorgfaltspflicht durch hochrangige Mitarbeiter des Tiefbauamts, nachdem sie an den Aussagen des Whistleblowers zweifelten, sei zu bedauern. Das hätte aber keine Entlassungen zur Folge, so Cavigelli weiter.

Die Parlamentarische Untersuchungskommission (Puk) zum Bündner Baukartell war in ihrem Bericht vom Mittwoch zum Schluss gekommen, dass Mitarbeitende des Tiefbauamtes Verdacht auf das Kartell und später auch Kenntnisse davon gehabt hatten. Sie hätten aber nichts unternommen. Die Puk beurteilte die Unterlassungen der Führungspersonen im Tiefbauamt als Verletzungen der Dienstpflicht.

Keine Hinweise auf aktive Begünstigung

Im Zuge der Untersuchung der Freiburger Professoren kam weiter hervor, dass mindestens eine Liste des Tiefbauamts zu Bauunternehmern gelangte, mit detaillierten Angaben zu geplanten Bauprojekten. Wie, ist bis heute unklar. So könne auch ein Diebstahl nicht ausgeschlossen werden. Der Inhalt der Liste sei zwar nicht geheim gewesen, hätte aber eine Preisabsprache begünstigen können.

Die Experten fanden aber keinerlei Hinweise, dass Mitarbeitende des Tiefbauamts und des Baudepartements das Baukartell im Unterengadin aktiv begünstigten. Auch könnten Mitarbeitenden des Kantons generell keine Fehler vorgeworfen werden, weil sie die Preisabsprachen nicht erkannten.

Nicht zuletzt war die gesetzliche Grundlage im untersuchten Zeitraum von 2004 bis 2012 nicht so entwickelt gewesen wie heute. Im interkantonalen Vergleich habe der Kanton Graubünden aber grundsätzlich eine Vorreiterrolle in der Bekämpfung von illegalen Preisabsprachen eingenommen. Speziell würdigten die Professoren den Einsatz von Präventivmassnahmen gegen die Absprachen nach 2012.

Auf in die neue Normalität

Cavigelli betonte, dass der Kanton das Opfer in der Kartellgeschichte sei. Er sei jahrelang bei Bauprojekten hintergangen worden. Deshalb hätten die am Kartell beteiligten Unternehmen Bussen in Millionenhöhe bezahlen müssen.

Auch die Mitarbeitenden des Kantons haben stark unter dem Kartell gelitten, wie Cavigelli sagte. So sind sie beispielsweise auf der Strasse beschuldigt worden, an den Preisabsprachen mitgewirkt zu haben.

«Ziel ist es nun, eine neue Normalität zu finden und zu leben», erklärte Cavigelli. Dank diversen Massnahmen solle eine erneute Kartellbildung nicht mehr vorkommen.

(dsc/sda)

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quelle: keystone / gian ehrenzeller
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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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HeavyFuel
10.06.2021 20:35registriert April 2019
Kriegt er jetzt auch endlich wieder vernünftigen Zugang zu seinen Kindern oder schaut man weiterhin tatenlos zu, wie seine Ex weiter die Kinder entfremdet? Der arme Kerl wurde von allen Seiten jahrelang niedergemacht und wird wohl sein Leben lang ein gebrochener Mann bleiben.

Niederträchtig!
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Hans Guckindieluft
10.06.2021 19:24registriert März 2021
Na ja, Fehleinschätzung ist ja sehr vornehm formuliert. Wenn danach Kenntnis vom Kartell hatten und trotzdem nichts unternommen haben, nenne ich das Wegschauen. Trotz diesem Bericht, bleibt ein massives „Gschmckle“ übrig. So richtig befriedigend ist das nicht. Da bleiben zu viele Ungereimtheiten übrig oder mit Shakespeare formuliert „da ist etwas faul im Staate Dänemark“.
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Linus Luchs
10.06.2021 22:08registriert Juli 2014
"Cavigelli betonte, dass der Kanton das Opfer in der Kartellgeschichte sei."

Von der Polizei brutal behandelt und in eine psychiatrische Klinik gesteckt wurde aber nicht der Kanton, sondern Adam Quadroni.
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