Oft verweigern Konzernchefs und Verwaltungsratspräsidenten die Auskunft, wenn man sie zu einer bevorstehenden Abstimmung befragt. Sie wollen sich nicht politisch exponieren. Bei der Begrenzungsinitiative der SVP, die am 27. September an die Urne kommt, ist das anders. Als die «Schweiz am Wochenende» die Firmenspitzen um Stellungnahmen bittet, folgen diese innerhalb zweier Tage.
Auch eine der wenigen Absagen ist bemerkenswert. Rolf Dörig, Verwaltungsratspräsident des Versicherers Swiss Life, lässt ausrichten, er habe sich entschieden, zur Begrenzungsinitiative keine Stellung zu nehmen. Noch bei der Masseneinwanderungs- und der Selbstbestimmungsinitiative empfahl Dörig ein Ja, wie die SVP und entgegen den Parolen der Wirtschaftsverbände. Ob er diesmal dagegen ist oder sich keinen Ärger mit den Verbänden einhandeln möchte, bleibt sein Geheimnis.
Diese Zeitung hat gezielt Firmenchefs mit Schweizer Pass befragt. Denn Ems-Chefin und SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher hatte in den Zeitungen der TX Group eine interessante Hypothese aufgestellt. Sie wurde gefragt, warum die Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse zum Schluss kommen, dass die Initiative der Wirtschaft schade – und sie selber nicht. Darauf antwortete die SVP-Politikerin:
Weiter sagte sie, viele Chefs stünden auf der Seite der EU: «Ein Teil von ihnen hat andere Interessen für die Schweiz als wir Schweizer Unternehmensführer.»
In der Tat beträgt auf der obersten Führungsebene der Ausländeranteil mehr als ein Drittel (siehe Text am Ende dieses Artikels). Aber gibt es einen Graben zwischen Chefs mit oder ohne Schweizer Pass? Unterstützen, wie Martullo insinuiert, Schweizer Chefs die Begrenzungsinitiative?
Mitnichten. UBS-Chef Sergio Ermotti, dem auch schon Sympathien zur SVP nachgesagt wurden, sagt klipp und klar: «Ich bin gegen die Begrenzungsinitiative. Als global integrierter Wirtschaftsstandort ist die Schweiz auf die unkomplizierte Rekrutierung internationaler Arbeitskräfte angewiesen.» Ermotti betont, selbst wenn es Steuerungsbedarf gäbe, «wäre diese Initiative nicht der richtige Weg, ein mögliches Problem zu adressieren». Ermotti sorgt sich zudem um das Verhältnis zur EU. «Angesichts der offenen Diskussion über die Zukunft des bilateralen Wegs und des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds sollte jetzt keine weitere Unsicherheit geschaffen werden.»
Der Chef der Erzrivalin am Paradeplatz, CS-CEO Thomas Gottstein, ist gleicher Meinung. «Selbstbestimmung ist wichtig», betont er, um hinzuzufügen:
Auch für die Versicherungen ist der Fall klar. Swiss-Re-Konzernchef Christian Mumenthaler etwa warnt eindringlich vor den Folgen der Initiative.
Besonders betroffen von einem Ja wäre die Pharmaindustrie. Roche-Chef Severin Schwan hat sich kürzlich einbürgern lassen. Nun darf der gebürtige Österreicher am 27. September selber abstimmen. «Für Roche als forschungsbasiertes Unternehmen ist der Zugang zu hoch ausgebildeten Mitarbeitenden extrem wichtig», sagt er. «Wir rekrutieren zwar sehr viele hoch qualifizierte Wissenschaftler oder Informatiker, die aus der Schweiz kommen. Aber wir können unseren Bedarf unmöglich nur mit Schweizern abdecken.» Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht sei ein Nein wichtig, es gehe um die Wertschöpfung in Basel und der ganzen Schweiz.
Geniesst die Initiative in der Binnenwirtschaft mehr Sympathien? Fehlanzeige. Hansueli Loosli präsidiert Coop, den zweitgrössten Arbeitgeber im Inland, sowie die Swisscom. Er sei gegen die Initiative, weil er den bilateralen Weg mit der EU und damit den Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt nicht gefährden wolle, sagt er. «Dieser weitgehend diskriminierungsfreie Zugang ist für unsere Exportwirtschaft und damit für die Arbeitsplätze und den Wohlstand in der Schweiz von grösster Wichtigkeit», sagt Loosli.
Besonders schmerzhaft für die SVP ist, dass auch ihr nahestehende Gewerbeunternehmer für ein Nein plädieren. Sogar Angehörige der eigenen Partei wie die Thurgauer SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr, die Mitinhaberin der Stahlbaufirma Ernst Fischer ist. Bereits zu einem frühen Zeitpunkt hatte der SVP-Vorzeigeunternehmer Peter Spuhler in aller Deutlichkeit gegen die Vorlage Stellung bezogen und damit wohl auch andere Unternehmer ermutigt, sich zu exponieren. Spuhler sagte im März zu dieser Zeitung:
Unter den Chefs grosser Unternehmen gibt es nebst Martullo nur noch einen Ja-Verfechter. Walter Frey, Verwaltungsratspräsident der Emil Frey AG und ehemaliger SVP-Nationalrat. Er begründete seine Haltung im Juni in der «Schweiz am Wochenende»: «Für mich als Unternehmer wäre es einfacher, ohne jegliche Rücksicht im EU-Raum Personal zu rekrutieren. Aber es geht um das Wohl der Schweiz, es geht um Grundsätzliches.» Magdalena Martullo wollte sich zu ihrer Aussage, dass Schweizer Chefs andere Interessen hätten als ausländische, nicht mehr weiter äussern.
Ein Doppelspiel das seit Jahren im Gange ist und vor allem auch von den vielen SVP nahen UN betrieben wird.