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Ein Corona-Kredit-Betrüger erzählt, wie man den Bund abzocken kann

Geld
Es ist ganz einfach: Formular ausfüllen, Zahlen erfinden, Geld einstecken.Bild: shutterstock

50'000 in 20 Minuten: So einfach konnte ein Corona-Betrüger den Bund abzocken

Um Firmen vor dem finanziellen Ruin in der Corona-Krise zu retten, hat der Bund Milliarden an Hilfskrediten vergeben. Das hat auch Betrüger angelockt. Wie einfach das gehen kann, erzählte ein Betrüger dem Tages-Anzeiger.
05.10.2020, 08:5205.10.2020, 12:21
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Im März stellte Finanzminister Ueli Maurer das Corona-Hilfsprogramm der zinslosen Hilfskredite vor. Es sollte Firmen, die wegen des Corona-Lockdowns in finanzielle Gefahr geraten, aus der Patsche helfen. Maurer versprach, dass das System sicher sei und Betrug praktisch ausgeschlossen.

Doch so sicher ist das Programm nicht. Ein Corona-Betrüger hat dem Tages-Anzeiger anonym erzählt, wie er die Soforthilfe ausgenutzt und ohne Mühe tausende Franken bekommen hatte. «Die 50’000 Franken hatte ich in 20 Minuten», erzählt der Betrüger dem «Tages-Anzeiger».

Weil der Bund auf unkomplizierte und schnelle Abwicklungen Wert legt, um Firmen in der Coronakrise zu helfen, ist der Weg zu einem Covid-19-Kredit einfach. Man muss nur ein Formular ausfüllen und schwupps: Die Bank überweist einen zinsfreien Kredit bis zu 500'000 Franken. So zumindest funktionierte das gemäss den Aussagen des Corona-Betrügers.

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Für seine IT-Firma, hinter der nicht mehr als eine vage Idee steckte, wollte er einen 50'000 Franken Corona-Hilfskredit. Im Formular gibt er beim Umsatz 500'000 Franken an – eine reine Fantasiezahl.

Vasily ist bereits aktenkundig

Doch nicht nur das ist faul an seinem Antrag: Hätte die Bank einen Auszug aus seinem Strafregister verlangt, hätte sie entdeckt, dass er bereits mit Rauschgift gehandelt und diverse Betrugsdelikte, Urkundenfälschung und Misswirtschaft im Zusammenhang mit Konkursen hinter sich hat. «Meine Masche war einfach: Du übernimmst eine Firma, kaufst auf Rechnung Waren ein, verkaufst diese Waren und schickst die Firma dann in den Bankrott», sagt er dem «Tages-Anzeiger».

«Einige meiner Freunde haben sich dann mit dem Geld Luxusautos gekauft»
Vasily A.

Deswegen war er umso überraschter, als ihm die Postfinance den Kredit nach 20 Minuten gutgeschrieben hatte. «Ohne Vorlage eines Betreibungsregisterauszugs weder von meiner Firma noch von mir», erzählt er.

Kurz darauf habe er fast den ganzen Betrag abgehoben. Danach meldete er seine IT-Firma Konkurs an. Als das Bezirksgericht wissen wollte, wofür er den Corona-Kredit verwendet hatte, gab er als Grund die Rückzahlung von Schulden an. Dem Tages-Anzeiger erzählt er, was er damit wirklich gemacht hatte. Das Geld habe er, neben einiger privaten Käufe, investiert. Für was, will er nicht sagen. Er werde es zurückzahlen, verspricht er.

Andere seiner Freunde hätten das auch gemacht, erzählt er. Einer davon habe sich sogar die Höchstsumme von 500’000 Franken von seiner Bank geholt – ohne die Vorlage irgendwelcher Dokumente. «Einige haben sich dann mit dem Geld Luxusautos gekauft». Wenn man das Geld bis zum Ende der Laufzeit zurückzahle, hätte man mit keinen Problemen zu rechnen. «Tut man das, ist ein Covid-Kredit allemal billiger als ein Autoleasing», sagt Vasily.

Mehrere hundert Betrugsfälle hängig

Wer bei den Corona-Anträgen falsche Angaben macht, hat mit einer Busse von bis zu 100'000 Franken und bis zu 5 Jahren Haft zu rechnen. Wer solche Betrüge auffliegen lässt, sind die Banken. Sie prüfen zwar die Anträge nicht, aber melden ungewöhnliche Kontoaktivitäten der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS). Diese habe aufgrund von Bank-Meldungen bereits 534 Anzeigen wegen Betrugsverdacht bei den zuständigen Ermittlungsbehörden erstattet.

Im Kanton Zürich sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft 98 Ermittlungen hängig. Die mutmassliche Deliktsumme betrage 20,5 Millionen Franken. In St.Gallen sind es 14 Fälle, in Bern 37. Basel-Stadt meldet rund 30 Fälle mit einer Schadenhöhe von rund 6 Millionen Franken.

Zum Vergleich: Zwischen Ende März und Ende Juni haben in der Schweiz insgesamt 136'250 Unternehmen Hilfskredite von knapp 17 Milliarden Franken bezogen. (cki)

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38 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Coffeetime ☕
05.10.2020 09:21registriert Dezember 2018
Und noch stolz auf so einen Betrug sein? Ich hoffe sehr, Karma schlägt zurück...

Wie bereits von einem co-Kommentator angegeben, diese Betrügereien waren wohl mit eingerechnet... und jetzt kriegen die Leute es mit der Justiz zu tun. Danach gibt es wohl nie mehr einen Kredit. Ob sich das gelohnt hat? Evtl. Sehr kurzfristig gedacht?
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domin272
05.10.2020 09:54registriert Juli 2016
Oh bitte und wo ist nun das Problem? Es ist doch genau gleich wie bei den Sozialwerken. Wenn einer die kriminelle Energie aufbringen und das mit seinem Gewissen vereinbaren kann, findet er auch einen Weg, egal wie erniedrigend und hart man die Bedingungen ansetzt. Man spart zwar damit in der Regel etwas, aber leider meist auf Kosten derer, die es nötig und ein Gewissen haben. Wichtig ist vor allem, dass es rechtrechtsstaatlich korrekte Verfahren zur Aufklärung gibt und dass man wenn man in diesem Fall z.B. das Geld missbraucht, mit einer Strafe belegt wird die schmerzt.
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HenryJames
05.10.2020 10:01registriert Februar 2018
Wieso gigt man diesem Schmarotzer Vasily hier eine Plattform, sich mit seinen "Heldentaten" zu brüsten? Bisher habe ich immer gehört, es sei sooo kompliziert und bürokratisch, an die Gelder zu kommen. Was stimmt jetzt? Bei ausserordentlichen Ereignissen gibt es immer Betrüger, die das ausnutzen, Stichwort Kriegsgewinnler. Es wäre einfach gut, wenn man dies nicht einfach als Kavaliersdelikt abtut.
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Tesla plant Massenentlassung – angeblich trifft es jeden 10. Angestellten
Tesla hat laut Medienberichten vor, im grossen Stil Stellen zu streichen. Weltweit soll die Belegschaft radikal reduziert werden.

Der E-Autohersteller Tesla plant offenbar, weltweit mehr als 10 Prozent aller Stellen zu streichen. Das berichtet das «Handelsblatt» unter Berufung auf ein internes Schreiben des Autobauers. Von dem Abbau sollen insgesamt 14'000 Mitarbeiter betroffen sein. «Das wird uns schlank, innovativ und hungrig für die nächste Wachstumsphase machen», schrieb Tesla-Chef Elon Musk demnach an die Belegschaft.

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